A.L. Steiner bei Deborah Schamoni
Natürlich waren auch die politischen Erschütterungen der vergangenen Tage Thema auf der Art Cologne, auch wenn Leiter Daniel Hug keine direkten Auswirkungen der Weltkrisen auf seine Messe vermutete. Einige der Galerien freuten sich über spontane Deals von US-Sammlern, die unter Donald Trump offenbar größeren Wohlstand erwarten oder deren Tesla-Aktien bereits sprunghaft gestiegen sind. Andere fürchteten dagegen einen weiteren Abschwung der deutschen Wirtschaft und ein generell feindliches Klima gegenüber der Kunst.
Nun lässt sich der Trump-Wahlsieg weitaus glamouröser betrauern als das Aus der Ampel-Regierung in Berlin. Und so wurde auch das Werk von A.L. Steiner am Stand der Münchner Galerie Deborah Schamoni vor dem Hintergrund der zweiten Amtszeit eines misogynen und queerfeindlichen Kulturkämpfers von rechts gelesen. Die Fotografin und Musikerin, die auch Mitglied der Gruppe Chicks on Speed ist, arrangiert intime Fotocollagen, die ein Amerika der Verletzlichen zeigt - und all das verkörpert, was Trump und viele seiner Anhänger verteufeln: trans und nicht-binäre Menschen verschiedener Herkunft oder kritische Künstlerinnen wie die Malerin Nicole Eisenman, die sich ihrer Körper kein bisschen schämen. Steiners Werke wirken ein wenig wie ein zeitgenössisches Update von Nan Goldins Ansatz der empathischen Beobachtung. Jetzt sind sie außerdem Gegenbilder zu Trumps "MAGA"-Ideen - eine konzentrierte Kunst-Insel aus Solidarität, Freiheit und Liebe.
Deborah Schamoni, Halle 11.2, A 125
Editionen und bezahlbare Kunst bei And She Was Like Bäm!
Erstmals mit einem Stand auf der Art Cologne ist das feministische Kollektiv And She Was Like Bäm! vertreten. Ihr Konzept ist dabei so einfach wie bestechend: An einer zartgelben Wand hängen 62 Werke, darunter Editionen und Unikate, von Künstlerinnen und queeren Personen; alle ungefähr im Format A4, alle kosten 400 Euro, und als Käuferin erfährt man erst zum Schluss, wessen Arbeit man gerade erworben hat. Das ermöglicht einen Blick auf die Kunst, der nicht sofort von Werten und Namen beeinflusst ist.
And She Was Like Bäm!, Halle 11.1, D3
Jesse Darling bei Molitor
Ein etwas trauriges Bäumchen aus Metallstreben steht in der Mitte des Messestandes der Galerie Molitor. Statt Blättern hängen daran eingeschweißte Plastikblumen, die von Friedhöfen stammen. Daneben eine Reihe von Aktenordnern auf dem Boden, zwischen deren bunten Pappdeckeln Steinplatten klemmen. Die Installationen von Jesse Darling, im vergangenen Jahr mit dem Turner-Preis ausgezeichnet, sind melancholische memento mori, durch die aber auch ein feiner Humor scheint. Darling interessiert, in welchen staatlichen und gesellschaftlichen Systemen sich Menschen bewegen (müssen) und wie sie sich der Vergänglichkeit sowohl hingeben als auch widersetzen. Auf einer Messe sind das sicher nicht die schlechtesten Gedanken, die man sich machen kann.
Galerie Molitor, Halle 11.2, N2
Prateek Vijan bei der Produzentengalerie Hamburg
Die Nachwuchs-Koje ist gar nicht besonders groß, doch das Geschehen auf den Bildschirmen an der Decke des schmalen Raums weckt dann doch die Aufmerksamkeit. Greifvögel hocken auf Straßenlaternen, die ein bisschen an Überwachungskameras erinnern. Die Tiere lassen ihre Umgebung nicht aus den Augen, genauso wenig wie die Messebesucher. Beim Hamburger Künstler Prateek Vijan, das wird schnell klar, geht es ums Beobachten und Beobachtetwerden. An den Wänden hängen außerdem mit geisterhaften Fotos bedruckte Kühlschranktüren, die verschwommene Szenen aus dem Londoner V&A Museum zeigen. Vijan thematisiert darin den fiktiven Diebstahl einer symbolträchtigen indischen Skulptur, die sich in der Sammlung der britischen Institution befindet. Die formal präzisen Objekte zwischen chromglänzendem Readymade und konzeptueller Fotokunst funktionieren jedoch auch ohne die Spionagegeschichte.
