Die neue Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Barbara Steiner, will die Menschen vor Ort mehr einbeziehen. "Das Bauhaus muss ein Ort sein, an dem man zu wichtigen Fragen des Zusammenlebens ins Gespräch kommt, auch wenn man nicht einer Meinung ist", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Das Projekt "New European Bauhaus", an dem sich die Stiftung beteilige, ziele in diese Richtung. Es sei nicht nur ein ökologisches, sondern vor allem ein kulturelles Projekt. An der Schnittstelle von Kunst, Kultur, sozialer Inklusion, Wissenschaft und Technologie gelte es dabei, Gestaltung ganzheitlich zu denken.
Unter dem Motto "Neues Europäisches Bauhaus" hat die EU die Gesellschaft aufgerufen, Ideen für das künftige Zusammenleben der Menschen zu entwickeln. Bürger, Städteplaner, Unternehmer, Wissenschaftler, Architekten und Designer sollen dafür kreative Vorschläge einbringen und sich vernetzen.
Das Bauhaus habe sich entlang gesellschaftlicher Veränderungen immer wieder transformiert und Perspektiven jenseits der jeweiligen politischen, ökonomischen und sozialen Gegebenheiten aufgemacht, sagte Steiner. "Es hat sich eingemischt. Das soll so bleiben", betonte sie. Aus ihrer Sicht ist das Bauhaus somit ein kreativer und zugleich gesellschaftspolitischer Ort. "Ein solcher war es über die Jahrzehnte, über die Zeit des historischen Bauhauses hinaus", sagte die promovierte Kunsthistorikerin.
Das Bauhaus-Museum als Ort für alle
International sei das Bauhaus Dessau, das bis heute als Ikone der Moderne gilt, hoch angesehen, sagte Steiner. Doch vor Ort herrsche nach wie vor das Klischee, das Bauhaus sei "zu abgehoben, zu elitär, zu weit weg vom Leben der Menschen", sagte Steiner. Dies wolle sie ändern, indem etwa das neu gebaute Bauhaus Museum Dessau in der Innenstadt noch mehr zu einem Ort des lebendigen Dialogs werden soll, "ein für alle zugänglicher Raum, an dem man sich wohlfühlt." Steiner tritt im September ihr Amt an.
Sie war nach einer weltweiten Ausschreibung der Stelle vom Stiftungsrat bestimmt worden. Steiner ist seit 2016 Direktorin des Kunsthauses Graz (Österreich). Zuvor war sie zwei Jahre an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig tätig sowie von 2001 bis 2011 Direktorin der Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst (GfZK) in Leipzig.
Aufsehen um "politisches Bauhaus" 2018
Die Dessauer Bauhaus-Stiftung hatte im Oktober 2018 unter der damaligen Leitung der Architektin Claudia Perren für Aufsehen gesorgt, als ein Konzert der Band Feine Sahne Fischfilet in dem historischen Bauhausgebäude abgelehnt wurde. Rechte Gruppierungen hatten zum Protest gegen den Auftritt der Band aufgerufen. Die Stiftung hatte damals erklärt, die Schule als Unesco-Welterbestätte solle nicht zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression werden. Diese Äußerungen sorgten bundesweit für Kritik.
Der Architekt Walter Gropius hatte das Bauhaus 1919 als Schule für Gestaltung in Weimar gegründet. Es zog später nach Dessau um, wo es seine Blütezeit als Architektur-, Kunst- und Designschule mit Werkstätten und Entwürfen erlebte. Nach einem erneuten Umzug aus politischen Gründen von Dessau nach Berlin wurde das Bauhaus von den Nationalsozialisten endgültig geschlossen. Dessau beherbergt mit rund 50.000 katalogisierten Exponaten die weltweit zweitgrößte Sammlung zum Thema Bauhaus nach Berlin.