"Wir sticken hier keine Kissen", soll Le Corbusier gesagt haben, als sich die 24-jährige Charlotte Perriand 1927 in seinem Büro in Paris als Architektin vorstellte. Dann arbeitete er doch mit ihr zusammen. Auch 1935 muss sie immer wieder Wogen glätten. "Es geht nicht darum, uns auf Ihrem Gebiet zu drängen", schreibt sie an Le Corbusier. "Daran kann es keinen Zweifel geben, und es gilt auch für meine Genossen, die wie ich denken, dass wir uns nicht mehr mit persönlichen und sterilen Spielchen abgeben können. Wir versuchen, Ideen voranzubringen, und wir greifen sie an, wenn wir sie schlecht finden, das ist alles."
Le Corbusier interpretiert ihren Widerspruch als Verrat. Er möchte sich nicht einem Kollektiv unterordnen, dafür ist sein Ego zu groß. "Sie reden immer nur von Mannschaft", antwortet er kampflustig seiner langjährigen Mitarbeiterin und Geliebten des Partners Pierre Jeanneret. "Aber unter der Bedingung, dass sie allein die Ihre ist, in der Sie alleine befehlen. Seien Sie sanftmütiger. Geben Sie zu, dass Sie nicht über fünfunddreißig Jahre Erfahrung verfügen. Geben Sie auch zu, dass es da auch Talent und Schöpferkraft geben könnte. Haben Sie diese Schöpferkraft? Nein, Sie übernehmen die Effekte."
Die selbstherrliche Antwort muss gesessen haben. Perriand, die in Le Corbusiers Büro zur Architektin ausgebildet worden ist, geht auf Distanz und beendet eine zehn Jahre lange Arbeitsphase im Schatten des "Meisters". Dass sie nicht weitergekämpft hat, bedauert sie später in ihrer Autobiografie: "Ich hatte die Tür hinter mir zugeworfen. Heute würde ich sie geöffnet lassen. Ich hätte wissen müssen, dass mein Eintritt in die Werkstatt in der Rue de Sèvres 35 wirklich wie ein Eintritt ins Kloster war - es galt, sich an die Ordensregel zu halten und sich einzufügen."
Ein neues Umfeld für den in die Zukunft gewandten Menschen
Es ist ein Glücksfall, dass sich die immer blendend aussehende Garçonne nicht unterordnen konnte. Als die Volksfront an die Macht kam, nahm sie en einem Wettbewerb des Bildungsministeriums teil. Zusammen mit Fernand Léger und Joan Miró wollte sie die Büroausstattung von Minister Jean Zay gestalten.
Die Bewerbung fiel durch. Nicht so die rastlose Aktivität der Umstürzlerin, die dem "neuen Menschen" zu einem in die Zukunft weisenden Umfeld zu verhelfen. Mit ihren Designklassikern, die heute auf Auktionen sechsstellige Preise verbuchen, und der von ihr vorgelebten Freiheit, der Suche nach Abenteuer und Engagement, hat sie ihre Zeit geprägt. Ob bei Projekten in der UdSSR oder als Mitglied der 1927 in Moskau gegründeten Internationalen Vereinigung revolutionärer Schriftsteller und Künstler, der sich auch André Breton und Robert Capa, aber auch Claude Cahun oder Germaine Krull verschrieben hatten.
"Die zerrissenen Maschen des Netzes neu knüpfen"
Laure Adler, auf deren Konto Biografien über Marguerite Duras und Hannah Arendt gehen, hat tief in dem Archiv der Tochter und Assistentin, Pernette, gegraben. Die schillernde Vita wird entlang von unzähligen Dokumenten aufgefächert, mit reichlich Sinn für die Aporien der Epoche. Perriand paddelt nackt im Kanu im Balearen-Meer, hantierte mit Lötgeräten, Wellblech und gebogenen Rohren und wanderte über einen Monat lang in 4000 Metern Höhe.
Selbst in Japan, dessen Formensprache ihre Ästhetik stark beeinflusste, vergaß sie ihre Skier nicht und fuhr an den Hängen des Fujisan. Als sie sich unter Philippe Pétain nicht mehr Architektin nennen durfte, wählte sie die Berge als Zuflucht, um, wie sie in ihrer Autobiografie schrieb, "die zerrissenen Maschen des Netzes neu zu knüpfen, auf der Suche nach meinem Schicksal."