Künstler Allistair Walter

Das Persönliche kann jedem etwas bedeuten

Gemeinschaft, Ekstase, Freundschaft: Die Bildwelten von Allistair Walter sind zart wie die Jugend – und knallen manchmal wie ein guter Beat. Damit steht der Berliner Künstler auf der Shortlist des Young Generation Art Award


Egal wie begabt man ist, der Einstieg in die Künstlerkarriere ist kein Selbstläufer. Mit dem New Generation Art Award wollen wir jetzt Nachwuchskünstlerinnen und -künstler ins Scheinwerferlicht stellen. Der Preis, den das Unternehmen Degussa Goldhandel in Kooperation mit dem Monopol-Magazin auslobt, startete zur Berlin Art Week mit der Verkündung der ersten Shortlist. Mit HanGyol Kim, Lara Koch, Thuy Tien Nguyen, Boris Saccone und Allistair Walter wurden fünf Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, die kürzlich ihren Abschluss an einer Kunsthochschule in Deutschland gemacht haben oder das in Kürze vorhaben und jetzt ihren Weg in die Kunstwelt finden müssen. Hier stellen wir nacheinander ihre Arbeit vor. Die Preisverleihung findet am 25. Februar 2025 statt. 
 

Das Gemälde auf der Staffelei, an dem er gerade arbeitet, zeigt, wie perfekt Allistair Walter das figurative Malen beherrscht. Ein Mädchen blickt zwischen zwei barocken Türen hindurch, die prachtvollen goldenen Ornamente kommen geradezu plastisch aus der Leinwand hervor.

Doch viele andere Werke in dem Altbauzimmer tief im Berliner Westen, in dem Walter gerade sein neues Atelier eingerichtet hat, sprechen eine ästhetisch ganz andere Sprache. Da ist ein großformatiges, fast abstraktes Bild voller wilder Farbstrudel, das mit glänzendem Kunstharz überzogen ist – Ergebnis von Walters Experimenten mit manipulierten Polaroids, deren zerfließende Bilder er per Siebdruck auf Leinwand übertragen hat. Oder ein verwischtes Porträt einer jungen Frau, das ebenfalls unter dem glänzenden, dreidimensionalen Überzug schillert – es sei seine Partnerin, erzählt er, an ihrem Geburtstag. 

Ein Stück des Geburtstagskuchens hat er auch noch da, ebenfalls in transparentes Kunstharz gegossen, als Skulptur. "Ich versuche, Eindrücke und Momente meines eigenen Lebens festzuhalten. Diese Erinnerungen sind so dünn und fragil wie die lichtempfindliche Emulsion auf einem Polaroid, sie sind flüchtig und verändern sich. Meine Bildwelten sind zwar sehr persönlich und intim, aber ich bearbeite und abstrahiere sie so, dass sie jedem etwas bedeuten können", erklärt Walter.

Das Berghain als zentrale Nachterfahrung

So wie sein Werk mit vielen Techniken experimentiert, so haben viele Einflüsse Walters künstlerischen Werdegang beeinflusst. 1994 in Berlin geboren, ist er ein echtes Berliner Nachwendekind und hat schon in vielen Wohnungen und WGs in Ost und West gewohnt. Sein Elternhaus sei eher alternativ gewesen, der Vater Tätowierer, zu Hause alles voller Bilder und interessanter künstlerischer Objekte. Er selbst war als Teenager in der Graffitiszene unterwegs und gründete schon vor dem Schulabschluss ein Künstlerkollektiv mit Freunden – "als Ateliers noch günstig zu kriegen waren", sagt er. 

Studiert hat Walter dann erst in Leipzig – hier konnte er seine malerischen Fähigkeiten, die er schon als Kind trainiert hat, perfektionieren. An der Weißensee Kunsthochschule Berlin, wo er jetzt in der Meisterklasse eingeschrieben ist, kam das Experimentelle dazu: Fotografie, Druck, die Arbeit mit dem Kunstharz, die seine Arbeit so vielschichtig macht – auch buchstäblich, denn seine Kunstharz-Bilder entstehen in vielen Übermalungen, Harz und Farbe wechseln sich ab, bis faszinierende Effekte entstehen.

Musik, Subkultur, Clubs seien ein wichtiger Teil seines Lebens, auch wenn seine ganz große Nachtlebenzeit gerade erst einmal abgeschlossen scheine, so Allistair Walter. Auch für seine Generation war es das Berghain, das zu den zentralen Nachterfahrungen zählte. Und auch wenn seine Kunst keine direkten Clubszenen zeigt, so spürt man doch das Lebensgefühl hindurch: After Hour, bewusstseinsverändernde Substanzen, Gemeinschaft, Ekstase, dann wieder ganz private Intimität, Freundschaft. Die Verletzlichkeit der Jugend zieht sich durch das Werk, ein nostalgischer Grundton, und gleichzeitig eine große Kraft – in den starken, angstfrei eingesezten Farben, in den Motiven, die nicht immer zart und flüchtig sind, sondern auch manchmal knallen wie ein guter Beat.

Gruppenausstellung in der Berliner Degussa-Filiale, 15. November bis 14. Februar 2025