Eine Frau hält betrunken grinsend eine Zigarre in der Hand, während sie beinahe ihren Martini verschüttet. Ein übermotivierter DJ spielt einen Track, zu dem zwei Menschen etwas zu ausgelassen tanzen. Ein älterer Herr grinst breit und entblößt dabei seinen Bauchnabel unter seinem gespannten Hemd, während er zwei Kolleg*innen, die aussehen als wäre sie lieber woanders, offenbar zu einem Foto zwingt.
Diese unangenehm vertrauten Bilder sind Teil von Alex Pragers Ausstellung "Farewell, Work Holiday Parties" im Los Angeles County Museum of Art (Lacma). Die in L.A. arbeitende Foto- und Videokünstlerin verorte ihre Werke "in the pains and pleasures of the everyday", so das Lacma, und hat sich hier anscheinend für Ersteres entschieden. Die Bilder fangen den Clash zwischen beruflicher Professionalität, Hierarchien und Glühwein ein, der sich auf Weihnachtsfeiern ereignet, und erinnern überspitzt an furchtbare Büroparties, bei denen Menschen sich betrinken, um ihre betrunkenen Kolleg*innen zu ertragen.
Immerhin hat diese Horror-Party nie so stattgefunden, und niemand musste leiden wie der Co-Worker mit der Tannenbaumdeko auf dem Kopf, denn die Figuren sind hyperrealistische Skulpturen, und auch das Büro ist auf dem Vorplatz des Museums nachgebaut. Bis zum 3. Januar 2021 kann die Skulpturenausstellung noch vor Ort oder online besichtigt werden. Am 19. Dezember findet außerdem der "Moth StorySlam" statt, bei dem wahre Geschichten über Weihnachtsfeiern und dem sozialen Raum "Büro" erzählt werden sollen.
Nostalgie als Webestrategie
Ähnlich skurril wie der Tannenbaumhut auf dem Kopf eines Mitarbeiters ist allerdings die Entstehungsgeschichte des Werks. Die Figuren wurden ursprünglich von der Firma Doyle Dane Bernbach als Werbekampagne für deren Bier Miller Lite in Auftrag gegeben, so die "Los Angeles Times". Die Marke setzt in ihrer Ästhetik auf die Nostalgie des letzten Jahrhunderts.
Diese 1960er-Jahre-Sehnsucht hat Alex Prager in ihren hyperrealistischen Skulpturen nach dem Vorbild der Künstlerin Duane Hudson eingefangen, wofür sie Schauspieler in eigens entworfenen Kostümen über Zoom gescannt und mit einem 3D-Drucker ausgedruckt hat. Im Anschluss arbeitete sie die Details heraus. Das Ergebnis wurde dann dann in einen dystopischen Werbespot gebannt. Mit wackeliger Kameraführung werden Skulpturen und Innenausstattung gezeigt. Das Ganze ist mit Weihnachtsmusik unterlegt und wirk mit seinen erstarrten Figuren, als hätte jemand in irgendeinem Büro die Zeit angehalten. Das gute an 2020 sei, so der Film, dass es keine Firmen-Weihnachtsfeiern mehr gäbe. Dafür könne man mit Freunden zuhause trinken.
2020 ist ein seltsames Jahr, in dem es auch nicht mehr überrascht, wenn eine Ausstellung gleichzeitig Bierwerbung sein kann, in der dann wiederum Werbung für die Ausstellung gemacht wird. Der Aufruf, statt im Büro mit Freunden zuhause zu trinken, wirkt allerdings nicht sehr verantwortungsbewusst - vor allem in Kalifornien, wo bereits über 21.000 Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben sind.
Und wäre es nicht doch ein bisschen schön, mit den Kolleg*innen Weihnachten im Büro statt im Lockdown zu feiern, sich im realen Raum statt im Zoom-Call zu sehen? Die von Alex Prager eingefangene Szenerie, so unangenehm sie auch aussehen mag, erinnert an die Zeit vor Corona, in der wir uns darüber aufregen konnten, auf eine wenig verlockende Party zu "müssen" - und gar nicht wussten, wie viel Freiheit das bedeuten kann.