Protest gegen Ausbau des MACBA

Als würde man Barcelona die Sagrada Família nehmen

Das Museu d‘Art Contemporani (MACBA) in Barcelona wird erweitert. Doch das gefällt nicht allen: Die damit verbundene Umgestaltung von öffentlichem Raum wird seit Jahren von Protesten begleitet

Das Stadtbild Barcelonas wird – mal wieder – von Baustellen dominiert. Teile der berühmten Flaniermeile Las Ramblas befinden sich ebenso in Umgestaltung wie der größte Platz und Verkehrsknotenpunkt Plaça d’Espanya. Und unter der Via Laietana, die die Altstadtviertel Gòtic und El Born trennt, wurden sogar Überreste mittelalterlicher Gebäude ausgegraben. 

Die vielleicht kontroverseste Baustelle befindet sich aber in einem anderen Altstadtviertel: Im Raval wird seit Februar das MACBA (Museu d‘Art Contemporani de Barcelona), ein Museum für zeitgenössische Kunst, erweitert. Die Pläne dafür sind umfangreich. Nicht nur das MACBA selbst, sondern auch der Platz vor dem Bau, der Plaça dels Àngels, wird anders aussehen. Derzeit werden das unterirdische Parkhaus umgebaut und die Eingänge versetzt, zukünftig sollen außerdem ein neues MACBA-Gebäude mit einer Galerie hinzukommen, die sich über die Länge des Platzes erstreckt. Zudem soll die betonierte Plaza zumindest teilbegrünt werden – nicht unwichtig für die Stadt, der es notorisch an bepflanzten Erholungsorten und Parks mangelt

Es ist zudem eine 349 Quadratmeter große Terrasse als Aussichtsplattform geplant, die für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Bei der Planung des neuen Gebäudes, das insgesamt 2110 Quadratmeter umfasst, hat man die Architektur des dahinterliegenden Klosters Convent dels Àngels mitbedacht, in das der Entwurf integriert wird. 16,26 Millionen Euro soll dieses Projekt insgesamt kosten.

Seltene Allianz aus Anwohnern und Skatern

Diese Pläne für die Expansion des MACBA existieren bereits seit Jahren, und fast genauso alt sind die Proteste dagegen. Dafür fanden zwei Gruppen zusammen, die sonst wenige Überschneidungspunkte haben: Bürgerinitiativen, die sich aus Bewohnern jeglicher Couleur, aller Altersgruppen und sozialer Schichten zusammensetzen - und die Skater-Community, die den Platz vor dem Museum rege nutzt. 

Ihre Kritikpunkte sind vielfältig. Da wäre zum einen die alltägliche Wohn- und Lebenssituation. Da der Ausbau des MACBA auch die 1105 Quadratmeter des Plaça dels Àngels betrifft, den größten Platz des Ravals, wird dadurch öffentlicher Raum vereinnahmt und wandert teilweise in die Hand des Museums. 

Damit geht das verloren, was gerade diesem Viertel so schmerzlich fehlt, nämlich mehr Orte für seine Anwohner. Das Raval weist die höchste Bevölkerungsdichte Barcelonas auf. Und das in einer Stadt, die allgemein schon unter ihrer dichten Besiedelung leidet: In Barcelona leben durchschnittlich 17.000 Menschen pro Quadratkilometer, während es im etwa gleich großen München 4900 sind.

Weniger beliebt als andere Museen

Während MACBA-Verantwortliche sagen, dass durch die geplante Terrasse mehr Raum gewonnen würde, sehen das die Nachbarn und Skater anders. Nicht nur, weil der Plaça dels Àngels faktisch Platz verliert, sondern auch, weil das Dach des neuen Gebäudes, obgleich prinzipiell allen zugänglich, an die Öffnungszeiten des Museums gebunden ist. 

Außerdem wird ganz allgemein über den Sinn der Erweiterung diskutiert. Das MACBA hat bereits einen 2000 Quadratmeter großen Saal, der nicht effektiv genutzt wird. Statt für Ausstellungen werde er für private Feiern vermietet, so die Kritiker.

Eine andere Kontroverse gibt es um die Beliebtheit des MACBA. Im Vergleich zu städtischen Museen hat es relativ durchwachsene Besucherzahlen. Aktuell frequentieren rund 200.000 Menschen pro Jahr das Haus (vor der Pandemie waren es rund 350.000), während das bestbesuchte Museum Barcelonas, das Museu Picasso, 2024 mehr als 1,1 Millionen Neugierige anzog. Auch das Historische Museum (MUHBA), das Schloss auf dem Montjuïc und das Kultur- und Erinnerungszentrum im Viertel El Born sind mit 700.000 bis 975.000 Besuchern im vergangenen Jahr weitaus populärer. 

Angst vor noch mehr Touristen

Das implizite Ziel, nämlich den Zuspruch des MACBA zu erhöhen, zieht direkt die nächste Kritik nach sich: die Angst vor noch mehr Touristenströmen und Gentrifizierung im Raval. Was Barcelona dringend braucht, ist mehr bezahlbaren Wohnraum und eine bessere Kontrolle des Massentourismus.

Auch für die Skater ist der Verlust immens. Der Plaça dels Àngels ist dank seiner Konstruktion mit einer schrägen Bordüre auf einem ebenen Platz spanienweit ein Referenzort für Skateboarding. Die Sportler selbst sind vielen in Barcelona aber ein Dorn im Auge. Oft wurde ihnen etwa vorgeworfen, verantwortlich für Saufgelage, Kleinkriminalität und öffentliches Urinieren zu sein. 

Diese wiederum wehren sich gegen diese Anschuldigungen: Keiner von ihnen wolle in Glasscherben oder Urin skaten. Dass ihnen nun dieser Ort, für den es in der Stadt keine adäquate Alternative gibt, verwehrt wird, ist für sie eine Katastrophe. Der Inhaber eines nahegelegenen Skateshops fand vergangenes Jahr in der Tageszeitung "El Periódico" drastische Worte: "Den Skatefans den MACBA-Platz wegzunehmen ist so, als würde man Barcelona das Camp Nou oder die Sagrada Família wegnehmen."

Seltene Einigkeit in der Politik

2022 schlossen sich Gegner des Ausbaus zur Plattform "NO a l'ampliació del MACBA" zusammen und veröffentlichten auf ihrer Website 17 Gründe, warum das Museum nicht ausgebaut werden solle. Dass die Proteste und Demonstrationen, die die Pläne seit Jahren begleiten und die auch vor dem Baubeginn Mitte Februar nicht aufhörten, nichts bewirken würden, ist bereits seit März 2024 klar. In ungewohnter Eintracht stimmten im Rathaus nahezu alle Parteien durch das gesamte ideologische Spektrum für den Ausbau. Lediglich die rechtsextreme Vox enthielt sich. 

Läuft man heute, gut einen Monat nach Baustart, über den Plaça dels Àngels, sieht man immer noch einige Skater, die trotzig auf dem durch Zäune stark verkleinerten Platz weitermachen. Viel Zeit bleibt ihnen allerdings nicht mehr – bereits in zwei Jahren soll alles fertig sein.