Die geometrischen Körper, mit denen Avery Singer ihre großen Formate bevölkert, sehen aus, als seien sie aus Karton gebaut. Mit ihrer hochgradig wiedererkennbaren Bildsprache ist die 1987 in New York geborene Künstlerin schnell bekannt geworden.
Ist es noch Malerei, wenn jemand die Bildfläche mit dem 3-D-Modellierungsprogramm SketchUp durchkonstruiert und die Elemente mit Airbrush auf Leinwand oder Holz überträgt? Singer geht an die Grenze des Genres, ihr Sujet aber ist die Kunst: Ihre Figuren sitzen im Atelier, führen Performances auf oder feiern im Club ("Städel Students Go to Berghain").
Angesichts ihres persiflierenden Blicks auf die Kunstwelt hätte man Singer zugetraut, auch die Künstlerpublikation neu zu erfinden. Doch die Monografie, die anlässlich ihrer Ausstellungen in der Kunsthalle Zürich und der Fondazione Sandretto Re Rebaudengo erschienen ist, zeigt sich als klassischer erster Katalog. Nach dem Abbildungsteil wird der Kosmos der Künstlerin mit einer treffsicheren Auswahl absurder Fotos und mit vier Essays aufgeblättert. So beschreibt der Kurator Aram Moshayedi Peinlichkeiten des Kunstjargons, während die Künstlerin Carmen Winant Anekdoten aus Singers Leben erzählt.
Das macht Spaß zu lesen, wie auch der Beitrag des Malers Matthew Brannon, der sich in den Alltag an der Kunsthochschule hineinfiebert – bis zum Mord an den Dozenten. Der Punk, den man in Singers Kunst und nach der Lektüre der Texte vermutet, steckt in klug als Prolog und Epilog integrierten schwarz-weißen Hardcore-Zeichnungen von Ebecho Muslimova, auf denen sich eine Sexpuppe mit Insignien von Kunst vergnügt. Ein kleiner, passender Sidekick.