Der Berliner Galerist Michael Schultz ist bestürzt über die aus seiner Sicht einseitige und süffisante Berichterstattung um den inhaftierten Kunstberater Helge Achenbach: "Aus der Medienaffäre um Christian Wulff wurden offenbar keine Lehren gezogen", sagt er. Ein Interview
Herr Schultz, Sie haben sich vergangene Woche in Ihrem Newsletter über die Berichterstattung zum Fall Achenbach mokiert. Was stört Sie?
Mich stört, dass es auf einmal alle geahnt haben, was der Achenbach für ein schlimmer Finger ist. Und weil das alleine nicht ausreicht, wird die gesamte Branche in den Dreck gezogen.
Wer als Journalist zum Fall Achenbach recherchiert, stößt auf eine Mauer des Schweigens: Alle ehemalige Geschäftspartner, die meisten Freunde und Museumsmitarbeiter, die mit Achenbach zu tun hatten, wollen sich nicht äußern. Muss man Ihren Vorwurf nicht an die diskreten Akteure des intransparenten Kunstmarkts zurückgeben?
Solange Achenbach nicht rechtskräftig verurteil ist, gilt seine grundgesetzlich verbriefte Unschuld. Aus der Medienaffäre um den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff wurden offenbar keine Lehren gezogen. Eine Mauer des Schweigens ist für mich nicht erkennbar, unter Kollegen wird andauernd, intensiv und verwundernd über das aufgeblähte Interesse an diesem Fall diskutiert. Gut möglich, dass es die suggestiven Fragen sind, die gewünschte Gespräche verhindern.
Sie werfen den Journalisten in Ihrem Newsletter Neid vor. Wie kommen Sie auf dieses Motiv?
Diese Frage müssen Sie Ihren Kollegen stellen. Lesen Sie doch mal nach, wie sich Ihre vermutlich schlechtbezahlten Kollegen über das Thema hergemacht haben. Im Tenor durchweg wurde die gesellschaftliche Stellung Achenbachs süffisant durchleuchtet, und zwar so, als ob es verpönt sei, mit Kunst Geld zu verdienen. Besonders hervorgetan hat sich die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, die die enormen Margen im Kunsthandel pauschal als anrüchig abstempelte.
Sie nehmen Achenbach in Schutz und schreiben, dass die Provision des „Aldi-Knausers“ Berthold Albrecht – also drei bis fünf Prozent – nicht ausreichen. Das kann doch aber keinen Betrug rechtfertigen!
Mit drei Prozent Marge kann niemand kostendeckend arbeiten. Das habe ich geschrieben. Auch habe ich geschrieben, dass es gut möglich ist, dass es zwischen Achenbach und Albrecht eine stillschweigende Vereinbarung darüber gab, dass sich Achenbach über eine zusätzliche Verkäuferprovision seine magere Marge verbessert. Unter dem Gesichtspunkt, dass Albrecht seine Kunst- und Oldtimergeschäfte vor seiner Frau nicht offenlegen wollte, ist das gut möglich.
Achenbach hat laut Ermittler offenbar mit verdeckten Preisaufschlägen auch Pharma-Unternehmer Christian Boehringer betrogen, sich dann aber geeinigt. Darauf sind Sie bislang nicht eingegangen …
Achenbach sitzt wegen einer Anschuldigung von Frau Albrecht in U-Haft. Nachdem Sie die Ankäufe ihres Mannes wegen erbschaftssteuerlichen Erfordernissen schätzen ließ, kamen bei ihr Zweifel auf. Einige Kunstwerke wurden unter dem Einkaufswert taxiert, woraus sie unlauteres Verhalten ableitete. Die Bekanntgabe verdeckter Preisaufschläge bei Boehringer werden nun von der Presse als Beweis von Achenbachs Unredlichkeit im Fall der Albrecht-Witwe verwendet. Zu Boehringer gab es niemals staatsanwaltschaftliche Untersuchungen. Und genau da wird es problematisch.
Kennen Sie Herrn Achenbach persönlich?
Nur flüchtig, eigentlich gar nicht.
Welchen Ruf hat er?
Ihm eilt der Ruf voraus, dass er signifikante Kunstwerke nicht nur aufstöbern, sondern auch die Eigentümer in geduldiger Kleinarbeit zur Veräußerung bewegen kann. Diese Gabe kann gar nicht hoch genug vergütet werden. Wenn die Begehrlichkeiten eines Sammlers mit der Begierde seines Objektes zusammengebracht wird, reichen drei Prozent nicht aus. Bei weitem.
