Klassische Kunstmuseen müssen sich stärker um ein junges Publikum bemühen - das sagt die Vorsitzende des 200 Jahre alten Kunstvereins Bremen, Nicole Lamotte. "Wo soll man sonst die Begegnung mit der Kunst und mit den Originalen haben?", sagte Lamotte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb komme es darauf an, wie ein Museum sich präsentiere und öffne. Wichtig sei ein Zugang über die digitale Welt, "die einen aber doch ins Museum locken soll". Es komme darauf an, "dass einem jemand hilft zu schauen, ohne dabei die Fantasie zu unterdrücken".
Der Kunstverein mit 10 000 Mitgliedern ist Träger der Kunsthalle Bremen, eines der größten deutschen Kunstmuseen. Die gebürtige Hamburgerin Lamotte ist in 200 Jahren seit der Gründung 1823 die erste "Vorsitzerin" des Vereins - wie es laut Satzung heißt.
Als Schülerin habe sie Museumsbesuche auch eher langweilig gefunden, gibt die 66 Jahre alte Geschäftsführerin in einem Bremer Familienunternehmen zu. "Da war ich gar nicht motiviert und wurde auch durch den Kunstunterricht nicht motiviert, zumal ich nicht malen konnte." In Museen sei sie halt mit den Eltern mitgegangen. "Das Interesse kam dann durch einen London-Besuch", später durch große Romantiker-Ausstellungen und die Begegnung mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern in deren Ateliers.
Zwei neue Apps
Den Brückenschlag zum jungen Publikum versucht die Kunsthalle im Jubiläumsjahr unter anderem mit der Sonderschau "Generation*. Jugend trotz(t) Krise" (13.05. - 10.09.). Sie wird von Jugendlichen kuratiert. "Sie haben die Werke selbst ausgewählt, die Themen ausgewählt, den Namen ausgewählt und haben auch eingefordert, einen eigenen Ort zu bekommen, an dem sie sich treffen", sagte Lamotte.
Ebenfalls auf junge Besucher zielen neue Web-Apps der Kunsthalle. "It's an Art Match" funktioniert wie beim Dating: Wer sein Profil eingibt, bekommt Vorschläge, welche Werke ihm gefallen könnten. Mit der App "Mein Pinnwand-Museum" lassen sich inspiriert von Bremer Kunstwerken eigene Online-Ausstellungen erstellen.
Das Wichtigste an dem Jubiläum von Verein und Kunsthalle sei, "dass es wirklich 200 Jahre dieses durchgehende bürgerschaftliche Engagement gegeben hat", sagt Lamotte. Gegründet von 34 Honoratioren, zähle der Verein heute 10 000 Mitglieder. «Damit sind wir hier der zweitgrößte Verein nach Werder Bremen." Zwar erhalte die Kunsthalle Zuschüsse der Stadt, doch die private Trägerschaft sichere die Unabhängigkeit. "Das wirtschaftliche Risiko, wenn also die Besucher einmal nicht so kommen wie erwartet, wird vom Verein getragen."
Lokale Wirtschaft profitiert
Weil die Kunsthalle aus Kaufmannschaft und Bürgertum gegründet worden sei, stellten sich viele Bremer Unternehmer bis heute in diese Tradition, sagt Lamotte. Sie seien an einer attraktiven Stadt interessiert, um gute Mitarbeiter zu gewinnen. Die lokale Wirtschaft profitiere davon, dass die Kunsthalle auswärtige Gäste anziehe.
An die Anfänge der Kunsthalle erinnert die Ausstellung "Kunst Vereint! Die frühen Jahre der Sammlung" (22.04. - 20.08.). Anfang des 20. Jahrhunderts kaufte die Kunsthalle als eins der ersten Museen in Deutschland Meisterwerke der französischen Avantgarde. Diese werden in der Sonderschau "Geburtstagsgäste. Von Monet bis Van Gogh" gezeigt (07.10.2023 – 18.02.2024).