"Yuanfen" kann zum einen "glücklicher Zufall" oder "Schicksal" heißen, zum anderen meint das Wort eine besondere Art der Verbundenheit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Er ist mit dem Begriff des Karmas im Buddhismus vergleichbar und wird durch die Lebensweise einer vorangegangenen Inkarnation beeinflusst.
Fotografin Stefanie Schweiger und Autorin Phoebe Hui haben sich auf einer Reise durch China und die Monoglei von "Yuanfen" leiten lassen. In ihrem Buch "The Magic of Yuanfen: Searching for Masters of Healing and Ancient Chinese Wisdom" sind die Fotografin und die Autorin auf der Suche nach der Vereinbarkeit alter Mythen mit dem modernen China von heute.
Der Bildband mit tagebuchartigen Texten verlässt sich ganz auf die persönlichen Erfahrungen der Verfasserinnen. Das Erlebte wird immer aus zwei Perspektiven geschildert. Der von Stefanie Schweiger, in China und Deutschland lebenden Fotografin, die während ihrer Reise immer neue Facetten der chinesischen Kultur kennenlernt, und der Phoebe Huis, einer Chinesin, die den Ursprüngen ihres Landes und bestimmter Denkmuster auf den Grund geht.
Die Mythen in ihrer täglichen Umgebung
Auf ihrer Reise lernen sie unter anderem einen schwarzen Schamanen, einen eremitischen Mönch, einen Doktor der chinesischen Medizin, einen Feng-Shui-Experten, einen Barfuß-Doktor der Yao Medizin und einen taoistischen Meister kennen, die ihr Leben nach traditionellen Bräuchen und Riten ausrichten und oft dennoch in die moderne Gesellschaft integriert sind.
Stefanie Schweiger hält alle Erlebnisse in Farbfotos fest. Sie porträtiert die Protagonisten des Buches in ihrer täglichen Umgebung. Sie interessieren das Leben und der Alltag der Menschen, welcher oft aus zwei Welten besteht. Er spielt sich zum einen in der Natur ab und zum anderen in der Stadt. Das Licht und die kräftigen Farben traditioneller Gewänder werden zu einem stimmungsvollen Panorama verdichtet. Von kargen Bergkämmen bis zu satten Grünflächen zeigt sich die große Vielfalt der Natur in den ländlichen Regionen Chinas und der Mongolei. Der graue Asphalt und die überfüllten Straßen der Großstädte bilden den Kontrast dazu.
Schamane im T-Shirt
Einer der Protagonisten ist der Schamane Elbegbayar. Er wird gezeigt, wie er mit raumgreifenden Bewegungen in der mongolischen Steppe tanzt. Er trägt das traditionelle Gewand seiner Profession, dessen Fransen er mit dynamischen Bewegungen schwingen lässt. Der 33 Jahre alte Schamane lud die beiden Frauen dazu ein, am "Naadam Festival" mongolischer Nomaden teilzuhaben, welches jedes Jahr auf den Kämmen der Aobao Hügel stattfindet. "Aobao" bedeutet Stein oder Hügel, in dem ein Geist wohnt. Diesem Geist widmen Nomaden, Schamanen und tibetanische Buddhisten dieses Fest und bringen ihm Opfer.
Einen Gegensatz zu den rituellen Momenten im ländlichen Umfeld bilden die Aufnahmen des Schamanen im Alltag. Rauchend sitzt er mit T-Shirt und Jeans auf dem Sofa seiner modernen Wohnung in West Ujimqin. Seine Schamanen-Kleidung ist abgelegt und hängt an einem Haken an der Wand. Er berichtet den Besucherinnen aus der Heiler-Szene - und darüber, wie manche Mitglieder ihre Fähigkeiten missbrauchen, um damit möglichst schnell an Geld zu kommen.
Beide Autorinnen sehen sich immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert. Oft werden sie von unerwarteten Gefühlsausbrüchen ihrer Reisepartner überrascht und lernen so die Ängste und Wünsche ihrer Bekanntschaften kennen. Das Buch "The Magic of Yuanfen" nimmt die Leser mit auf eine Reise zu Menschen, die sich für eine spirituelle Ausrichtung ihres Lebens entschieden haben und regt dazu an, eigene Perspektiven zu reflektieren. Es macht Lust darauf, mehr darüber zu erfahren, wie kulturelles Erbe am Leben erhalten wird, wenn sich eine Gesellschaft rasant wandelt.