Zersägt, übermalt, weggewischt

Wenn Kunst verkannt wird

In Nürnberg hat eine Frau am Mittwoch per Kugelschreiber ein Kreuzworträtsel-Kunstwerk kurzerhand ausgefüllt. Die Frage "Kunst oder Abfall?" ist nicht für jeden Zeitgenossen leicht zu beantworten. Die Folgen für das Kunstwerk und seinen Schöpfer sind mitunter verheerend. Einige Beispiele

- Eine Installation aus goldfarbenen Rettungsfolien hielt eine Putzfrau für Müll - und warf Teile davon im Januar 2016 kurzerhand in die Tonne. Thema des Kunstwerks in einer Mannheimer Kirche: Menschen in Not auf der Suche nach einer Unterkunft.

- In der Londoner Eyestorm Gallery räumte eine Reinigungskraft im Jahr 2001 versehentlich die Installation "Untitled" – Spuren einer Party – von Damien Hirst auf. Der amüsierte sich über den Vorfall.

- 2004 entfernte ein Mitarbeiter des Tate Britain eine Plastiktüte, die zu der Installation "Recreation of First Public Demonstration of Auto-Destructive Art" von Gustav Metzger gehörte. 

- Von Tracey Emin wurden die beiden Arbeiten "Self Portrait: Bath — a neon light" und "Feeling Pregnant III. My Uncle Colin" in der Scottish National Gallery of Modern Art von Ausstellungsbesuchern beschädigt.

- Weil im Jahr 2013 eine Pferdeskulptur die Garage eines Nürnberger Rentners blockierte, ließ er sie kurzerhand zersägen und entsorgen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg musste er dem Künstler dafür 23 300 Euro plus Zinsen zahlen.

- 2007 entfernte die Stadtreinigung in Kassel Striche vom Asphalt, die einen Tag zuvor von der chilenischen Künstlerin Lotty Rosenfeld im Rahmen der Documenta 12 auf die Strasse vor dem Fridericianum angebracht wurden. Ihre Installation "Eine Meile aus Kreuzen auf dem Asphalt" sollte an ihre eigene Protest-Aktion gegen den Diktator Pinochet erinnern, bei der sie bereits 1979 weiße Streifen auf die Straßen Chiles klebte.

- Einer 80-Jährigen aus dem Städtchen Borja in Spanien fiel 2012 auf, dass an einem Jesus-Bild in ihrer Kirche die Farbe abbröckelte. Die Hobby-Restauratorin griff zum Pinsel - und machte aus dem Gemälde von 1930 eine Art expressionistischen Igel-Menschen. Zehntausende Touristen strömten seither in die nordspanische Kleinstadt, um das Kunstwerk zu bewundern.

- Im Sommer 2011 ließ der Vorsitzende eines muslimischen Kulturzentrums in Bristol (Großbritannien) die Wand des Vereinsgebäudes säubern. Pech nur, dass eines der störenden Graffitis von dem international bekannten Street-Art-Künstler Banksy stammte.

- In einem Dortmunder Museum schrubbte eine Putzfrau 2011 den weißlichen Kalkfleck an dem Holzplattenturm "Wenn's anfängt durch die Decke zu tropfen" von Martin Kippenberger (1953-1997) weg. Sie empfand ihn offenbar als störend. Die Museumsrestauratorin hielt das Werk für nicht wiederherstellbar.

- Ähnliches widerfuhr der "Fettecke" von Joseph Beuys (1921-1986). Der Hausmeister kratzte das berühmte Kunstwerk 1986 in der Düsseldorfer Kunstakademie einfach weg.

- Im Jahr 2000 schmissen Pförtner einer Londoner Dependance des Auktionshauses Sotheby's eine scheinbar leere Kiste in einen Müllzerkleinerer. Sie waren sich offenbar nicht im Klaren darüber, dass sich ein 157.000 US-Dollar teures Bild des britischen Malers Lucian Freud darin befand.

- Als der Kunstsammler und Casino-Besitzer Steve Wynn 2006 Journalisten gestikulierend erklärte, dass er "Le Reve" von Pablo Picasso aus dem Jahr 1932 für 139 Millionen US-Dollar verkaufen wolle, schlug er versehentlich mit dem Ellbogen gegen das Gemälde und beschädigte es dabei. Daraufhin sprang der potenzielle Käufer ab und der Kaufpreis sank nach einer 90.000 Euro teuren Reparatur auf 85 Millionen US-Dollar. 2010 fiel eine Frau im Metropolitan Museum of Art versehentlich in das Picasso-Bild "L’acteur" von 1904, das auf einen Wert von 130 Millionen US-Dollar geschätzt wurde. Es entstand ein 15 Zentimeter langer Riss, der drei Monate lang repariert werden musste.