"Bunker und Bullis" von Boris Becker. So heißt diese Fotopublikation wirklich, und allein das ist schon lustig irgendwie. Doch so richtig amüsant ist das Sujet natürlich nicht, sind die Bunker doch architektonische Mahnmale der Nazi-Diktatur. Und steht der Bulli, also die Firma Volkswagen, doch auch exemplarisch für den deutschen Nachkriegs-Aufschwung mit mangelnder Aufarbeitung. Endlich waren wir wieder wer.
Boris Becker (nicht mit dem Tennisspieler zu verwechseln) studierte an der Hochschule der Künste in Berlin bei Konzept-Legende Bernd Becher. Vielleicht kommt daher auch sein Hang zur Alliteration. In 50 deutschen Großstädten hat der 1961 in Köln geborene Fotograf zwischen 1984 und 1989 Kriegsbauten aufgenommen, insgesamt 700 Hochbunker mit der Mittelformatkamera. Und 180 Objekte seien so interessant gewesen, sagt er, dass er sie noch einmal mit der Großbildkamera unter optimalen Bedingungen fotografierte. In Schwarz-Weiß.
Manchmal stand er auf seinem weißen Kastenwagen, um die Gebäude einzufangen, die im Herbst 1940, beauftragt durch ein Sofortprogramm von Adolf Hitler, eilig errichtet wurden. Ganz unterschiedlich sehen sie aus. Damals wie heute.
Museum, Möbellager, Mahnmal
In der Westerwaldstraße in Köln steht der Bunker vor einer Kirche und wirkt aus der gewählten Perspektive wie ein Teil davon. Manchmal sind sie so groß und blockig wie Kinder, die sich verstecken, indem sie die auffälligste Position auswählen. Manchmal scheinen Teile dorische Säulen zu imitieren. Durch einige kann man hindurchfahren, was irgendwie gewalttätig wirkt.
Über die Jahre haben diese Schutz-Gebäude eine Umnutzung erfahren. Werden kulturell belebt, dienen als Projektionsflächen für politisierte Statements und Malereien oder tragen ganz profan Werbung an sich. Sie wurden zum Museum, zum Möbellager, zum Mahnmal für den Krieg.
"Deutsche Polizisten morden für Faschisten" heißt da ein Klassiker deutscher Aufarbeitungs-Versuche an den Wänden. Die Parole "Lehrstellen statt Bunker", wie sie an den Bau in Kassel gesprüht wurde, lässt natürlich eheblichen Spekulationsspielraum. Vielleicht mangelte es auch schon an Schulplätzen und es ist ein "h" zu viel im Wort?
Fahren, frei sein
Als die Bilder aufgenommen wurden, war man in der BRD noch gegen Krieg. Die Autos waren noch schön. Und irgendwie hat Boris Becker es geschafft, dass in (mindestens) 36 Aufnahmen wirklich Bullis vor diesen Bunkern stehen. Als wäre es kein Zufall. Manchmal sind es sogar zwei. In Hamburg, Bremen, Schweinfurt. Sie erinnern daran, dass der Mensch wieder rausgehen kann. Er fährt, ist frei.
Der Volkswagen-Bus, bis heute Bulli genannt, war damals eines der beliebtesten Fortbewegungsmittel. Und hatte so gar nichts von "Vanlife", sondern fuhr Leben in sich umher. Die "Ruler und Shaker" der Nachkriegszeit – also Handwerker, Händler, Künstler, Musiker – nutzten das Innenraumvolumen, um Dinge zu transportieren oder eine ganze Existenz mit sich zu führen.
Wer einmal einen Bulli gefahren hat, kann sich an das rund stotternde Geräusch – das Töfftöfftöff – des Kolbenmotors erinnern und lächelt noch heute träumerisch, wenn es einmal ertönt. Fast jeder Mensch mit westdeutschem Hintergrund erinnert sich an eine Szene, wie sie nur im Bulli spielen kann. Die Autorin denkt sofort an: Die höhlige Sicherheit der Rückbank, als die Pilze knallten, da auf dem ersten Goa-Festival im hohen Norden. Das Shetlandpony Tembo, das kurzerhand im Bulli transportiert wurde, weil kein Pferdeanhänger zugegen war.
Eine Geschichte deutscher Identität
So, und wie kriegen wir das jetzt zusammen, den Bulli und den Bunker? Im Vorwort des Fotobuchs steht: "Das historische Material öffnet sich gewissermaßen für neue Bild- und Gedankenkombinationen im Zusammenspiel mit den abgebildeten Bullis und wird zum Auslöser für bislang nicht eingenommene Perspektiven." Das erzeugt natürlich etwas Druck in der Betrachterin.
Vielleicht ist die Kombination aus der ins Stadtbild integrierten Architektur der Nazi-Bunker und den Aufschwungs-Bullis davor nicht viel mehr als eine Geschichte deutscher Identität. Und die wirkt hier ähnlich harmlos wie ein nackter Mensch. Man soll sich die Menschen, doch immer nackt vorstellen, wenn man Angst vor ihnen hat. Und so ist das kleine Büchlein dann doch etwas lustig.