Arbeiten Sie mit Kunstberatern zusammen?
Mitunter.
Sind Kunstberater für Galeristen Segen oder nötiges Übel? Wozu diese Zwischeninstanz zwischen Kunstkäufer und Galerist?
Sie sind Segen und Übel zugleich. Einerseits bedienen sich nicht wenige Sammler der Hilfe von Consultants, andererseits verhindern die „Zwischenhändler“ den seriösen Kontaktaufbau zum Käufer. Die Kunstberater handeln die Rabatte für ihre Kunden aus, regeln die Abwicklung und garantieren einen schnellen Rechnungsausgleich.
Aber für den Kunstkäufer erhöhen sich die Preise, da er Provision an den Kunstberater zahlen muss.
Wie die Vermittler mit ihren Kunden abrechnen, liegt nicht in unserer Hand.
Sehen Sie einen Unterschied zwischen deutschen Kunstberatern à la Achenbach und den in Amerika diskutierten Phänomen der "Art Flippers", Spekulanten, die im Auftrag von Kunden möglichst schnell möglichst hohe Rendite aus Kunst ziehen wollen?
Achenbach ist ein Meister der alten Schule. Seine Geschäfte sind eher langfristig und nachhaltig angelegt. Die „Art Flippers“ haben nur die schnelle Kohle im Auge. Push nach oben, Kasse machen und zum nächsten Künstler. Wenn sich dieses Geschäftsmodell wirklich durchsetzt, bedeutet dies den Tod des Kunstmarktes.
Der Schweigen der Akteure im Fall Achenbach macht erneut die Intransparenz des Marktes deutlich. Haben die im Kunstbetrieb gängigen Männerbünde, Seilschaften und Deals mit Handschlägen nicht erst den Bedarf am Beruf Kunstberater geschaffen: eine Instanz, die da noch durchsteigt?
Wo bitte gibt es im Kunstmarkt Intransparenz? Wie alle anderen Handelsbetriebe bilanzieren wir unsere Tätigkeiten, zahlen unsere Steuern und beteiligen und darüber hinaus am gebührenfreien kulturellen und gesellschaftlichen Diskurs. Noch immer steckt in den Köpfen vieler, leider auch am Markt beteiligter Menschen, dass am Geschäft mit der Kunst ein Geschmäckle dran hängt. Sie wollen „ihre“ Kunst frei von allen merkantilen Zwängen genießen. Mit Kunst Geld zu verdienen ist für sie verpönt. Aus diesem puristischem Kuddelmuddel „ehrbarer“ Kunstfreunde entstand die Sage vom undurchschaubaren Kunstmarkt.
Das ist mehr als eine Sage! Denken Sie an Auktionen, bei denen niemand weiß, ob nicht die Galeristen des Künstlers der Preisbildung wegen selbst mitbieten. Denken Sie an den Secondary Market, bei dem schwer zu durchblicken ist, wer was über welche Kanäle anbietet. Denken Sie an die Auswahlkomitees bei Kunstmessen, bei denen Galeristen über die Teilnahme von Mitbewerbern entscheiden. Selbst im Vergleich zur angeblich so unregulierten Finanzwelt: Jeder kann als Kunstberater arbeiten, aber mit wie vielen Auflagen ist die Arbeit als Vermögensberater heute verbunden …
Ja, Sie haben Recht. Auch daran denke ich. Aber ist dies denn eine Besonderheit, die nur im Kunstmarkt zu finden ist? In allen Gewerken suchen die Marktteilnehmer nach ihren Vorteilen. Verschwiegenheit, die leicht mit Intransparenz verwechselt wird, ist die Grundlage für erfolgreiches Agieren am Kunstmarkt. Wer darin bestehen will, muss charakterstark die Dinge angehen. Die wenigen, die das nicht können, sorgen für den mitunter schlechten Ruf der Branche.
Wie wird sich die Affäre Achenbach Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?
Seine Festsetzung stellt die Staatsanwaltschaft unter großen Druck. Mit aller Macht muss jetzt bewiesen werden, dass der Inhaftierte auch schuldig ist. Den besten Beweis seiner Redlichkeit könnte Achenbach allerdings selber liefern. Doch dafür müsste man ihn freilassen und ihm die Möglichkeit geben, die angeblich überteuert verkauften Kunstwerke dem Markt zurückzuführen. Frau Albrecht hätte am Ergebnis ihre wahre Freude, und der Kunstmarkt bekäme seine Reputation zurück.