Antony Gormley wird 70

Ein Mensch auf seinem Weg

Antony Gormley nahm seinen Körper zum Ausgangspunkt, um die menschliche Figur skulptural aufzulösen. Wer will, kann darin eine spirituelle Reise erkennen. Jetzt wurde der britische Künstler 70 Jahre alt

Antony Gormley hat seinem Körper schon viel zugemutet: Anfangs, noch recht harmlos, überzog er ihn mit Längen- und Breitenkreisen, wie zur Kartografierung. Dann hat er ihn durchsiebt, ausgehöhlt und nur diese Vermessungslinien als Gitter übrig gelassen. Auch kann man Gormleys Gestalt kopfüber von der Decke hängen sehen und verpixelt, in Riesenmoleküle zerlegt.

Seit über vier Jahrzehnten lässt der 1950 in London geborene Bildhauer Gipsabgüsse seines Leibes nehmen und macht daraus Skulpturen. Je länger sich der Turner-Preisträger mit der Figur beschäftigt, desto durchlässiger wird sie: Der umgebende Raum dringt ein in Blei, Stahl und Chrom, durchfurcht das Material, bildet Hohlräume und lässt die Körper immer vergeistigter aussehen. Wie der von Außerirdischen oder Erleuchteten.

Die Entwicklung in Arbeiten – von massiv scheinenden Liegefiguren, die offenbar unbeholfen versucht aufzustehen bis zu den in dominosteingroße Stahlblöcke zerbröckelten Männern – kann man tatsächlich religiös deuten: Der als jüngstes von sieben Kindern eines irischen Katholiken und einer deutschen zum Katholizismus konvertierten Physiotherapeutin geborene Künstler spricht immer wieder von Gefühlen des Gefangenseins im eigenen Körper, die ihn als junger Mensch überkam und die er zu überwinden lernte. 

Auch sein "Engel des Nordens" (1998) im nordenglischen Gateshead spielt mit christlicher Ikonografie, wirkt aber in seine monströsen Fremdheit – die Skulptur ist 20 Meter hoch – dann doch eher wie ein Relikt eher feindlich gesinnter Aliens. Gormley wolle mit seinen Arbeiten die Fragen von Ursprung, Wachstum und Vergänglichkeit  über die Beziehung des Körpers zu Raum und Natur erforschen, sagt Martin Caiger-Smith, Chefkurator der Royal Academy in London, die dem Künstler im vergangenen Jahr eine große Ausstellung widmete. "Gormley glaubt, dass Künstler eine Pflicht haben, das Menschsein verständlich zu machen."

In seinen jüngeren Arbeiten ist der menschliche Körper vollends aufgelöst in Schwingungen: Mit "New York Clearing" im Brooklyn Bridge Park in New York präsentierte der Brite vor einigen Monaten eine raumgreifende verschlungene Spirale aus insgesamt 18 Kilometern Aluminiumrohr, eine "Zeichnung im Raum", wie er selbst sagt. Die energetischen Schleifen und Schlingen tragen sich ohne Gerüst selbst - eine statische Herausforderung. Reine Geste, Körper und Raum sind eins.

Am Sonntag wurde Antony Gormley 70 Jahre alt. Liest man seine Arbeiten als Zeichen für eine spirituelle Entwicklung, ist dieser Mensch auf einem guten Weg.