Absage von Candice-Breitz-Schau

Ende einer Ausstellung

Moderne Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken
Foto: CC via Wikimedia Commons

Moderne Galerie des Saarlandmuseums in Saarbrücken

In Saarbrücken wird ein Werk der jüdischen Künstlerin Candice Breitz wegen deren Aussagen zum Nahostkrieg nicht gezeigt. Das bestätigt auf absurde Weise die Befürchtung vieler Kunstschaffender, dass die Freiheit der Debatte dramatisch schrumpft. Ein Kommentar

Das Saarlandmuseum hat eine für 2024 geplante Ausstellung der jüdischen Künstlerin Candice Breitz abgesagt – wegen angeblich kontroverser Aussagen zum Gaza-Krieg. Das vermeldete am Freitagabend die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, zu der das Saarlandmuseum gehört. "Der Vorstand trifft diese Entscheidung nach reiflicher Überlegung in Anbetracht der medialen Berichterstattung über die Künstlerin im Zusammenhang mit ihren kontroversen Äußerungen im Kontext des Angriffskrieges der Hamas auf den Staat Israel. Die SSK möchte durch die Absage der Ausstellung deutlich zum Ausdruck bringen, dass sie vor diesem Hintergrund nicht bereit ist, Künstler*innen ein Podium zu bieten, die sich nicht klar gegen den Terror der Hamas positionieren", heißt es in der Presseerklärung – weiter werden die Vorwürfe nicht ausgeführt.  

Im Saarlandmuseum hätte 2024 Breitz‘ bereits vielfach ausgestellte Videoinstallation "TDLR" (2017) zum Thema Sexarbeit in Johannesburg gezeigt werden sollen. Wie Breitz gegenüber Monopol sagte, sei diese Ausstellung seit drei Jahren geplant gewesen. Das Museum habe sie vor der Absage nicht kontaktiert.

 Die "mediale Berichterstattung" könnte laut Breitz sowie laut der "Saarbrücker Zeitung" ein Artikel in der "Taz" über eine von Breitz und anderen jüdischen Personen aus dem Kulturbetrieb initiierte Demonstration unter dem Motto "We still still still need to talk" gewesen sein. Der Artikel wirft Teilen des Kulturbetriebs vor, eine Art Schuldumkehr zu betreiben, wenn sie sich selbst als Opfer von BDS-Resolution und Zensur verstehen. 

"Ich stehe zu dieser Aussage"

Breitz habe in einem Video "jüdisches Privileg" und "Apartheid" in Israel beklagt. "Aber von Angriffen auf Synagogen, Aufrufen zur Gewalt gegen Juden, gar Drohbriefen an jüdische Privatadressen und eskalierenden Demonstrationen von Islamisten, wie der in Essen will sie nichts wissen." 

In einem Brief an die "Taz", der Monopol vorliegt, widerspricht Breitz dieser Darstellung vehement. "Zu keinem Zeitpunkt des Abends habe ich das Wort 'Apartheid' im Zusammenhang mit dem Staat Israel erwähnt. An einem frühen Punkt meiner Rede habe ich erwähnt, dass ich unter der Apartheid in Südafrika aufgewachsen bin, und dass ich daher weiß, wie Apartheid aussieht und wie sie funktioniert (was man tut, wenn man wenn man unter einem repressiven Regime gelebt hat). Ich stehe zu dieser Aussage." 

Auf die Vorwürfe, sie wolle von Angriffen auf Synagogen nichts wissen, reagiert sie empört: Der Autor habe keine Ahnung, was sie als jüdische Person seit dem 7. Oktober durchmache. "Wie kann der Autor es wagen, anzunehmen, ohne mit mir zu sprechen oder etwas über meine persönliche Beziehung zum Judentum zu wissen, dass ich nicht tief betroffen bin von dem anhaltenden Antisemitismus und der hasserfüllten Gewalt, die Juden in diesem Land immer wieder erleben?"

Protest gegen verengten Diskurs

Die Demonstration bezog sich in ihrem Titel auf die Tagung "We still need to talk", die von Breitz in Zusammenarbeit mit dem jüdischen US-amerikanischen Holocaustforscher Michael Rothberg vorbereitet worden war. Sie sollte im Nachklang der Documenta Fifteen Raum für Debatten über Rassismus, Antisemitismus und Veränderungen in der deutschen Erinnerungskultur bieten, war aber kurz nach dem Attentat der Hamas am 7. Oktober vom Veranstalter, der Bundeszentrale für Politische Bildung, abgesagt worden

Breitz und ihre Mitstreiter richten sich gegen eine zunehmende Verengung des Diskurses: "Eine gesunde Demokratie muss die Einbeziehung und Teilhabe eines breiten Spektrums von Stimmen ermöglichen, einschließlich der Stimmen, die kritisch gegenüber den Mainstream-Narrativen sind", hieß es im Statement der Veranstalter.

Breitz und andere Rednerinnen und Redner beklagten bei der Demonstration, dass sie, wenn sie sich gegen die Bombardierung Gazas durch Israel wenden, wiederholt aufgefordert worden seien, sich zunächst gegen den Terror der Hamas zu positionieren. Die darin enthaltene Unterstellung, sie unterstütze diesen, sei "widerlich", so Breitz auf der Demonstration. Genau diese Unterstellung wiederholt sich jetzt in dem dürren Statement des Saarlandmuseums zur Absage der Ausstellung. 

Geradezu absurde Zielgenauigkeit

Dabei hätte ein Blick auf Breitz' Instagram-Kanal ihre klare Haltung gegenüber den Terroranschlägen der Hamas zeigen können: "Es ist möglich, die Hamas uneingeschränkt zu verurteilen (wie ich es tue) und gleichzeitig den breiteren palästinensischen Kampf für Freiheit von Unterdrückung, Diskriminierung und Besatzung zu unterstützen", so Breitz dort in einem Statement.

Dass genau diese Haltung es in der gegenwärtigen Diskurslage in Deutschland extrem schwer hat, zeigt nun die Absage aus Saarbrücken. Sie bestätigt die Befürchtungen über eine dramatisch geschrumpfte Freiheit der Debatte, die Breitz und viele andere Intellektuelle und Künstlerinnen und Künstler hegen, mit einer geradezu absurden Zielgenauigkeit. 

Zum ersten Mal wird nun auch eine jüdische Künstlerin Opfer der aktuellen Serie von Absagen und Ausladungen wegen Aussagen, die als antisemitisch gelesen werden. Zur Absurdität dieser Situation gehört, dass Breitz‘ Werk, das nun nicht gezeigt werden wird, sich mit einem ganz anderen Thema beschäftigt als Antisemitismus oder dem Nahostkonflikt. Um Kunst und ihre Inhalte geht es schon lange nicht mehr, von Meinungs- oder Kunstfreiheit ist nicht mehr die Rede.

Man glaubt in Saarbrücken offenbar, ein Werk über Prostitution in Südafrika nicht zeigen zu können, weil der Schöpferin, eine Jüdin, eine politische Position zum Thema Israel unterstellt wird, die nicht in den deutschen Meinungskorridor passt. Es wäre lächerlich, wenn es nicht so traurig wäre.