Lustig scheint es zuzugehen rund um die South Vermont Avenue im östlichen Los Angeles. Dort gibt es Gemüseverkäufer, deren Autohupen wie Mariachi-Bands klingen, mit Plastiktüten zur Kirche eilende Mütterchen, guatemaltekische Straßenfußballer, vor allem aber: Musik, an jeder Straßenecke. Mitte der 80er-Jahre streunte auch ein Junge namens Beck Hansen durch das Viertel. Er wohnte bei seiner Mutter und liebte das ziellose Umherstreifen. Als einziger Weißer im Latinoviertel war er für die salvadorianischen Gangs nur der "Whetto", der weiße Ghettosonderling. Liebevollere Nachbarn nannten ihn "Guero", was "weißer Junge" bedeutet.
Lange ist das her, doch das Umherschweifen lässt den Jungen Beck, der am heutigen Mittwoch 50 Jahre alt wird, noch immer nicht los. Nach einem runden Dutzend Studioalben, sieben Grammys und 20 Grammy-Nominierungen gibt sich der Sänger und Multi-Instrumentalist noch immer als Außenseiter, der sich den unterschiedlichsten Einflüssen öffnet – auch wenn dieser Anspruch in einem von identitätspolitischen Kulturkämpfen zerrütteten Amerika immer nervenaufreibender wird.
Seit seinem Durchbruch mit "Loser" 1993 ist er mit Kritikerlob und Preisen geradezu überschüttet worden. Beck hat ein Gespür für den Zeitgeist, man feierte ihn als Stimme der Generation X, als das Slackertum, bohemehaftes Herumhängen, gerade ein Trend zu sein schien und schlechte Körperhaltung und Dreck unter den Fingernägeln Statussymbole waren. Und mit seinem Album "Midnite Vultures" versuchte er sich schon 1999 in Schmacht-R’n’B, lange bevor diese Art der Soul-Überzuckerung durch Weiße in die Castingshows einzog. Beck ist jedoch alles andere als ein Slacker: ein sehr ambitionierter, sexy Nerd. Doch um weitere richtige Hits zu landen, ist seine Musik stets zu verschroben, zu anspielungsreich, zu clownesk oder zu düster.
Strategien von Fluxus und Pop-Art
Seinen musikalischen, modischen und performerischen Eklektizismus verdankt er dabei nicht nur der migrantisch geprägten Nachbarschaft, in der er aufgewachsen ist, sondern auch der bildenden Kunst. Immer wieder hat der 1970 als Bek David Campbell geborene Musiker den Einfluss seines Großvaters Al Hansen hervorgehoben, ein Künstler, der lange in Köln lebte und die Fluxus-Bewegung entscheidend mitprägte. Im Jahr 2000 hat Beck seinem 1995 verstorbenen Opa in Deutschland eine Hommage gewidmet: Er wiederholte im Schloss Moyland bei Kleve dessen Aktion "Yoko Ono Piano Drop", indem er ein Klavier vom Dach kippte und auf dem Boden zerschellen ließ.
Becks Mutter, Bibbe Hansen, wiederum war einer von Andy Warhols "Superstars": Sie hing als sehr junges, speed-süchtiges Mädchen in dessen New Yorker Factory rum, bevor sie den Studiomusiker David Campbell heiratete und nach Kalifornien zog. Später verbreitete sie selbst die Legende, sie habe direkt nach der Geburt nach einer Flasche Becks-Bier verlangt, woraufhin ihr die Hebamme den Jungen reichte, in der Annahme, er heiße wie das Bier: "Hier ist Beck."
Beck selbst hat sich indes nie mit einem bildenden Künstler verwechselt. Doch immer wieder blitzen in seinem Werk Strategien durch, die an Fluxus und Pop-Art erinnern. So kann man bei seinem "Song Book", einem 2012 ausschließlich als Notenbuch veröffentlichten Album, durchaus an die "Instruction Pieces" von Yoko Ono denken oder an Fingerübungen von Bruce Nauman. Er arbeitete mit dem Künstler Marcel Dzama zusammen, mit dem Illustrator Josh Cochran oder der Malerin und Autorin Leanne Shapton.
Ambitionen sind nicht ohne Ironie zu haben
In den letzten Jahren ist Becks Musik etwas eintönig und beliebig geworden. Hat er sein Pulver verschossen, alle Stile, auf die er sich versteht, durchprobiert? Vielleicht war Beck einfach immer nur seiner Zeit voraus, nun hat sie ihn eingeholt. Symbolträchtig in einen Moment gegossen hat diesen Umstand ausgerechnet Kanye West, der 2015 die Bühne stürmte, als Beck einen Grammy für das beste Album ("Morning Phase") entgegennahm. Der Rapper war der Meinung, der Preis stehe Beyoncé zu. Beck, der nie rappen konnte und doch einfach rappte, weil er das Scheitern von vornherein umarmte ("I'm a Loser, Baby!"), stand verlegen lächelnd daneben. Ambitionen sind bei Beck nicht ohne Ironie zu haben, Machtanspruch nichts für einen Sonderling.
Beck hat alles Recht, sich zurückzuziehen und routiniert Alben zu veröffentlichen. Doch am besten war er immer, wenn er die Brüche in seinem Leben diskret produktiv gemacht hat, so wie 2002 nach der Trennung von seiner Freundin mit dem Album "Sea Change" oder 2014 mit "Morning Phase" nach einem langen Rückenleiden, das Live-Auftritte verhinderte. Highlight von "Morning Phase" ist das Video zu "Heart is a Drum", in dem der Sänger Leitmotive aus seinem Leben und sich selbst in jüngeren Jahren auftreten lässt: An einem Sommernachmittag ziehen die lieben Gespenster der Vergangenheit auf, auch der Tod schaut schon mal vorbei. Einträchtig gehen am Ende alle gemeinsam einen staubige Weg entlang, der sich hoffentlich noch eine Weile lang durch eine abwechslungsreiche Landschaft und aufregende Stadtteile schlängelt.