Andres Serrano kennt sich aus mit Provokation. Mit seiner Fotografie "Piss Christ" – einem in Urin eingelegten Kruzifix – fand sich der Künstler Ende der 80er-Jahre im Zentrum der amerikanischen "Culture Wars" wieder. Mit seinem neuesten Projekt dürfte er jedoch eher die nach links geneigte Kunstszene als eine konservative Elite provozieren. Für seine Ausstellung "The Game. All Things Trump" im Meatpacking-District in New York zeigt Serrano ausschließlich Memorabilia von Donald Trump, die er auf Ebay ersteigert hat. Darunter sind Krawatten, das Unternehmer-Parfum "Success" und ein Hochzeitstörtchen von 2005. Was das soll? Wir haben Andres Serrano gefragt
Andres Serrano, ich habe gelesen, dass Sie um die 200.000 Dollar für Trump-Souvenirs ausgegeben haben. Wie kamen Sie auf die Idee?
Der Betrag kann ungefähr stimmen. Ich weiß den genauen Auslöser nicht mehr, aber ich weiß, dass ich am 7. April 2018 mein Ebay Konto eröffnet habe. Ich bin ein Künstler, der sich immer schon für Porträts interessiert hat. Ich habe eigentlich immer Porträts gemacht, egal ob ich im Leichenschauhaus oder Mitglieder des Ku-Klux-Klans fotografiert habe. Meine Idee war also, mit all diesen Dingen ein großes Porträt von Donald Trump zu schaffen.
Haben Sie ein Lieblingsobjekt?
Ich finde das "Ego"-Schild aus Trumps Casino "Taj Mahal" in Atlantic City besonders beeindruckend. Es kommt aus der dortigen "Ego Lounge". Das Schöne an der Ausstellung ist, dass alles echt ist. Man kann eine Pro- oder eine Anti-Trump-Ausstellung machen, aber es wird immer etwas Ausgedachtes sein. Ich habe viel schlechte Kunst über Donald Trump gesehen. In meinem Fall musste ich mir gar nichts ausdenken. Es war alles schon da.
Es gibt auch ein Törtchen von 2005, das die Gäste auf der Hochzeit von Donald und Melania Trump als Geschenk bekommen haben. Wissen Sie, wie Trump-Kuchen schmeckt?
Das Törtchen kam mit einer ziemlich genauen Beschreibung: "Schokoladen-Trüffel-Kuchen mit Zuckerwatte-Buttercreme-Rose und Goldflocken". Ich mag, dass es in einem Glaskasten verkauft wurde. Es sieht aus wie ein Kunstwerk in einer Vitrine. Ich habe alle diese Gegenstände wie Kunstwerke behandelt.
Sie haben die Ausstellung "The Game. All Things Trump" vor einer Woche eröffnet. Welche Reaktionen haben Sie bekommen?
Bis jetzt waren sie sehr positiv, ich bin fast überrascht. Bei meinen Ausstellungen weiß man nie, was man erwarten kann, und besonders bei Donald Trump kann alles passieren. Meine Frau Irina hat ein Gästebuch ausgelegt. Es gibt Kommentare von Leuten, die offensichtlich Trump-Unterstützer sind und denen die Ausstellung gefallen hat. Und es gibt genauso Leute, die ihn nicht unterstützen und die Ausstellung trotzdem mochten.
Ist es eine Pro- oder Anti-Trump-Ausstellung?
Ich sage, dass es eine Kunstausstellung ist und Kunst schlägt sich auf keine Seite. Kunst liegt immer im Auge des Betrachters, besonders meine Arbeit, und sie ist immer offen für Interpretationen. Ich habe versucht, durch die Objekte ein "ehrliches" Porträt von Donald Trump zu schaffen.
In der Ausstellung sind auch Magazine zu sehen, die Trump-kritische Titel haben. Trotzdem hat er einfach mit seiner riesigen Unterschrift über die Schlagzeilen hinwegsigniert. Ist es das, was Kritik an ihm so schwierig macht? Dass er einfach alles übertönt?
Er sagt damit: Ich kümmere mich nicht darum, was ihr denkt, ich bin größer als all das. Das einzige, was mich kümmert ist, dass ihr über mich sprecht – egal, ob ihr provoziert oder inspiriert seid. Das einzige was er nicht will, ist, dass man gleichgültig ist.
