Am heutigen Mittwochmorgen hat der Gerichtsprozess im dänischen Glostrup nahe Kopenhagen begonnen. Der Künstler Ai Weiwei hat den dänischen VW-Partner Skandinavisk Motor wegen Urheberrechtsverletzung verklagt. In einer Werbung des Konzerns von Oktober 2017 ist im Hintergrund die Installation "Soleil Levant" des in Berlin lebenden Künstlers zu sehen. Ai Weiwei hat nach eigenen Angaben von der Nutzung weder gewusst, noch wurde er um Erlaubnis gebeten.
Auf dem Foto der Werbeanzeige fährt ein orangefarbener VW Polo an dem Kunstwerk im Außenraum vorbei. Die Arbeit besteht aus 3.500 Schwimmwesten, die teilweise von Geflüchteten 2017 auf ihrer Seeüberfahrt nach Lesbos in Griechenland getragen worden waren. Ai Weiwei hat das Werk 2017 zum Weltflüchtlingstag angefertigt und im gleichen Jahr an der Fassade der Kunsthal Charlottenborg in Kopenhagen ausgestellt.
Volkswagen ist der siebtgrößte Konzern der Welt. Mit der Klage will Ai Weiwei das Eingeständnis des Unternehmens, einen Fehler gemacht zu haben. Das Gerichtsverfahren sei für den politischen Künstler nicht nur eine Frage von Copyright, sondern beträfe darüber hinaus ein globales Verständnis von Gerechtigkeit und Verantwortung zwischen Individuen und Unternehmen, so der Künstler. "Diese Aktion ist ein klarer Angriff auf mein intellektuelles Eigentum und meine moralischen Rechte. Aber vor allem lässt es Fragen über unternehmerische Macht und Verantwortung in unserer Ära des globalen Kapitalismus aufkommen", heißt in einem Interview mit dem "Guardian".
Die unerlaubte Nutzung seines Kunstwerks werfe ein falsches Bild auf sein Kunstverständnis und Ansehen. Es erwecke den Anschein, er würde Profit aus der Situation von Flüchtlingen schlagen. Die Arbeit basiere auf der Zusammenarbeit mit Migranten, deren Vertrauen durch den Missbrauch geschädigt werden könne, wenn das Leid der Geflüchteten zu Marketingzwecken ausgenutzt hätte.
Im Instagram-Feed mit dem orangefarbenen Werbefoto berichtete der Chinese im März, dass er über ein Jahr lang mit VW in Verhandlungen stand, bevor es zur Klage kam. Das Anzeigenbild soll demnach ohne sein Wissen von über 200.000 Menschen gesehen worden sein.
Ai Weiwei postete auf Instagram Bilder, auf denen vor der Gerichtsverhandlung mit Schwimmweste zu sehen ist. Zudem postet er Zeichnungen von Gianluca Costantini und Tang Rui direkt aus dem Gerichtssaal. Vorab veröffentlichte der aktive Instagramer ein Bild mit dem VW-Logo und seinem Mittelfinger – ein Verweis auf seine lose Werkreihe "Fuck off".
Ein Teil dieser Fotosammlung ist unter anderem in der aktuellen Ausstellung in der Kunstsammlung NRW zu sehen. Es ist die bislang größte Schau zum Werk des politischen Künstlers in Europa. Die Retrospektive in Düsseldorf läuft bis September und wurde am Eröffnungs-Wochenende bereits von über 8.000 Menschen besucht.
Im April diesen Jahres ktitisierte der Chinese den deutschen Automobil-Konzern außerdem in anderem Kontext. Er warf der Audi AG, Tochterfirma von Volkswagen, und der Berlinale die Kollaboration mit China vor. Sein Film "Berlin, I love you" sei abgelehnt worden, was der Künstler als Zensur verstand. Es sei ein Beispiel dafür, wie Europa den Aufbau des autoritären Systems aus Profit-Gründen unterstütze. Sowohl der Ingolstädter Automobilkonzern, der das Filmfestival 2019 zum sechsten Mal als Hauptsponsor unterstützte, als auch die Veranstalter dementierten die Vorwürfe.