Fast hat man sich schon an die Mails mit dem Betreff "Wir schließen" gewöhnt. Diesmal kam sie von der Berliner Galerie Wagner + Partner, die unter verschiedenen Namen seit 20 Jahren existierte. "Digitalisierung, Brand-Building und ein steigender Kostendruck sind die entscheidenden Faktoren einer Feldbereinigung innerhalb des Kunstmarkts und böse Zungen würden behaupten, auch diese Schließung ginge auf Kosten jener Entwicklungen." Stattdessen seien es private Gründe, doch Cay Wagner und Susanne Massmann haben mit ihrer Mitteilung einige der Herausforderungen genannt, unter denen Galerien zur Zeit ächzen.
Der Landesverband Berliner Galerien (lvbg) und der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) haben kürzlich 200 Berliner Galeristen zu deren Situation befragt: 20 Prozent von ihnen schätzt die Geschäftsaussichten als ungünstig ein, 56 Prozent als stagnierend. Mit dem Wissen von heute würden 84 Prozent der Betreiber keine Galerie mehr eröffnen. Acht von zehn Umfrageteilnehmern zählen die erhöhte Mehrwertsteuer zu einem ihrer Hauptprobleme: 2014 waren sie von sieben auf 19 Prozent angehoben worden. Außerdem sorgen die Kosten für Geschäfts- und Ausstellungsflächen und die fehlenden Ankaufetats der Berliner Museen für Druck. Jetzt kommt noch das Scheitern der Kunstmesse Art Berlin dazu.
Das große Geld wird woanders gemacht
Für einen kurzen historischen Moment zum Anbruch des neuen Jahrtausends war Berlin eines der großen Zentren der Kunstwelt geworden: Künstlerinnen und Künstler zogen wegen der geringen Atelier- und Wohnungsmieten in die Stadt und bereicherten die Szene mit neuen Diskursen, neuen Perspektiven und neuer Kunst. Internationale Sammler und Medien schwärmten für die Ruinenromantik, rauschende Partys und die Lücken, die eine leidvolle Geschichte ins Stadtbild gerissen hatte und die jetzt neue Möglichkeiten versprachen. Das Gallery Weekend entstand und bot für andere Städte ein Kunstmarkt-Modell jenseits der Messe: Mit dem Rad von Ausstellung zu Ausstellung zu fahren, ist doch viel schöner, als durch stickige Messehallen zu gehen.
Zum Ende der 10er-Jahre bietet sich jetzt ein anderes Bild: Nicht nur die Galeristinnen und Galeristen klagen oder schließen gar, auch die Künstlerinnen und Künstler finden kaum noch Ateliers innerhalb des S-Bahn-Rings. Der internationale Kunstmarkt bezieht sein Material heute glücklicherweise von internationaleren Produktionsstandorten, was zur Diversität beigeträgt. Das große Geld wird allerdings an wenigen Standorten gemacht - und Berlin gehört nicht dazu.
Das Ende von cool
Wie damit umgehen? Der rot-rot-grüne Senat hat das Atelierproblem erkannt, er unterstützt Off-Räume, aber würdigt bislang wenig die Pionierleistungen der kommerzieller Galerien vor und während des Booms. Während der Berlin Art Week jedenfalls profitieren Galerien bislang kaum von öffentlichen Geldern. Auch auf Bundesebene kann einiges getan werden. Es bleibt vor allem weiter schwer erklärlich, warum auf Verlagserzeugnisse (etwa Bücher) eine ermäßigte Umsatzsteuer erhoben wird, auf Gegenwartskunst aber nicht.
In Berliner Souvenirläden gibt es Shirts mit der Aufschrift: "Ich komme aus Berlin, ich bin automatisch cooler als du." Der Slogan war ohnehin nie wahr, und jetzt noch weniger. Trotzdem handeln manche Berliner Kunstmarkt-Akteure noch immer so, als würden sie das glauben. Warum sind so wenige von den "coolen" Berliner Galeristen im Landes- oder Bundesverband der Galerien? Jetzt ist die Zeit für Lobbyarbeit und Solidarität! Und der Senat kann ab sofort aufhören, mit dem Image der Kreativhauptstadt Werbung zu machen.