Ai Weiwei ist in seiner Heimat ein Phantom: Eine Bildanfrage mit chinesischen Internetsuchmaschinen bringt jedenfalls kein einziges Ergebnis. Auch in Syrien ist dieser Mann offenbar unbekannt. Hingegen erscheint das vermeintliche Gespenst in Afghanistan, Spanien und Indien äußerst lebendig: Unter den Top-Treffern taucht dort das Bild eines Mannes auf, der Vasen zerdeppert.
Den direkten Ländervergleich von Ergebnissen lokaler Suchmaschinen kann man seit 2012 auf der Website Imageatlas.org vornehmen. Das Portal wurde von der New Yorker Künstlerin Taryn Simon in Zusammenarbeit mit dem Programmierer Aaron Swartz ins Leben gerufen. Simon, die sich in ausgreifenden fotografischen Serien mit dem "Verdrängten und Unbekannten" beschäftigt, wie es in einem ihrer Werktitel heißt, will mit dieser Website "Fragen nach einer universellen visuellen Sprache" aufwerfen.
Zuerst achtet man allerdings eher auf kulturelle und politische Unterschiede der in dieser Weise porträtierten 57 Länder (unter denen der User auswählen kann, welche angezeigt werden sollen). Gibt man etwa das Wort "Art" ein, dann stechen vor allem die Landschaftmalerei in Nordkorea und die Körperperformance-Kunst in Ägypten heraus. "God" (siehe Screenshot oben) ist in Deutschland ein alter Mann mit Bart, islamische Länder umschreiben ihn natürlich mit Kalligrafie. Und in China wieder: ostasiatische Leere.
Dieser Online-Atlas macht tatsächlich visuelle Cluster sichtbar. Doch besonders augenfällig werden mit dieser Meta-Suchmaschine die Leerstellen: die Bilder, die unterdrückt werden und verboten sind.