Mit der Ausstellung geben Sie ihm ja genau diese Plattform. Stört es Sie, wenn Trump-Anhänger die Ausstellung als Hommage lesen?
Überhaupt nicht. Viele von den Leuten, von denen ich die Objekte auf Ebay gekauft habe, sind Trump-Unterstützer. Ich bin ihnen dankbar, dass ich durch sie an meine Sammlung gekommen bin. Ich verurteile Leute nicht, ich akzeptiere sie für das, was sie sind und an was sie glauben.
Haben Sie Trump jemals getroffen?
Ich habe ihn 2004 für meine Serie "America" fotografiert. Das Porträt ist die einzige Arbeit in der Ausstellung, die ich selbst gemacht habe. Es sagt alles: ich als Künstler habe Donald Trump schon damals ernst genug genommen, um ihn zu fotografieren. Ich habe das gemacht, weil ich glaubte, dass er den American Dream repräsentiert. Und offenbar tut er das für viele immer noch. Ich bin froh und stolz darauf, dass ich das Schlaglicht schon damals auf ihn geworfen habe. Er war Teil von meiner Sicht auf Amerika.
Warum findet die Ausstellung in einem ehemaligen Nachtclub statt und nicht in einem Museum oder Kunstraum?
Ich habe die Ausstellung mehreren Museen vorgeschlagen, aber keiner wollte sie. Alle haben so getan, als hätten sie die E-Mail nicht bekommen, obwohl ich sie schon lange kenne. Aber letztlich bin ich der Organisation "a/political“ aus London sehr dankbar, die sozial engagierte Kunst fördert und mich unterstützt hat. Das Haus, in dem die Ausstellung stattfindet, war früher ein Members Club. Das passt zu Donald Trump und dem, was ihn ausmacht.
Will sich die Kunstwelt dem Thema Trump nicht stellen?
Die Kunstwelt ist vielem gegenüber offen. Aber nicht gegenüber Trump. Wenn sie ihn zensieren können, tun sie das. Die Institutionen verbieten nichts, aber sie laden dich nicht ein, wenn du etwas zu Trump machst. Ich finde die Ausstellung hätte gut zur Biennale in Venedig gepasst, aber Ralph Rugoff hat sie abgelehnt. Wenn das Motto "May you live in interesting times" heißt – was passt dazu, wenn nicht eine Trump-Ausstellung? Ganz offensichtlich hat die Kunstwelt große Angst vor Donald Trump. Sie hasst ihn nicht nur, sie fürchtet ihn und alles, was mit ihm zu tun hat. Ich gehöre zu der Generation von Künstlern, die das ernst nimmt, was Marcel Duchamp uns gelehrt hat: Alles kann zu einem Kunstwerk werden.
Hat sich die Kunstwelt in den USA verändert, seit Trump an der Macht ist?
Sicher, die ganze Welt hat sich seitdem verändert. Die staatliche Kunstförderung hat gelitten, wie vieles andere auch. Ich glaube, dass viele in Trump den Gegenpol zu Barack Obama sehen. Viele Amerikaner mochten es nicht, einen schwarzen Präsidenten zu haben. Also mussten sie das mit einem weißen Mann – nicht mit einer weißen Frau – kompensieren. Trump ist die Antithese zu Obama – die Great White Hope, nach der sie gesucht haben. Ich glaube, dass Menschen nun Dinge fühlen und äußern, die sie sich vorher nicht getraut haben. Das ist die große Veränderung durch Trumps Politik. Amerika ist eine geteilte Nation, wir haben nicht realisiert, wie zerrissen wir sind, aber jetzt sehen wir es.
Haben Sie Donald Trump eigentlich zu Ihrer Ausstellung eingeladen?
Ja, wir haben ihn und alle möglichen Familienmitglieder eingeladen. Ich hoffe wirklich, dass er noch kommt. Es ist eine Ausstellung, die Donald Trump verstehen würde.
Wenn er kommt, welches von seinen Dingen möchten Sie noch haben?
Ich möchte, dass er meine Bibel signiert. Ich gebe noch nicht auf. Eines Tages wird Trump meine wunderschöne große schwarze Bibel signieren.