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11 Kunst-Filme, die sich im September lohnen

Gegenwartskunst erobert den Louvre, Aktionskünstler erobern Berlin, und ein Kindermädchen wird zum Fotografie-Star: Das sind unsere Filme des Monats
 

Die radikalsten Brüder der Straßenkunst

"Ich kann euch nicht das romantische Klischee liefern, auf das ihr vielleicht hofft. Ich bin nicht der Junge mit der schwierigen Jugend, der ohne Eltern in irgendeinem Plattenbau groß geworden ist." So heißt es im biografischen Theaterstück von Rocco und seine Brüder – einem der spannendsten Berliner Künstlerkollektive, das seit Jahren seine Spuren in der Stadt hinterlässt. In der Welt der Graffiti und der illegalen Kunst sind sie längst eine etablierte Größe. Typisch für sie, dass ihre Aufführung natürlich nicht in einem offiziellen Theater spielte, sondern geheim in einem unterirdischen U-Bahn-Schacht.

Die 40-Minütige Dokumentarfilm "Rocco und seine Brüder – Radikale Aktionskunst aus Berlin" von Lukas Ratius und Philipp Majer zeigt nun auch einem breiten Publikum das facettenreiche Werk der Gruppe. Dafür findet die erste Interviewszene auf einem Minigolfplatz statt. Der vermummte Mann stellt sich vor, er sei Rocco, seine Brüder schlagen gerade ein paar Bälle.

Von der Springer-Presse seien sie bereits als Schock-Aktivisten bezeichnet worden, erzählt er. Der Minigolfkurs als Kulisse repräsentiert mit einem Augenzwingern ihren Abenteuerspielplatz Berlin. Dort toben sie sich aus und riskieren viel. Sie laufen durch U-Bahntunnel, besprühen Züge und schenken der Hauptstadt viele künstlerische Interventionen, welche sie selbst nie genehmigt hat.

Eines ihrer gelungensten Werke: Das Zimmer im U-Bahn-Schacht. Mit Sessel, Bett, Fernseher und Tapete richteten sie einen scheinbar gemütlichen Wohnort ein. Das Tapezieren und Möbelschleppen geschah unbemerkt, die Meister der heimlichen Arbeit finden immer Wege, an den Sicherheitsvorkehrungen vorbeizukommen. Die Installation ist ein politisches Werk, verweist es doch auf die steigenden Mietpreise, die Gentrifizierung, Obdachlosigkeit und den Wandel der Städte.

Trotz ihrer ernsten Themen geht das Kollektiv mit Humor vor. Um ungesehen in den Untergrund zu gelangen, stellen sie beispielsweise ein präpariertes Dixi-Klo über einen vorher aufgebrochenen Schacht. Das Häuschen stammt natürlich aus ihrem Handwerksbetrieb: In der Toilette ist ein Loch, das direkt in den Bauch der Stadt führt. Als Straßenarbeiter verkleidet und mit Klopapier unter dem Arm verschwinden nacheinander Rocco und seine Brüder in diesem stillen Örtchen. Keiner bemerkt es, auch nicht das Ordnungsamt gegenüber. Nun, unterirdisch, bereiten sie ihr Graffitibild vor. "Dixikings" wird einige Zeit später groß auf einem Zug stehen. Dass es hier nicht nur um das fertige Bild geht, sondern um eine besondere Form der Performancekunst, zeigt der Auftakt durch das Klohäuschen.

"Der öffentliche Raum ist eigentlich der nicht-öffentlichste Raum, den es überhaupt gibt. Der unterliegt so vielen Normen und Dogmen und Gesetzen, dass eine Mitgestaltung so gut wie unmöglich ist, beziehungsweise sie ist ganz einfach nicht gestattet", so Rocco. Er und sein Kollektiv bearbeiten diese Räume trotzdem. Ästhetisch, inhaltlich, politisch. Hoffentlich noch lange weiter.

"Rocco und seine Brüder - Radikale Aktionskunst aus Berlin", ARD-Mediathek, bis Juli 2025

"Rocco und seine Brüder - Radikale Aktionskunst aus Berlin", ARD
Foto: Courtesy ARD

"Rocco und seine Brüder - Radikale Aktionskunst aus Berlin", ARD


Die Documenta in retro

Als man noch mit Hut und Kostümchen zu einer Ausstellung ging: Am 27. Juni 1964 eröffnete die 3. Documenta in Kassel, einer Stadt, die "sich nur selten musischer Eigenarten rühmt", wie es in einer Reportage des Hessischen Rundfunks heißt. Einen ersten Rundgang über die von Arnold Bode und Werner Haftmann gestalteten Ausstellung finden Nachgeborene, die sich nicht selbst erinnern, gerade in der ARD-Mediathek. Dort werden seit einigen Jahren Schätze aus den Archiven des Senders digital zugänglich gemacht, was nicht nur inhaltlich spannend ist, sondern auch einiges über die Sehgewohnheiten der Vergangenheit lehrt.