Produzentengalerie Hamburg, Halle 11.2., A215
Gruppenschau bei Thaddaeus Ropac
Anders als andere Galeristen seiner Liga hält Thaddaeus Ropac der Art Cologne die Treue und kommt sogar mit einem besonders schönen Stand auf die Messe. Die Begegnung einer kreidebeschriebenen Tafel und zweier Zeichnungen von Joseph Beuys mit einer archaischen Plastik von Hans Josephsohn ist geradezu ergreifend. Ein ungewöhnlich reduziertes, schwarz-weiß gehaltenes Wellenbild von Alex Katz führt das Thema der Geste fort, genauso wie Martha Jungwirths luftige malerische Abstraktion. Und Valie Exports Fotoserie "Liebesperlen" bringt eine für diese Künstlerin wirklich ungewöhnliche Zärtlichkeit hinein.
Thaddaeus Ropac, Halle 11.2, A110
Kris Lemsalu und Sevina Tzanou bei Temnikova & Kasela
Kann man eine Figur aufrollen wie einen Teppich, und dann, die ausgestreckten Arme als Griffe benutzend, damit davonrollen? Kris Lemsalu hat so eine Skulptur erdacht: aus puscheligem Textil, das zerknautschte Gesicht darin aus glänzender Keramik. Dazu zeigt Temnikova & Kasela aus Tallinn, Estlands wichtigste Galerie für zeitgenössische Kunst, die kräftige, drastische Malerei von Sevina Tzanou, Absolventin der Kunstakademie Düsseldorf.
Temnikova & Kasela, Halle 11.2, N6
Philipp Modersohn und Hinako Miyabashi bei Guido W. Baudach
Bei Guido Baudach ist Philipp Modersohn auf der Suche nach der Seele der Dinge in Zeiten des Anthropozäns: mit feinen Zeichnungen und seinen wie im Naturkundemuseum im Regaldisplay installierten Werken. Seine Skulpturen sehen aus wie Lava, sind aber Schlacke aus den Hochöfen des Ruhrgebiets, aus denen er organische Glasgebilde wachsen lässt wie Tiere. Dazu passen die kleinformatigen, poetischen Malereien der jungen Japanerin Hinako Miyabayashi, in denen man ebenfalls animistische Geister zu sehen meint.
Guido W. Baudach, Halle 11.2, B321
Gruppenschau bei Dittrich & Schlechtriem
Die Art Cologne sieht insgesamt sehr aufgeräumt aus, aber aufwendige, große Installationen traut sich hier kaum jemand. So hat die Galerie Dittrich & Schlechtriem leichtes Spiel und sticht mit der riesigen, sich drehenden Pille von Zuzanna Czebatul heraus: "Reality" und "Embargo" steht darauf, das Psychedelische wird politisch. Im Inneren der Koje gerät man mit Lukas Städlers expliziter Fotoserie in nächtliche Cruising-Areas.
Dittrich & Schlechtriem, Halle 11.2, A329
Blalla W. Hallmann bei Ebensperger
Blalla W. Hallmann (1941-1997) war schon als Student an der Kunstakademie Nürnberg ein Außenseiter, wo man ihm auch seinen ungewöhnlichen Vornamen verpasste. Er gründete ein Comic-Theater, lernte in San Francisco den Comic-Maler Robert Crumb kennen, später führten ihn psychische Probleme immer wieder zu Krankenhausaufenthalten. Bei Ebensperger sind seine bösen Puppenhäuser zu sehen, in denen Sex und Gewalt regiert, und bemerkenswerte Glasbilder. Hallmanns Kunst schaut in die Abgründe des Lebens.
Ebensperger, Halle 11.2, A310
Elmgreen & Dragset bei Max Hetzler
In der "Zeit" gibt es die schöne Rubrik "Du siehst aus, wie ich mich fühle". Unter einem ähnlichen Motto könnte auch die Skulptur "The Touch" von Elmgreen & Dragset stehen, die bei der Galerie Max Hetzler zu sehen ist. Dabei handelt es sich um eine ziemlich realistisch aussehende Männerfigur, die bäuchlings und nur in Unterhose auf einer Massageliege ruht. Ob sein Warten auf eine wohltuende Behandlung von Erfolg gekrönt sein wird, oder ob er auf seiner Pritsche einfach allein und unberührt erkalten wird, bleibt unklar. Zumindest dürfte das Werk ein dringendes Bedürfnis vieler Besucher nach einem langen Art-Cologne-Tag ausdrücken: liegen.
Max Hetzler, Halle 11.2, A121