Zum ersten Mal im Sperrgebiet waren Chim Pom bereits 2011, nur wenige Monate nach dem Tsunami und dem Super-GAU im Atomkraftwerk von Fukushima. Während kein Berichterstatter das Areal betreten wollte, drehte das Künstlerkollektiv ein Video mit dem Titel "Real Times". "Es gibt viele Künstler, die die Gesellschaft durch ein Gemälde oder durch eine Skulptur darstellen. Ich glaube daran, dass Kunst die Gesellschaft beeinflussen kann, einfach weil Kunst dorthin gehen kann, wo andere nicht hingehen", erklärte der Kopf der Gruppe, Ryuta Ushiro, in einem Interview. Kurz darauf entstand die Idee, Kunst ins Sperrgebiet zu bringen.
Für das bei den Behörden auf wenig Begeisterung stoßende Projekt "Don’t Follow the Wind" hat sich die Truppe nun Verstärkung geholt. Nicht nur, dass sie eigene Werke verkaufte, um die Finanzierung anzuschieben. Sie zog auch namhafte Kollegen wie Taryn Simon, Trevor Paglen, Ai Weiwei, Nikolaus Hirsch oder Ahmet Öğüt auf ihre Seite. Aus Japan sind noch Aiko Miyanaga und Nobuaki Takekawa dabei.
Die Teilnahme an der Gruppenschau war mit einem Besuch der kontaminierten Region verbunden. In welche Richtung der Wind wehte, spielte da bereits keine Rolle mehr – am Tag des Super-GAUs flüchteten noch die Menschen in ihre Autos und versuchten, gegen die Windrichtung zu fahren, um der radioaktiven Wolke zu entkommen.
Die Künstler haben ein Privathaus, eine Farm, ein Erholungszentrum und ein Lager als Austragungsorte gewählt. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit schlummern ihre Werke nun im Dornröschenschlaf, bis die Strahlung nachlassen möge. Selbst die dazugehörige Website begnügt sich mit weißer
Leere und einem kurzem Audioclip. Warum die Kunst zeigen, wenn die perfide Bedrohung doch auch unsichtbar bleibt?
Immerhin: Eine Wanderausstellung begleitet das Projekt. So erfuhr man während der ersten Station im Watari Museum of Contemporary Art in Tokio aus Beschreibungen, dass Ai Weiwei eine Lichtinstallation aus Sonnenenergie und ein Familienalbum beigesteuert hat. Fotos oder gar einen Katalog verkneift man sich auch hier. Verständlich. Die Kunstwerke dürften kaum wiederzuerkennen sein, wenn die Zugangsschranke in ferner Zukunft wieder hochgeht.