Der Bericht "Das Museum der 100 Tage - Erster Bericht von der documenta 3 in Kassel" erlaubt einerseits einen Eindruck von der damals gezeigten Kunst, unter anderem von Henry Moore, Jospeh Beuys oder dem kürzlich verstorbenen Konrad Klapheck. Andererseits sagt die Sendung auch viel über das Kunstverständnis in der Nachkriegs-BRD aus. Viele Mythen über die Documenta sind inzwischen widerlegt: Zum Besipiel der, dass die Ausstellung "so wichtig geworden ist, weil sie weder an nationale Interessen noch an Künstlergruppen gebunden ist".

Wie jüngere Forschungen gezeigt haben, diente die Documenta sehr wohl dazu, Deutschland nach der NS-Herrschaft kulturell zu rehabilitieren und war von Anfang an politisch gewollt. Und auch zentralen Akteuren wie Werner Haftmann diente das Engagement in Kassel als Entlastung von der eigenen Vertrsickung in die Nazi-Verbrechen. 1964 ist davon noch keine Rede. Hier überwiegt das Erstaunen darüber, dass die Documenta auch "Besucher aus Übersee" in die noch immer zerstörte Stadt Kassel locken kann. Fazit: "Die Kunst ist keine Marotte mehr."

"Das Museum der 100 Tage - Erster Bericht von der documenta 3 in Kassel", HR retro, ARD-Mediathek, bis auf Weiteres

Arnold Bode bei der Eröffnung der Documenta 3
Foto: Courtesy HR Retro

Arnold Bode bei der Eröffnung der Documenta 3


Mit Georgia O'Keeffe zwischen Metropole und Einsamkeit 

Georgia O'Keeffe (1887-1986) war eine der bedeutendsten Vertreterinnen der Moderne und schuf einen persönlichen Stil, der von Publikum und Kritikern als Ausdruck der einer einheimischen US-amerikanischen Kunst identifiziert wurde. In den 1920er-Jahren fand sie in einer besonderen Kombination aus Symbolismus, Abstraktion und Interesse an der Fotografie ihre Handschrift. Dass dieser Weg zu einer der bekanntesten Künstlerinnen der Geschichte kein leichter war, zeigt der Dokumentarfilm "Georgia O'Keeffe - Künstlerin im Wilden Westen".

Er verfolgt die Karriere einer jungen, entschlossenen Frau von Wisconsin in die Metropole New York und später, nach dem Tod ihres Ehemannes Alfred Stieglitz, in die Einsamkeit der Wüste New Mexicos. Im Zentrum stehen die Aussagen der Künstlerin selbst, die in Form von Interviews (von denen sie während ihrer Karriere reichlich gab) und Briefauszügen auftauchen.

Diese Passagen und die Einschätzungen von Weggefährtinnen und Kunstexperten zeichnen das Bild einer ehrgeizigen und leidenschaftlichen Person, die sich ganz der Kunst und der Liebe hingab und einen tiefen Eindruck bei allen hinterließ, die sie kennenlernten.

"Georgia O'Keeffe - Künstlerin im Wilden Westen", Arte-Mediathek, bis 10. November

Georgia O'Keeffe in New Mexiko, zu sehen im Dokumentarfilm "Georgia O'Keeffe - Künstlerin im Wilden Westen" auf Arte
Foto: Arte

Georgia O'Keeffe in New Mexiko, zu sehen im Dokumentarfilm "Georgia O'Keeffe - Künstlerin im Wilden Westen" auf Arte


Liebe zwischen Kunsthalle und Diamantenmine

Monika ist Anfang 40 und Kuratorin an der Frankfurter Kunsthalle. Joseph ist ein Geschäftsmann, der Investoren für eine Diamantenmine im Kongo sucht und sich vorübergehend mit dubiosen Geschäften über Wasser hält. Während einer Polizei-Razzia in einer Kneipe im Frankfurter Bahnhofsviertel stoßen die beiden zufällig aufeinander – es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Beziehung, die sich vor höchst diversen Szenerien entfaltet: einer elitären Kunstwelt und prekären, migrantischen Verhältnissen.

