Selten ist ein Architekt so sehr mit einem einzigen Entwurf identifiziert worden wie Axel Schultes mit dem "Band des Bundes". Es war die Einreichung zum städtebaulichen Ideenwettbewerb Spreebogen von 1992, die er gemeinsam mit seiner Partnerin Charlotte Frank erdacht hatte. Unter 835 Vorschlägen wurde er Anfang 1993 ausgewählt, versehen mit dem griffigen Titel "Band des Bundes". Und dieser Entwurf wurde anschließend tatsächlich verwirklicht, wobei Schultes und Frank noch einen zweiten Wettbewerb gewannen, den Architekturwettbewerb für das Kanzleramt von 1994, ja geradezu gewinnen mussten, um am Ende nicht nur die städtebauliche Figur in den Berliner Grundriss eingeprägt zu haben, sondern auch mit einem Bauwerk sichtbar zu sein.
Der Gewinn der Spreebogen-Konkurrenz war Segen und Fluch zugleich. Segen, weil Schultes fortan als der Baumeister der neuen Bundeshauptstadt Berlin galt und enorme, naturgemäß auch internationale Aufmerksamkeit erhielt. Und Fluch, weil dem zweifachen Bundesauftrag keine Reihe kommerzieller Projekte folgte, wie Schultes es erwartet haben mochte; abgesehen von einem der Neubauten am Leipziger Platz, der sich freilich in die für diesen Platz strikt vorgegebene Gestaltung einfügen musste.
Axel Schultes, der am 17. November 80 Jahre alt wird, hat sich mit seinem zweischneidigen Ruhm abfinden müssen. 1943 in Dresden geboren, hat er in den 1960er-Jahren an der Technischen Universität Berlin Architektur studiert und bereits 1972 das Büro Bangert Jansen Scholz und Schultes, mitbegründet. Die Vier kamen zur rechten Zeit, um mehrere Entwürfe im Rahmen der IBA, der Internationalen Bauausstellung Berlin, realisieren zu können. Der ab 1985 geplante Neubau des Kunstmuseums Bonn trägt dann vor allem Schultes' Handschrift, und 1992 löste er sich, wiederum zum rechten Zeitpunkt, gemeinsam mit Charlotte Frank von der Bürogemeinschaft. Der Geniestreich des Spreebogenentwurfs war die erste Arbeit unter nunmehr alleiniger Autorschaft.
Ein Geniestreich
Und ein Geniestreich ist er tatsächlich. Wie selbstverständlich visualisiert der Entwurf das Zusammenwachsen der beiden zuvor getrennten Stadthälften Berlins und damit ganz Deutschlands, durch das zweimalige Überspringen der Spree, die hier die schwer bewachte Grenze zwischen Ost und West gebildet hatte. Das Areal des inneren Spreebogens war Brache und nun idealer, weil frei verfügbarer Grund und Boden für Parlament und Regierung.
Doch während das Kanzleramt und die von Stephan Braunfels entworfenen Bundestagsbauten nach dem städtebaulichen Grundplan ausgeführt wurden, blieb der weite Raum dazwischen leer. Hier hatten Schultes und Frank ein "Bürgerforum" vorgesehen, für das es im politischen System der Bundesrepublik weder Aufgabe noch Träger gab. Je geringer die Realisierungschancen, desto mehr insistierte Schultes auf dem Gebäude als dem konzeptionellen Kern des Entwurfs. Nur Unterstützung fand er damit nirgends, so häufig er sich auch öffentlich zu Wort meldete, eine schlanke, energetische Erscheinung mit hochgeschlagenen Hemdkragen.
Zeitlich parallel entstand das Krematorium Berlin-Baumschulenweg, für das der Wettbewerb bereits 1992 ausgeschrieben worden war, der Bau jedoch erst vier Jahre später begann. Das Ergebnis fand in Fachkreisen hohe Anerkennung. Und schließlich konnten Schultes und Frank noch die U-Bahnstation "Bundestag" direkt unterhalb ihres "Bandes" gestalten.
Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts als späte Genugtuung
Ihr signature piece jedoch bleibt das Kanzleramt, ein singuläres Bauwerk mit seinen enormen Sichtbetonflächen, die immer wieder durch große Glasflächen aufgelöst werden, den Betonpfeilern, aus denen Bäume wachsen, den beiden seitlichen Riegeln für Büros und der riesigen, für Kenner an Louis Kahn erinnernden runden Öffnungen am Zentralgebäude und in der zur Spree vorgezogenen Betonwand. Im Inneren bewahrt ein großzügiges, durch Treppen zu einer Art Bühne geformtes Foyer etwas von dem Bestreben der Architekten, ein offenes Gebäude für ein demokratisches Gemeinwesen zu schaffen.
Als späte Genugtuung wird Axel Schultes es verbuchen, derzeit die Erweiterung des Kanzleramtes westlich der Spree bauen zu können – genau auf dem halbkreisförmig geschlossenen Stadtgrundriss, den er und Charlotte Frank vor 30 Jahren gezeichnet haben.