Für manche war er ein großer Reformer, für andere vor allem ein Verfechter von Imperialismus und Kolonialismus. Otto von Bismarck ist umstritten – und er ist überall. In jeder mittelgroßen deutschen Stadt stehen bis heute Bismark-Denkmäler, die an den Reichskanzler und die deutsche Staatengründung erinnern – in Berlin sind es allein fünf. Im Elbpark in Hamburg befindet sich das größte von allen, ein über 34 Meter hohes Standbild mit Schwert mit wahrlich brachialer Ausstrahlung.
Der Koloss ist denkmalgeschützt, über einen Abriss muss also nicht nachgedacht werden. Stattdessen gibt es schon lange Überlegungen, der alten Machtgeste eine neue künstlerische Intervention entgegen zu stellen. Dazu hat die Hamburger Behörde für Kultur und Medien in Kooperationen mit der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) vor einem Jahr einen offenen internationalen Ideenwettbewerb gestartet. Personen aus Kunst, Architektur und Zivilgesellschaft sollten überlegen, wie die Bezüge des Denkmals zu Kolonialismus, Nationalsozialismus, Diskriminierung und Fragen der sozialen Gerechtigkeit sichtbar gemacht werden können.
Die Fachjury, zu der unter anderem der Historiker Jürgen Zimmerer, die Kuratorin Julia Grosse und der Philosoph Jan Philipp Reemtsma gehören, hat sich nun nach zwei Wettbewerbsrunden nicht für einen einzelnen Entwurf entschieden: Die Aufgabe könne durch eine einzelne künstlerische Intervention in ihrer Komplexität nicht erfüllt werden. Stattdessen solle der Schwerpunkt des Prozesses stärker auf Vermittlung und gesellschaftlichen Diskurs verlagert werden.
Bismarck weint eine rosa Träne
Die eingereichten Entwürfe für das Wettbewerbsverfahren sind nun trotzdem im Museum für Hamburgische Geschichte, in direkter Nähe zum Bismarck-Denkmal, sowie online auf der Seite des Museums zu sehen. Die Varianz ist beeindruckend: Da gibt es einen Bismarck mit Träne aus Neonröhre (Lennart Münchenhagen) oder Darth-Vader-Kopf und rot gefärbtem Schwert (Nina Heinzel), er wird in eine gigantische Schneekugel verpackt (BIAB Projekt GbR) oder permanent durch ein Baugerüst verdeckt (Klara Architekten).
Sehr hübsch auch die Idee, ihm eine typisch gelbe Hamburger Regenjacke anzuziehen (Niknesk Entertainment) oder ihn in einen Springbrunnen zu verwandeln. Und Hamburger Sportlerinnen hätten sicherlich den Plan unterstützt, das Denkmal in eine Kletterwand zu verwandeln (noroomgallery). Doch leider darf man dem Bismarck nun wieder nur in der Theorie auf’s Dach steigen.