So unterschiedlich ihr Hintergrund auch sein mag: Monika und Joseph stehen beide in der Mitte des Lebens, konfrontiert mit der großen Frage, wie es weitergehen soll. Sie will endlich aus dem Schattendasein der emsigen Kuratorin treten und sich auf die Direktion der Kunsthalle bewerben, und auch er sucht nach dem großen Deal, dem Sprung heraus aus der Schattenwelt.

Lisa Bierwiths Filmdebüt "Le Prince" ist zugleich intensive Liebesgeschichte und punktgenaue Studie zweier Milieus, die kongenial ineinander geblendet werden. Netzwerken muss Monika genauso wie Joseph. Vorsprechen bei Gönnern, die Codes aneignen, Erniedrigungen ertragen, Misogynie und Rassismus. Es geht um Status, um Macht, um Anerkennung. Um die Frage, was wir wirklich im Leben suchen.

"Le Prince", ZDF-Mediathek, bis 2. November

"Le Prince", Filmstill, 2022
Foto: Komplizen Film

"Le Prince", Filmstill, 2022


Das Kindermädchen mit der Kamera

Sie arbeitete als Kinderfrau in Chicago. Nebenbei war sie jedoch mit der Rolleiflex-Kamera unterwegs, fotografierte wie ein Profi, nein, wie eine Künstlerin: hochtalentiert, neugierig, blitzschnell. Vergleiche mit Diane Arbus, Robert Frank und Lisette Model sind nicht zu hoch gegriffen bei Vivian Maier (1926-2009), deren Straßenfotografie erst nach ihrem Tod die verdiente Aufmerksamkeit bekam.

In "Finding Vivian Maier" spürt John Maloof der Fotografin und Nanny nach, berichtet aber auch von den dunklen Seiten. Außerdem erzählt Maloof, wie er als 29-Jähriger während einer Zwangsversteigerung auf Maiers Bilder stieß, schließlich mit 200 auf eine Website gestellten Fotos Klickrekorde erzielte und eine vielbeachtete Ausstellung organisierte. Maier starb einsam und verarmt. Was wäre aus ihr geworden, wenn sie selbst der Welt ihren Bilderschatz geöffnet hätte? Wie erfüllend ist künstlerisches Tun ohne Betrachter, ohne Resonanz? "Finding Vivian Maier" ist ein faszinierender Film. Die Geschichte ist traurig. Aber immer pocht in ihr das Glück des gelebten – und fotografierten – Augenblicks.

"Finding Vivian Maier", auf Mubi

Vivian Maier 
Foto: Mauritius Images / AF / Alamy

Vivian Maier 


Warum sind wir kreativ - oder eben nicht?

Warum beschäftigt sich ein Regisseur 30 Jahre lang mit demselben Thema? Hermann Vaske folgte Architekten, Modedesignerinnen, Schauspielern, Musikern und auch bildenden Künstlerinnen rund um den Globus, um ihnen eine einzige Frage zu stellen: "Why are you creative?" Und dann tat er das Ganze noch einmal, um zu fragen, was uns davon abhält, unser kreatives Potenzial zu nutzen. Aus diesem recht überschaubaren Ansatz ist inzwischen eine Filmtrilogie entstanden, die nun komplett in der Arte-Mediathek verfügbar ist. 

Vaske fragt seine Gesprächspartner nach den Stimuli, die Geistesblitze befördern, von Spiritualität über Sex bis zu Geld und Ehrgeiz. Und dann nach den bösen Mächten, die die Entfaltung von Kreativität verhindern: Zensur, Angst, Existenzsorgen. "Den Schmerz zu einer Waffe machen", beschreibt etwa Shirin Neshat ihren Umgang mit Unterdrückung, "eine Waffe, um etwas zu verändern, nicht zu zerstören und der Tyrannei die Stirn zu bieten."

In insgesamt über dreieinhalb Stunden kommt eine beeindruckende Sammlung an Prominenten und mehr oder weniger inspirierenden Sinnsprüchen zusammen. Irgendwann kann der immer gleiche Zugang ermüdend werden. Aber eine Ausrede, nicht kreativ zu werden, hat man nach dem Konsum dieser Filme wirklich nicht mehr.   

