Das kündigte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) am Donnerstag in Berlin an. Eine Findungskommission unter Roths Vorsitz soll die neue Intendantin oder den neuen Intendanten für eines der größten Filmfestivals der Welt bestimmen. Am Donnerstag verständigte sich der Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes (KBB) zur Zukunft der Leitungsebene der Berlinale.
Der bisherige künstlerische Leiter Carlo Chatrian habe sich bereit erklärt, "mit der neuen Intendanz in konstruktive Gespräche über eine künftige Rolle im neuen Team der Berlinale" einzutreten, hieß es in der Mitteilung weiter. Welche Position der Italiener dabei konkret übernehmen soll, wurde noch nicht bekannt. Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals - in diesem Jahr war etwa US-Schauspielerin Kristen Stewart Jurypräsidentin, und Hollywoodstar Sean Penn hatte seinen Dokumentarfilm zur Ukraine in Berlin vorgestellt.
Schon kurz nach dem Festival war bekanntgeworden, dass Rissenbeek ihren Vertrag als Geschäftsführerin des Festivals nicht verlängert. Die Doppelspitze solle noch die 74. Berlinale gemeinsam zu Ende führen, die neue Leitung solle die Arbeit dann im Anschluss aufnehmen, sagte ein Sprecher der Kulturstaatsministerin.
"Souverän durch die schweren Zeiten der Corona-Pandemie geführt"
Roth erklärte, die notwendigen Entscheidungen zur Modernisierung der Berlinale sollten wieder in einer Hand liegen: "Die Gespräche, die wir in den vergangenen Monaten auf verschiedenen Ebenen mit zahlreichen Menschen geführt haben, die bei, mit oder für die Berlinale arbeiten, haben uns zu der gemeinsamen Überzeugung geführt, dass das größte Publikumsfilmfestival der Welt künftig wieder von einer Person geleitet und repräsentiert werden sollte."
Sie bedankte sich bei Chatrian und Rissenbeek für deren Arbeit. Sie hätten die Berlinale souverän durch die schweren Zeiten der Corona-Pandemie geführt, teilte Roth mit. Die Neuaufstellung in der Spitze ist nicht die einzige Veränderung - erst Mitte Juli war bekanntgeworden, dass das Festival vor einem harten Sparkurs steht: Die Gesamtzahl der Filme soll um fast ein Drittel reduziert, zudem sollen Sektionen gestrichen werden.
Eine neue Spitze zu finden, dürfte keine einfache Aufgabe sein. Rissenbeek und Chatrian hatten den langjährigen Direktor Dieter Kosslick abgelöst, der sich auf dem roten Teppich stets wohlfühlte und die Rolle des Gastgebers gern übernahm. Auch wenn es immer wieder Kritik an Kosslicks Filmauswahl gab, traten Rissenbeek und Chatrian kein einfaches Erbe an.
Kompetenzgerangel und Verantwortungsdiffusion
Die Arbeit des Duos wurde von der Pandemie erschwert. Die erste Berlinale der beiden ging 2020 gerade noch so über die Bühne, damals kursierten die ersten Meldungen zur Ausbreitung des Coronavirus. Das Festival wurde 2021 auf zwei Termine geteilt. Und noch im Jahr 2022 konnten die Kinos nur halb besetzt werden.
Rissenbeek hatte als Organisatorin viele Aufgaben zu stemmen - sie musste Sponsoren finden und immer wieder die Lage erklären. Chatrian gilt als Filmfanatiker, der zur Vorbereitung Hunderte Filme schaute. Dass er zusätzlich zum Wettbewerb um den Goldenen Bären einen zweiten Wettbewerb schuf - die sogenannte Encounters-Reihe - schien manchen Kritikerinnen und Kritikern unverständlich.
Der Verband der Deutschen Filmkritik hatte etwa kürzlich die Frage aufgeworfen, ob eine Doppelspitze wirklich geeignet sei: "Sich widersprechende wirtschaftliche und künstlerische Interessen können in einer solchen Doppelspitze schnell zu Kompetenzgerangel und Verantwortungsdiffusion führen." Der Verband hatte eine neue Struktur gefordert, mit einer Person an der Spitze und einem kompetenten Team im Rücken. Das zu finden, ist die Herausforderung.