Insta-Q&A: Anne Waak

"Nichts ist infantiler als ein gezeichneter Penis"

Es gibt sie hängend oder stehend, schematisch oder detailliert – vor allem aber sind sie viele: Auf die Wände gesprühte Penisse überziehen die Stadt. Die Autorin Anne Waak teilt Fotos davon auf Instagram. Hier erklärt sie, was das soll

Anne Waak, Sie teilen seit Jahren Fotos von an die Wand gesprühten Penis-Darstellungen bei Instagram? Warum nur?

Ich bin relativ spät zu Instagram gekommen und wollte weder Urlaubsbilder noch Food-Content posten – eigentlich gar nichts, das mehr als nötig mit meiner Person zu tun hat –, sondern irgendetwas, das das Medium ein bisschen gegen den Strich bürstet. Als ich eine kleine Sammlung gesprühter Penisse zusammen hatte, war mein Konzept gefunden.


Fotografieren Sie diese Graffiti alle selbst? 

So war es am Anfang gedacht, aber dann fingen Leute an, mir ihre Fundstücke zu schicken. Ich bekomme praktisch jeden Tag Einsendungen und finde auch regelmäßig selbst neue Bilder, der Nachschub geht mir also erst mal nicht aus.

Wen vermuten Sie hinter diesen Wandbildern? Teenager?

In den meisten Fall, ja. Wer sonst würde sich im Schutz der Nacht an Hauswände heranschleichen und Penisse malen? 

Welche Botschaft haben diese Schwanzbilder? Geht es um Trotz, Hilflosigkeit, Witz?

Wahrscheinlich um alles ein wenig. Sie können Verlegenheitsgeste sein, dienen dazu, ein Revier zu markieren und haben damit ohne Frage auch ein aggressives Moment.

Warum interessieren Sie sich vor allem um Penisbilder im öffentlichen Raum? Weil die eigentlich tabu sind?

Ich finde es interessant, dass sie gleichzeitig aggressiv, im Vergleich zu anderen gängigen Verhaltensformen wie dem Beleidigen in Internetforen aber eigentlich auch wahnsinng harmlos sind – nichts ist infantiler als ein gezeichneter Penis. Für mich ist das Posten dieser dick pics aber vor allem ein Kommentar auf die Welt, in der wir leben: regiert von fragiler Männlichkeit, die sich ständig und überall ihrer selbst versichern muss. In Berlin gibt es eine Sprayerin mit dem Tag PMS – also, ich nehme an, es handelt sich um eine Frau – die "Männer, LOL" sprüht, manchnmal auch "cis Männer, LOL". Das ist in seiner Absolutheit natürlich ungerecht, fasst es aber sehr schön zusammen.


Penis-Darstellungen gibt es seit Urzeiten. Warum stirbt der Hang, irgendwo einen Penis hinzukritzeln oder zu hinzusprühen nicht aus?

Weil diese Art von fehlgeleiteter Maskulinität nicht ausstirbt – vorerst jedenfalls nicht, fürchte ich.

Sehen Sie in den meist extra nachlässig hingesprühten Penis-Darstellungen auch Schönheit?

Durchaus. Mein liebstes Exemplar zeigt einen gigantischen Penis, den jemand weiß übermalt und durch eine weibliche Brust ersetzt hat. Ein anderer ist so reduziert, dass er fast einem minimalistischen Kunstwerk gleicht. Das macht mir gute Laune.

Ihre Dick-pic-Sammlung umfasst Wandbilder aus aller Welt. Sehen Sie länderspezifische  Unterschiede? Zwischen Stadt und Land?

Nein, nur auf auf der Textebene, also wenn die Penisse statt als Bilder als Worte wie "Cock", "Dick"oder "Bite" auftauchen. Bei den Zeichnungen wiederum gibt es ein recht begrenztes und auch grenzüberschreitendes Formenrepertoire: den One-Liner, der aus einer einzigen durchgezogenen Linie besteht, den "Räderpenis", der auf zwei runden Hoden sitzt, beides kann in den Varianten "hängend" oder "stehend" auftreten und mit anatomischen Details ausgestattet sein. Dann gibt es noch den Profil-Penis, der in hiesigen Breiten fast immer nach rechts zeigt, und das war es auch schon.

Manchmal teilen Sie auch Vagina-Wandbilder. Worin besteht der Unterscheid zwischen der Darstellung zwischen männlichen und weiblichen Geschechtsorganen?

In der Häufigkeit, mit der sie auftreten. Das Verhältnis liegt bei schätzungsweise 100:1. Vagina- oder Vulva-Wandbilder sind ein recht neues Genre, aber sie sind auf dem Vormarsch. Man könnte sagen: Pussy fights back.

Wie geht es weiter mit Ihrem Account?

Ich mache das noch so lange, bis mich die Lust verlässt. Irgendwann ist das Ganze ja auch auserzählt. Dann suche ich mir ein neues Thema.