"Why are we creative?", "Why are we not creative?" und "Kann Kreativität die Welt retten?", Arte-Mediathek, bis 20. November

Shirin Neshat in einem Ausschnitt aus dem Film "Why are we not creative?" von Hermann Vaske
Foto: © Rise and Shine Cinema

Shirin Neshat in einem Ausschnitt aus dem Film "Why are we not creative?" von Hermann Vaske


Jamaika: Ode an eine Insel

Das Motiv der Mutter als Lebensspenderin, Ernährerin und lebenslange komplizierte Liebe ist nicht gerade ungewöhnlich. Selten wurde es jedoch so bildgewaltig umgesetzt wie in der experimentellen Dokumentation "Black Mother" von Khalik Allah. Der Regisseur montiert darin collagenartig analoge Aufnahmen aus Jamaika, und erzeugt damit einen hypnotischen Bilderstrom, in dem Naturschauspiele genauso ihren Platz haben wie Elend, Spiritualität und Nähe zwischen Menschen. Sogar eine Geburt wird gezeigt, der Film ist also nichts für schwache Nerven - aber ein beeindruckendes Porträt eines Landes und seiner postkolonialen Gegenwart.

"Black Mother", Arte-Mediathek, bis 15. November

"Black Mother", Filmstill, 2018
Foto: Grasshopper Film

"Black Mother", Filmstill, 2018


Zeitgenössische Kunst erobert den Louvre

Nachts im Louvre. Ein nackter, schwarz angemalter Mann schreitet langsam zwischen den hellen Marmorskulpturen umher. In seinem Körper stecken Pfeile. Er hält inne, Standbein Spielbein, und probiert die Posen, die die Kunstgeschichte ihm vorgibt: Er wird zum heiligen Sebastian, beliebtes Sujet der Alten Meister auch hier im Louvre und nebenbei queere Ikone.

Der junge US-amerikanische Performancekünstler Miles Greenberg hat sich für diese Performance wirklich Nadeln durch den Körper jagen lassen, eine halbe Nacht lang performte er im leeren Museum. Der Kurzfilm, der aus der Performance entstand, ist Teil der Serie "Regards du Louvre", die der französische Museumstanker auf seinem Youtube-Kanal veröffentlicht hat.

Insgesamt 20 zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler reagieren darin auf die Sammlung des nach eigenen Worten berühmtesten Museums der Welt; darunter neben Greenberg auch Hicham Berrada, der die berühmte Skulptur der "Nike von Samothrake" mit atmosphärischem Nebel umspielt, oder Eliza Douglas, die Instagram-Posts von Museumsbesuchern zu einer fulminanten Collage montiert hat.

"Regards du Louvre", auf Youtube

Miles Greenberg performt im Louvre für seinen Film "Étude Pour Sébastien", 2023
Foto: Vidar Logi

Miles Greenberg performt im Louvre für seinen Film "Étude Pour Sébastien", 2023


Mode, Freundschaft und Krieg

Für die vierteilige ARD-Serie "Offline" begleitete der Fotograf und Regisseur Mehran Djojan von 2019 bis 2022 drei befreundete Models, die aus der Ukraine und Russland nach Deutschland gekommen sind. Die Träume von der eigenen Karriere werden jedoch durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine brutal infrage gestellt.

Via Instagram lernte Mehran Djojan die Models Tanya, Valeriia und Daniel kennen, als sie gerade nach Berlin gezogen waren. "Wir haben voneinander profitiert", erzählt Djojan, dessen Stimme immer wieder aus dem Off zu hören ist. Typisch für das Business: Er bekommt die Modelle für seine Fotos, sie haben dafür neue Bilder für ihre Mappen. Es entsteht eine Freundschaft, die Nähe zwischen Regisseur und den drei Protagonisten ist spürbar. Sie werden in ihren Wohnungen gezeigt, wie sie sich für Shootings selbst schminken, weil sie sich keine Visagistinnen leisten können, und nach Terminen beim Bürgeramt, wenn das Visum wieder auszulaufen droht.

Unüblich für dokumentarische Filme sprechen Tanya, Valeriia und Daniel immer wieder direkt in die Kamera. Sie erzählen von ihren Träumen, Erfolgen, Beziehungen. Mit Anfang 20 haben sie ihre Heimatstädte und Familien hinter sich gelassen, einen Teil des Geldes, dass sie durch ihre Jobs in Deutschland verdienen, schicken sie ihre Eltern, hoffen auf ein besseres Leben.

