Eine Gruppenausstellung untersucht mal wieder den Stand der Dinge im ältesten Medium der Welt. Bevor man die Hand zum Abwinken erhebt, stopp, halt. Es ist alles ein bisschen anders in "Carnivalesca", und der Titel deutet bereits an warum. Diese Malerei taumelt. Sie ist außer sich und zugleich bei sich, wie ein Karnevalist eben. Man kann an ihr zupfen und sie in leichte Schwingungen versetzen wie die groben Leinwände des senegalesischen Künstlers El Hadji Sy.
"Carnivalesca" versammelt Künstlerinnen und Künstler, so die Kuratoren Bettina Steinbrügge und Nicholas Tammens, die "die Grenzen der Malerei weit über den bloßen Rahmen und die Leinwand ihrer Bilder hinaus verschoben und auf die Auseinandersetzung mit dem Sozialen und Politischen ausgedehnt haben". Malerei ist für sie in der Gegenwart nicht nur Praxis und Diskurs, sondern auch ein freier, karnevalesker Raum.
Anna Betbeze zeigt gefärbte und mit Feuer versengte Teppiche, von denen nicht jeder die Prozedur übersteht.
Die Australierin Helen Johnson entfaltet ein feministisches Narrativ, bei dem die Vorderseite eines Bildes mit Text auf seiner Rückseite kommuniziert und das Ganze frei im Raum schwebt. Es gibt ein bemaltes Segelboot von Anna Boghiguian zu sehen und auf dem Boden liegende gefärbte Stoffe, die auch Rückzugsort für Hunde sind (Hugo Canoilas). Ein ekstatisches, kraftvolles Glühen geht von den Leinwänden der in Berlin lebenden Donna Huanca aus. Print und gestische Vermalung gehen ineinander über, ohne dass sie sich zu einem homogenen Ganzen fügen.
Der Kunstverein in Hamburg ist mit einer Architektur gesegnet, die vor allem das Obergeschoss natürliches Licht in Massen aufnehmen lässt – und mit einer geografischen Lage, die diesen Himmel in stetiger Bewegung hält. Für die Art von Malerei, wie sie hier gezeigt wird, sind das ideale Voraussetzungen. "Carnivalesca" ist eine kluge, aber auch eine sinnliche Schau geworden. Und die fungiert zugleich als mahnende Erinnerung: Die Realpräsenz von Malerei ist durch nichts zu ersetzen.