Lizzie Doron über die BDS-Bewegung

"Bei diesem Vorgehen gibt es nur Verlierer"

Die BDS-Bewegung fordert den Boykott von israelischen Produkten und Sanktionen gegen den Staat Israel. Nun weitet die Kampagne ihre Aktionen auf Kulturveranstaltungen in Deutschland aus. Monopol sprach mit der in Berlin und Tel Aviv lebenden Autorin Lizzie Doron darüber

Die Moderatorin, Journalistin Shelly Kupferberg, hat gerade das Podium vorgestellt: die Schriftstellerin Lizzie Doron, die kürzlich einen Roman über die Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern publiziert hat, und Klaus Lederer, Kultursenator in Berlin. Beide sind vom Berliner Pop-Kultur-Festival eingeladen, um über die Boykottbewegung gegen Israel zu diskutieren. Bloß, dazu kommt es nicht. Denn fortan stehen in Abständen von wenigen Minuten Menschen im Publikum auf und rufen Sätze wie "Das Pop-Kultur-Festival unterstützt ein Apartheidsregime!" Schließlich wird die Veranstaltung abgebrochen. 

BDS bedeutet "Boycott, Divestment, Sanction", die Forderungen lauten: Boykott, die Zurücknahme von Investitionen und Sanktionen. Das schließt einen kulturellen und akademischen Boykott ein. Im vergangenen Jahr traf es das Pop-Kultur-Festival. Denn die israelische Botschaft sponserte einigen Künstlern die Reisekosten, eine Reihe von Künstlern und Bands sagte deshalb ihre Teilnahme an dem Festival ab. Ähnlich in diesem Jahr. Auch bei der Ruhtriennale wurde die israelkritische Band Young Fathers erst ein-, dann wieder ausgeladen, danach wieder eingeladen. Schließlich sagten sie von sich aus ab.

Es scheint, als würden deutsche Institutionen die BDS-Bewegung unterschätzen. Und eigentlich hätte man wissen können, dass die Aktivitäten der Kampagne im Kunstbetrieb schon zu einer gut eingeübten Routine geworden sind, ähnlich wie Institutionskritik. Das zumindest schrieb "Hyperallergic" 2015 in einem ausführlichen Dossier über die seit 2005 bestehende Kampagne. Monopol sprach mit Lizzie Doron, die bei der Podiumsdiskussion zum Thema Boykott hätte sprechen sollen. 

Lizzie Doron, wie haben Sie die Podiumsdiskussion beim Pop-Kultur-Festival erlebt?
So eine Reaktion habe ich überhaupt nicht erwartet. Ich wollte über meine Erfahrungen mit Boykott sprechen, und darüber, wie Boykott ein Mittel zum Widerstand ist. Das kann ja auch eine Diskussion auslösen. Ich habe dabei gar nicht nur an BDS gedacht. 

Woran denn noch?
Ich habe persönliche Erfahrungen mit Boykott. Ich bin damit aufgewachsen. Meine Mutter, eine Holocaustüberlebende, hat keine Produkte aus Deutschland gekauft. Als ich in der Armee war und nach 1967 auf den Golanhöhen stationiert war, hat sie mich nicht besucht. Darüber wollte ich sprechen.

Finden Sie, Boykott ist ein wirksames Mittel des Protests?
Vor allem geht es mir darum, dass wir miteinander reden. Meine Haltung zur Palästinenserfrage hat sich geändert, weil ich mit Aktivisten gesprochen habe. Ich denke jetzt anders über Themen wie Freiheit in der Westbank und in den Palästinensergebieten. Nur bei der BDS-Bewegung habe ich das Gefühl, dass es nicht möglich ist, mit ihnen zu sprechen. An ihren Slogans und an ihren Reaktionen ist zu erkennen, dass sie radikaler sind als andere NGOs. Sie fühlen sich im Recht, und damit habe ich Schwierigkeiten. Ganz zu schweigen davon, dass ich die Tochter von Holocaustüberlebenden aus Osteuropa bin, die massiv boykottiert wurden. Man sollte sensibler sein, wenn man einen kulturellen Boykott fordert und ihn zur undifferenzierten Agenda macht. Ich glaube, das drückt eher ein Gefühl der Frustration aus als eine Ideologie. Bei diesem Vorgehen gibt es aber nur Verlierer. 

Vielleicht wollen sie nur eine Stimme. Es war ja niemand von BDS auf dem Podium. 
Weil Vertreter von BDS die Einladung abgelehnt haben! Sie wollten nicht an den Ort, den sie boykottieren.

Aber es waren viele von ihnen da.
Das war gut vorbereitet. BDS hat sich selbst die Möglichkeit zum Gespräch genommen. Das ist lustig und traurig, denn in Israel gelte ich als linke Schriftstellerin. BDS wurde als palästinensische Bewegung gegründet. Das ist erst einmal relevant für Israelis und Palästinenser. Aber es ist interessant, dass so viele Menschen von außen denken, sie müssten da mitmachen. 

Wie wird die Bewegung denn in Israel wahrgenommen?
Die Regierung sieht darin eine Bedrohung. In einem Spektrum politischer Positionen vertritt BDS die radikalste.

Inwiefern?
Ein starker Boykott kann von Politkern veranlasst werden. Die Wirtschaft hat andere Interessen, da geht es nicht so sehr um Politik. Die Kultur ist der empfindlichste Bereich. In Israel sehen sich die meisten Künstler, Musiker und Schriftsteller eher links. Und in der Kultur gibt es die Möglichkeit, eine Diskussion zu starten und nach Lösungen zu suchen. Kultur ist die beste Brücke.