Beim Namen Josef Albers glauben viele, schon alles zu wissen: Bottrop, Bauhaus, Black Mountain College. Lehrer von Eva Hesse und Robert Rauschenberg, später auch Dozent an der legendären HfG Ulm. Ach ja, richtig, da gab es noch Anni, seine Frau, die Textildesignerin. Ihr Werk steht bis heute im Schatten der Arbeiten ihres Mannes, weil es kleinteiliger und weniger plakativ erscheint. Wandbehänge und Überdecken werden weniger als Kunst und eher als dekorative Objekte wahrgenommen. 2018 zeichneten zwei parallel stattfindende Ausstellungen – zu Josef Albers in der Villa Hügel in Essen und zu Anni Albers im K20 in Düsseldorf – ein differenzierteres Bild.
Welche Rolle spielt es heute eigentlich noch, ob ein Bild gemalt oder gewebt ist? Ein über 500 Seiten starker englischsprachiger Band widmet sich nun beiden Persönlichkeiten, denkt sie als Paar, als Einheit, die sie waren. "Equal and Unequal“, so der Untertitel, sieht Unterschiede genauso wie Bezüge und gegenseitige Einflüsse. Verfasser ist der Direktor der Josef and Anni Albers Foundation, Nicholas Fox Weber, der beide 1970 kennengelernt hat.
1976 starb Josef Albers; Weber wurde im gleichen Jahr Leiter der Stiftung und stand mit Anni Albers bis zu ihrem Tod 1994 in engem Austausch. Weber legt nun sein Opus magnum vor, das rund 750 Abbildungen präsentiert, darunter viele bisher unbekannte Skizzen, Textilstudien und Archivfotos. Im Vorwort berichtet er, wie es zu seiner engen Beziehung zu den Albers kam: "Ich war glücklich, alles zu tun, um die Leben dieser beiden brillanten, bescheidenen Künstler zu erleichtern, und wurde für Josef in seinen letzten Jahren zu einer Art Assistent.“ Fragwürdig ist nur, warum er die offensichtlich rein privaten Schnappschüsse der nackten Anni in der Publikation für unverzichtbar hält.
An viele persönlich gefärbte Informationen kommt er aus erster Hand. Etwa wie begeistert die junge Anni vom Hintergrund der Cranach-Venus aus dem Städel war und später versuchte, in ihren eigenen Arbeiten genau jenes Schwarz zu treffen. Über die Persönlichkeiten vertieft sich auch das Verständnis ihres Werks. In seinen Essays und Bildlegenden zeigt Weber keine Angst vor Anekdoten, was die Texte lebendig macht. Gestrenge Kunsthistoriker mögen an manchen Stellen die Nase rümpfen – aber dies ist eben auch die Geschichte einer großen Liebe, jenseits von Abstraktion und Distanz.