Alle drei werden in dieser Coming-of-Age-Serie nicht nur im Kontext der Modewelt gezeigt, sondern auch mit persönlichen Projekten: von Schauspieljobs über Punkbands bis zu ihren Liebesbeziehungen. Der Kriegsausbruch stellt die Frage nach Nationalität für Tanya, Valeriia und Daniel neu in den Vordergrund. Kurz vor dem Beginn des großangelegten Einmarschs der russischen Armee sind sie noch einmal in Kiew, im Rückblick schmerzen die unbeschwerten Bilder.

Vom Krieg bleibt auch ihre Arbeit nicht unberührt. Vor allem Tanya, die aus Russland stammt, versucht durch Performances ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Zu sehen ist sie bei einem Auftritt, als sie ihren Körper mit Herzen bemalt und sich nackt singend vor ihr Publikum stellt. Unterbrochen werden die Aufnahmen von Jobsuchen, Partys und Fotoshootings, von Handyvideos der Eltern, die sich bei ihren Kindern aus Bunkern melden.

Was bleibt, ist das Gefühl, dass die einzige Sicherheit für die Drei im Wandel liegt. Die Zerrissenheit zwischen Ankommen, Weitergehen und Hoffen ist immer spürbar. Mit den Worten "Let me just be", endet die vierteilige Reihe, für die Regisseur Mehran Djojan beim bundesweiten Ideenwettbewerb ARD Kultur Creators ausgezeichnet wurde.

"Offline: Zwischen Fashion, Instagram und Krieg", ARD-Kultur

"Offline: Zwischen Fashion, Instagram und Krieg", 2022
Foto: ARD

"Offline: Zwischen Fashion, Instagram und Krieg", 2022


Als sich die Disco radikalisierte

Es gibt ein Wort, das die Sehnsucht nach Tanzen beschreibt: "Raveweh". Warum bis zum nächsten Mal Ausgehen nicht das historische Club-Wissen aufpeppen? Die Dokumentation “Radical Disco” sucht nach den Spuren von Diskotheken der 1960er-Jahre. Der Fotograf Antonio Grotta streift durch verfallene Nachtclubs und holt die Geschichte der “Traummaschinen” hervor.

In den frühen Etablissements verschwammen die Grenzen zwischen Kunst und Leben. Die Disco sollte ein Gesamtkunstwerk sein, das mit neuen Möglichkeiten von Licht und Ton arbeitet. Wandbilder schmückten die Innenräume, neue Projektionsmaschinen wurden erfunden, und die Künstlergruppe Zero entwarf das Raumkonzept für die Disco Creamcheese in Düsseldorf. Leider wird das Raveweh von der Dokumentation überhaupt nicht besser, eher schlimmer.

"Radical Disco - Die frühen Jahre der Clubs", auf Youtube

"Radical Disco", Filmstill
Foto: ZDF

"Radical Disco", Filmstill


Haute Couture und Politik im Senegal

Dass das Modehaus Chanel prunkvolle, geschichtsträchtige Orte mit seinen Schauen bespielt, ist an sich nicht außergewöhnlich. Wenn es sich allerdings um den Justizpalast in Dakar handelt, der Hauptstadt der ehemaligen französischen Kolonie Senegal, wird es unweigerlich politisch. Als die Schauspierin und Regisseurin Karine Silla Perez zum ersten Mal davon hörte, dass ihre Tochter Iman Ende 2022 als Model für Chanel laufen würde, hatte sie ihre Bedenken. "Ist das nicht paternalistisch, wenn ein französisches Modehaus mitten in einer politischen Krise mit Frankreich hier nach Westafrika kommt?", fragte sie. Imans Antwort: "Aber Mama, das ist ein Projekt der Frauen. Chanel ist ein Haus der Frauen."

Karine Silla Perez entschließt sich, einen Film über die Begegnung zwischen Haute Couture und Politik zu machen. Sie begleitet die Vorbereitungen zur Modeschau, interviewt Beteiligte und reflektiert dabei auch über ihre eigene Familiengeschichte und ihre politische Prägung als Tochter einer französischen Mutter und eines senegalesischen Vaters. Am Ende geht es in "Métissages" auch um die glänzende Welt der Luxusmode - aber vor allem um ein Land im kulturellen Umbruch und den Wunsch einer kreativen jungen Szene, gesehen zu werden.

"Métissages - Bunt gemischt. Chanel in Dakar", Arte-Mediathek, bis 27. Februar 2024

"Bunt gemischt - Chanel in Dakar", Filmstill
Foto: Courtesy Chanel

"Bunt gemischt - Chanel in Dakar", Filmstill