Herr Schmidt, die Uferhallen in Berlin-Wedding beherbergen Ateliers, Tanzstudios und eine 2500 Quadratmeter große Ausstellungshalle. Was steckt hinter der Aktion „Mit der Kunstaktie zur Publikumsgesellschaft“?
Die Idee ist, eine neue Finanzierungsform zu entwickeln, um diese Art der Immobilien langfristig erhalten zu können. Normalerweise werden Orte, an denen sich Kunst- und Kulturschaffende niederlassen, nur temporär bespielt. Nach einer gewissen Zeit können die Mieter, also die Künstler, die gestiegene Miete nicht mehr bezahlen und müssen ihre Ateliers verlassen. Wir wollen diesen Teufelskreis durchbrechen. In der Regel haben wir Mietverträge von 25 Jahren. Die werden einseitig abgeschlossen, das heißt der Vermieter garantiert dem Mieter, dass er seine Räume 25 Jahre benutzen kann. Der Mieter selbst hat nur drei Monate Kündigungsfrist. Die Künstler haben Planungssicherheit und werden nicht wieder verdrängt.
Wie genau funktioniert die Kunstaktie?
Wir haben ein Finanzinvestment geschaffen, was einerseits aus dem Immobilienanteil besteht, andererseits aus Kunst. Die Kunstaktie beinhaltet also beides: ein konservatives Immobilienengagement mit Renditeerwartung und einen spannenden Kunstanteil. Für die Investoren ist es eine sichere Anlage. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Gelände seinen Wert völlig einbüßt, ist sehr gering, und der Einkaufspreis ist niedrig. Und weil die Räume günstig vermietet werden, gibt es auch keine Leerstände. Im Gegenteil: Die Warteliste von Interessenten ist lang.
Mit der Kunstaktie erkauft man sich auch ein gewisses Mitspracherecht.
Ja, man hat alle Rechte, die ein Aktionär hat. Inklusive Rederecht auf der Vollversammlung, Mitbestimmungsrecht über die Gewinnverwendung, Kontrollrecht. Die Künstler haben die Aktien für die Uferhallen gestaltet, um das Angebot attraktiver zu machen. Im Grunde erwirbt man mit 2400 Euro pro Aktie ein Immobilienengagement, das 11,5 Quadratmeter des Uferhallengeländes umfasst.
Wie viele Künstler haben sich an der Kunstaktie beteiligt?
Am Anfang haben sich 45 Künstler der Uferhallen bereit erklärt, jeweils 25 Aktien zu gestalten. Viele haben dann Freunde und Künstler aus dem Bekanntenkreis mit ins Boot geholt. Momentan sind es 96 und es werden am Ende 132 Künstler sein, die insgesamt 3300 Aktien gestaltet haben, darunter Monica Bonvicini, Zhivago Duncan, John Bock Valérie Favre, Katharina Grosse, Nasan Tur, Matthias Köppel und viele andere.
Gab es gestalterische Vorgaben?
Nein. Wir haben den juristisch gestalteten Bogen den Künstlern zur Verfügung gestellt, und mit diesem Papier mussten sie arbeiten. Die Aktien sind Namensaktien. Auf der Rückseite wird der Name des Eigentümers eingetragen und das Aktienbuch stellt den Eigentumsnachweis dar. Dadurch gibt es keine Grenzen bei der Gestaltung: Man kann sie rund oder quadratisch machen. Es sei denn, man will an die Deutsche Börse, dann muss man sich strengeren Regeln unterwerfen.
Wie waren die Reaktionen auf diese Aktion im Vorfeld?
Die Idee gärt ja hier auf dem Gelände schon seit zwei Jahren. Und bisher hatten wir nur positives Feedback – für die Idee und die Ausstellung. Der Verkauf hat jetzt angefangen und es läuft sehr gut. Die Idee kommt hervorragend an und die Philosophie, die dahinter steht, wird verstanden – dass es einerseits um ein Experiment geht und andererseits darum, etwas Nachhaltiges zu schaffen.
Könnte dieses Konzept auch für andere Kunst- und Kulturzentren eine Lösung zur Erhaltung sein?
Das Experiment ist zur Nachahmung empfohlen. Ein Beispiel: Es gibt Ateliergemeinschaften, die ein Gelände oder Haus gepachtet haben. Und wenn die Künstler Aktien malen und diese in ihrem Freundeskreis, bei Galeristen und Sammlern verkaufen würden, dann könnten sie das Gelände ohne staatliche Zuschüsse erwerben und hätten sichergestellt, dass sie auch noch in 20 Jahren dort bleiben können.
Die Kunstaktien sind noch bis zum 8. Mai 2011 in den Uferhallen in Berlin-Wedding ausgestellt
Kunstaktien der Uferhallen, Berlin