Chemnitz soll für Deutschland im Jahr 2025 als Europäische Kulturhauptstadt Solidarität und Kooperation verkörpern. Die sächsische Stadt setzte sich am Mittwoch in Berlin gegen die auf der Shortlist noch vertretenen Städte Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg durch. Eine entsprechende Empfehlung für Chemnitz verkündete die europäische Auswahljury. Zuvor waren im Dezember die Mitbewerber Dresden, Gera und Zittau ausgeschieden.
Die Jury-Vorsitzende Sylvia Amann forderte Chemnitz und auch die unterlegenen Bewerber auf, Kunst und Kultur in den Mittelpunkt zu stellen und als Teil der Lösung der aktuellen Probleme zu verstehen. "Europa braucht jetzt mehr denn je ein Klima der Offenheit und der Solidarität", sagte Amann. Kunst, Kultur und das Engagement auf städtischer Ebene könnten dies leisten.
Die Empfehlung der Jury muss von Bund und Ländern noch in eine formelle Ernennung umgewandelt werden. Die zweite Europäische Kulturhauptstadt 2025 stellt Slowenien, die Entscheidung soll im Dezember verkündet werden. In diesem Jahr können sich Rijeka in Kroatien und Galway in Irland mit dem Titel schmücken.
Jüngste Europäische Kulturhauptstadt aus Deutschland war Essen mit dem Ruhrgebiet (2010). Ausgezeichnet wurden davor auch schon Weimar (1999) und West-Berlin (1988).
Während es in den unterlegenen Städten lange Gesichter gab, zeigte sich die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig begeistert. "Es wird der Stadt so gut tun", sagte die SPD-Politikerin. Chemnitz war vor zwei Jahren tagelang bundesweit in den Blickpunkt geraten. Nachdem am Rande eines Stadtfests ein Mann von einem Asylbewerber erstochen worden war, folgten Übergriffe und Demonstrationen, die auch von Rechtsextremen instrumentalisiert wurden.
"Die Ereignisse haben die Stadt in einer Art und Weise an ihre Grenzen gebracht hat, die uns zum Teil sehr wehgetan haben", sagte die scheidende Stadtchefin an ihrem vorletzten Amtstag. Das habe eine neue Bewegung ausgelöst. "Wir wollen zeigen, dass wir so viel mehr sind als die Bilder, die 2018 um die Welt gegangen sind."
Chemnitz will "all die Leute und Orte sichtbar machen, die man nicht sieht, und damit auch ein Chemnitz, das in Europa - noch - keiner auf dem Schirm hat", so das Bewerbungsteam. Mit kulturellen Mitteln sollen Gräben überwunden werden.
In den Bewerberstädten wurden jahrelang Ideen gewälzt, Programme aufgestellt und dicke Bewerbungen geschrieben. Die Kandidaten wurden aufgrund umfangreicher Bewerbungsbücher bewertet. Außerdem gab es zuletzt Stadtbesuche, wegen der Corona-Pandemie allerdings ausschließlich digital.
Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) bezeichnete die Entscheidung für Chemnitz in einer für Kunst- und Kulturschaffende schwierigen Zeit als Lichtblick. Für die Kulturministerkonferenz der Länder sagte Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU), der Wettbewerb mache "Kultur zum Impulsgeber für eine langfristige Stadtentwicklung und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt". Aus Sicht von Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, haben die Bewerberstädte gezeigt, "welche integrative, verbindende und gemeinschaftsstiftende Kraft Kultur hat".