Zum dritten Mal findet in Hannover "Made in Germany" im Windschatten der Documenta statt. Vor zehn und vor fünf Jahren kam der Titel noch wie eine etwas trotzige Selbstbehauptung des "Kreativstandorts D" daher. Seit damals haben in den drei teilnehmenden Häusern – Kestner Gesellschaft, Kunstverein und Sprengel Museum – die Kuratoren gewechselt. Sie haben den Leistungsschau-Charakter des Großprojekts erfolgreich umgedeutet sowie die Betonung verlagert: von der Exportnation auf das Machen. Unter welchen Bedingungen entsteht Kunst in Deutschland?
Vor allem offenbar ziemlich gut im Team. Peles Empire haben Aufnahmen aus ihrem Studio wie ein Trompe-l'Œil auf dem Boden ausgebreitet, Stelen aus Styropor und Kacheln und frei aus Keramik gefertigte Skulpturen sind die einzigen tatsächlich physisch anwesenden Dinge. Trotzdem wirkt der Raum chaotisch, voll, atmosphärisch.
Die Überlagerung, die Gleichzeitigkeit von verschiedenen stofflichen und bildnerischen Realitäten beschäftigt fast alle der Künstler. Zum Beispiel Oliver Laric, der Nachbildungen klassischer Skulpturen zeigt. Wenn da ein grimmiger Beethoven aus montierten Kunststoffelementen aus dem 3-D-Drucker besteht statt aus Marmor, ist das sehr made in Germany, aber auch ortlos, autorlos.
Die Globalisierung ist längst kein "Thema" mehr, das von der Kunst adressiert wird, sondern das ganz normale Setting. Und trotzdem ist dieses Ringen um den eigenen Standort spürbar, als Künstler und auch als soziales Wesen. In einem wunderschönen Raum in der Kestner Gesellschaft nehmen Olga Balema und Juliette Blightman persönliche Standortbestimmung vor: Zeichnungen von intimen Momenten mit Freunden, überarbeitete Schul-Weltkarten, fragile Wandskulpturen, die entfernt an häusliche Artikel erinnern – alles ist überlagert von einem manchmal fast wütend wirkenden Gestus des Markierens, Umdeutens, Behauptens von Territorien.
Christina Végh und Milan Ther haben in der Kestner Gesellschaft eine Ausstellung kuratiert, die auch ohne das Framework funktionieren würde. Veit Laurent Kurz lässt nachgebaute modernistische Sofas tropisch überwuchern, es plätschert irgendwo ein Gewässer, Dschungel und Konzernfoyer scheinen sich endlich vermählt zu haben. Und Katinka Bock taucht in das Thema Maschsee ein, der in den 30er-Jahren von Arbeitslosen von Hand ausgehoben wurde und der immer noch umstellt ist von Skulpturen aus jener Zeit. Sie hat einen eigenen See im Obergeschoss der Kestner Gesellschaft geschaffen: getöpferte Schalen mit verdampfendem Wasser, um die herum ihre Versionen der Skulpturen wie eine Familienaufstellung stehen. Es geht um das Erinnern und Verschwinden: Bock versenkte vor der Eröffnung der Ausstellung eine kleine Karpfen-Skulptur in der Mitte des Maschsees, in der Überzeugung, dass die immateriellen Dinge von größerer Dauer sein könnten als jedes Monument.
Zupackender schreiben sich die Olafur-Eliasson-Schüler von Das Numen in die Welt ein – im Sprengel Museum sind sie auf zwei Räume verteilt, und es macht großen Spaß, ihren Produktionswegen zu folgen, ob ans Bikini-Atoll, an die Grenzen von Europa oder in Technologien, die Winde aus aller Welt in Echtzeit in Sound verwandeln. Große Fragen verkraften große Gesten, aber sie brauchen auch eine gründliche Umsetzung. Das beherrschen Markus Hoffmann, Andreas Greiner, Julian Charrière, Felix Kiessling solo und als Team.
Von Deutschland aus in aller Welt diesen Fragen nachgehen zu können ist das eigentliche Privileg. Wie bei Kasia Fudakowski, die mit Bekannten und Freunden einen gigantischen Wandteppich aus Peddigrohr flocht. Oldschool-Networking, bei dem aber alle Fäden in Florenz zusammenliefen: in der deutschen Kultureinrichtung Villa Romana, wo die 1985 in London geborene Künstlerin gerade ihren Stipendienaufenthalt hatte.