Neu im Kino: "Watermark"

Zurück bleibt Trockenheit, Staub und Stille

"Ein Klagelied auf den Verlust" stimmen Fotograf Edward Burtynsky und die Filmemacherin Jennifer Baichwal mit ihrem rauschenden Dokumentarfilm "Watermark" an: Er zeigt in beindruckenden Bildern die Folgen der menschlichen Eingriffe in den Wasserzyklus

Der Dokumentarfilm „Watermark“ von Edward Burtynsky und Jennifer Baichwal ist eine Archäologie des Wassers, die Signaturen der Veränderungen auf der ganzen Welt findet. „Ein Klagelied auf den Verlust“ wollten der Fotograf und die Filmemacherin anstimmen mit ihrem Film, der im Februar auf der Berlinale lief und nun in die deutschen Kinos kommt. Diesen Verlust markieren die Läufe des Wassers in zehn Ländern, in räumlichen, zeitlichen oder akustischen Brüchen festgehalten.

Als mahnendes Beispiel und Ausgangspunkt des audio-visuellen Bildbands dient die Wassernutzung in Nordamerika: Kalifornien als zwiespältiger Innovationsbrunnen Amerikas, in dem Wasserkämpfe bereits vor einem Jahrhundert zwischen Los Angeles und der wasserreichen Peripherie ausgetragen wurden – zurück bleibt Trockenheit, Staub und Stille. Oder der traurige Rest des einst so gewaltigen Colorado Rivers, wie er heute schließlich Mexiko erreicht – stumme Anklage unerfüllter Wasserversprechen. 

Die Eingriffe der Menschen in den Wasserzyklus werden auf den verschiedenen Reisestationen in Nahaufnahme eindrücklich beschrieben und von Zeitzeugen historisch bis philosophisch eingeordnet. Im nächsten Moment folgt der Vogelflug: Luftbilder in Szene gesetzt durch das fotografische Auge Burtynskys – das Klagelied des Verlusts verstummt für atemberaubende Momente, um am nächsten Schauplatz wieder einzusetzen und weitere Brüche von Wasserkreisläufen zu rekapitulieren. 

Die Wasserkrisen Amerikas wirken hierbei gleichsam gestrig, zumindest angesichts dessen, was sich in China anbahnt. Die Zukunft lauert an einem der größten Staudämme der Welt im chinesischen Xiluodu: Gegenüber der emporstrebenden Bogenstaumauern aus Beton verblasst der Mythos des Hoover-Damms. Stolz berichten die Macher am Jinsha-Fluss in der Provinz Yunnan von der sechsfachen Wasserkraftkapazität verglichen zum Bauwerk am Colorado. Der Kameraflug durch die Schlucht lässt die drohenden Folgen erahnen, die der kolossale Bau für Umwelt und Mensch mit sich bringt – untermauert von der lärmenden Wucht herabdonnernder Wassermassen.

Konfliktpotentiale der Wassernutzung

Gleichzeitig bleibt der Fortschritt unschuldig, den verschiedenen Kulturen der Wassernutzung sind unterschiedliche Konfliktpotentiale eingeschrieben. In einer Großgerberei in Bangladesch, die bei jedem Arbeitsschritt bis zu 2000 Liter Wasser benötigt, verdichtet sich die politische Ökonomie des globalen Wasserhaushalts in vollständig auf den Export ausgelegten Fertigungsprozessen, die eine in allen Farben schillernde Giftbrühe in den Buriganga-Fluss abfließen lassen. Lin Jianqing, Abalone-Seeschnecken-Züchter im ostchinesischen See, erzählt uns, dass nichts ewig hält – nicht die Zuchtfarmern, nicht ihre Behausungen und auch nicht die Umwelt um sie herum. 

Angesichts solcher Ankündigungen entfiehen die Reiseleiter Burtynsky und Baichwal mit dem Zuschauer zum Kumbh Mela, dem größten Pilgerfest der Welt im indischen Allahabad. Das ritualisierte Bad wird in aller Farbenpracht ausgekostet, wie um die Sünden im Austausch zwischen Mensch und Wasser abzuwaschen und die Harmonie wiederherzustellen.

Und viel mehr bleibt auch nicht. Der kanadische Ureinwohner Oscar Dennis setzt auf die Selbstreinigungskräfte natürlicher Wasserkreisläufer. Wasserwächter Bai Yunfei an sanft geschwungenen chinesischen Reisfeldterrassen, zuständig für Verteilungsgerechtigkeit der kostbaren Ressource, flieht der kontemplativen Atmosphäre und sehnt sich nach einem Leben in einer chinesischen Großstadt. 

Ästhetische Kraft des Respekts

Seine Aufgaben kann die im Film vorgestellte Gruppe dänischer Klimawissenschaftler kaum übernehmen. Sie benennen leidenschaftlich die elementare Bedeutung des Wassers für jede Art menschlicher Aktivität. Durch seine historische Spurensuche sucht das Forscherteam Bilder zukünftiger Wasserstände zu entwerfen, nicht zuletzt um einen Appell an das menschliche Verantwortungsgefühl angesichts vergangener und zukünftiger menschbeeinflusster Verluste zu lancieren. Diese wissenschaftsethische Geste bleibt jedoch seltsam unvollendet, auch deshalb, weil die filmische Reise von Burtynsky und Baichwal wesentlich von einer Haltung geprägt ist, die sich ästhetisch als viel wirkungsmächtiger erweist: die des immensen Respekts gegenüber der Natur und der Ressource Wasser.

Unser Autor Dennis Tänzler ist Politikforscher beim Forschungsinstitut adelphi in Berlin. Er berät die Bundesregierung in Fragen internationaler Klima- und Energiepolitik

"Watermark" läuft ab Donnerstag im Kino. In der Galerie Springer, Berlin, ist noch bis zum 24. Mai die Ausstellung "Water Part II" von Edward Burtynsky zu sehen 

http://www.youtube.com/watch?v=N_hyfcFSn08