164 Tage lang war das Atelier von Mario García Torres in Mexiko-Stadt während des ersten Lockdowns geschlossen. An Tag eins hängte der Künstler ein Blatt Papier mit der Aufschrift "Cerrado temporalmente", temporär geschlossen, an die Tür. Am darauffolgenden Tag jagte er den Zettel durch den Kopierer und ersetzte das Original mit der Reproduktion. Diese Prozedur wiederholte er fortan Tag um Tag, auf die Kopie folgte die Kopie von der Kopie, dann die Kopie von der Kopie von der Kopie.
Zunehmend unleserlich, fast wie eine abstrakte Zeichnung erscheint die Aufschrift auf den 164 Papierbögen, die auf diese Art und Weise entstanden. Für seinen Beitrag auf der "Unlimited" hängt García Torres sie allesamt chronologisch sortiert nebeneinander. "It Must Have Been a Tuesday" (2020), so der Titel der 43 Meter langen Arbeit, ist der Versuch, die Ausnahmesituation, die zermürbenden Tage der Zwangspause, in der das Leben zunehmend formlos und abstrakt wurde, in Kunst zu übersetzen.
García Torres’ Beitrag zum Thema Corona-Kunst, eine Kooperation der Galerien Neugerriemschneider und Franco Noero, ist eines von mehr als 60 Projekten, die auf der diesjährigen "Unlimited" zu sehen sind. Allen Unwägbarkeiten zum Trotz. Für Giovanni Carmine, der erst seit 2020 Kurator der Messesektion für Kunst im XXL-Format ist, liegt genau darin der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe: "zu zeigen, dass Kunst wieder möglich ist".
Société tun dies mit einer neuen Videoinstallation der US-Künstlerin Trisha Baga, die in ihren leicht psychedelischen Arbeiten zwischen Politik und Popkultur mäandert. Die Galerien Gaillard und Carlier Gebauer präsentieren gemeinsam ein mehrgliedriges Projekt von Hélène Delprat: Die Französin verwebt literarische, historische sowie filmische Referenzen zu abgründigen, exzessiven Installationen. Lia Rumma erinnern an den italienischen Maler Ettore Spalletti (1940–2019), Templon an den erst im Mai verstorbenen portugiesischen Multimediakünstler Julião Sarmento.
Hohe Wellen schlagen möchte auch Julius von Bismarck bei Sies + Höke und Alexander Levy. Für "Die Mimik der Tethys" (2018/2020) – Besucherinnen und Besucher der Berghain-Ausstellung "Studio Berlin" werden sich an sie erinnern – installiert der Künstler eine massive Boje an Drahtseilen an der Decke. Sie ist durch Funksensoren mit denen einer baugleichen Boje verbunden, die der Künstler in der Nähe von Nantes zu Meer gelassen hat, und ahmt deren Auf-und-ab-Bewegungen im schweren Wellengang nach. "Ich versuche, den Ozean in den Köpfen der Menschen zu erzeugen, indem ich Wellenbewegungen an der Boje exemplarisch darstelle", erklärt von Bismarck. "Das hat eine immersive Komponente. Die Boje ist eine Hypnotisierungsmaschine.