Wolfgang Tillmans über seine Anfänge und Galerien

"Man fühlt sich immer auf dem Weg"

Wolfgang Tillmans wird seit 25 Jahren von der Galerie Buchholz vertreten. Im Monopol-Interview spricht der Künstler über seine Anfänge, frühere Anfeindungen und Loyalität gegenüber Galerien

Herr Tillmans, Sie feiern in Köln mit der Ausstellung "Fest" 25-jähriges Jubiläum der Zusammenarbeit mit der Galerie Buchholz. Können Sie sich noch an das Feedback auf die erste Ausstellung erinnern?
Ich hatte Mitte der 80er-Jahre Musik gemacht, die jetzt am Eingang in der Schaufensterscheibe des Antiquariats zu hören ist. Ich habe gezeichnet und gemalt, ich habe Kleider und Fotokopien gemacht, ich habe Texte geschrieben, aber dann bewusst das Medium Fotografie als Kunstmedium gewählt, weil mich diese Wandelbarkeit und Transportierbarkeit von der billigen Zeitschriftenseite zum zwei Meter großen Bild in der Galerie in seiner Kraft, Präsenz und der Möglichkeit der Hinterfragung von Wertzuschreibungen fasziniert haben. Dass eben nicht nur das teuer produzierte Edelstahlskulpturobjekt wertvoll ist, sondern auch eine groß gedruckte Fotokopie oder eine Zeitschriftenseite. In der ersten Ausstellung habe ich Originalseiten aus dem Magazin "i-D" neben einem Handabzug, den ich damals auf der Toilette in der Dunkelkammer gemacht habe, nebeneinander gehangen. Das waren für mich beides Originale. Das eine hat 400 D-Mark gekostet und das andere drei Pfund. Dem Abzug habe ich mit der Hand die maximale Aufmerksamkeit gegeben, das hat eine gewisse Purheit, deshalb die kleine Editionsgröße von 10. Und die Zeitschriftenseite, wenn ich sie gestaltet habe, dann ist das eben eine Edition in tausender Auflage. Jetzt hier in der Ausstellung hängen auch wieder Zeitschriftenseiten.

Wie waren damals die Reaktionen auf ihre spezielle Art der Hängung?
Es haben viele gemerkt, dass das neu ist. Sie haben es respektiert und gespürt. Das waren oft Ältere, zum Beispiel Sigmar Polke ist reingegangen in die kleine Ausstellung in der Breitestraße, zwei mal drei Meter groß, und hat da viel Zeit verbracht. Andere haben lange versucht das abzutun als nicht ernsthaft, weil ich mit meinem eigenen Gefüge von Fragen kam. Ich habe nicht nur die Fragen des sanktionierten Diskurses mit Beispielen bearbeitet, sondern habe praktisch eine ganze Welt in den Raum gebracht und habe die Widersprüche ständig offen gelegt und zusammen gebracht, die gedruckte Seite gegen den limitierten Print, das Gerahmte gegen das Ungerahmte, das politisch Aktivistische gegen das Hedonistische, die konzeptuellen Fragen zum Material, das einfach daher kommen sollte. Es ist viel leichter, Dinge kompliziert erscheinen zu lassen. Deshalb hatte ich es die ersten zehn Jahre nicht ganz leicht gehabt, weil es aus verschiedenen Ecken durchaus starke Anfeindungen gab.

Aus welchen Ecken?
Etwa aus der Richtung von "Texte zur Kunst". Mein Ansatz gehorchte in der Zeit nicht den Regeln. Diese Idee von Freiheit war da nicht so gefragt. Es wurde absurderweise als kommerziell gesehen, wobei ich da immer eine starke Abgrenzung vorgenommen habe, in dem Maße, wie dann mein Stil in den 90er-Jahren von der Werbeästhetik übernommen wurde. Weil andere eine ähnliche Bildsprache benutzten, konnte es nicht sein, dass ich es nicht machen durfte. In England gab es auch die verbreitete Annahme, dass das, was ich mache, überhaupt keine Kunst ist. Als ich 2000 den Turner Prize gewonnen hatte, sagte in einer Fernsehsendung einer der Kommentatoren, er wüsste gar nicht, warum das hier in der Tate ist.

Sie sind bereits 1990 nach England zum Studieren gegangen. Wie ist der Kontakt zu der Galerie Buchholz zustande gekommen?
Ich war vom Abitur in Remscheid nach Hamburg zum Zivildienst gezogen und habe angefangen, kleine Ausstellungen mit den abstrakten Fotokopien zu machen. 1992 ging ich nach London und habe in "i-D" publiziert. Als Künstler zu diesem Heft, das mich inspiriert hat, beizutragen, war mir wichtig. Ich wollte dabei sein, es war ein Ort mit viel Energie, während die Kunstwelt, die 1990 crashte, etwas orientierungslos schien. Die Galeristin Maureen Paley habe ich noch in Hamburg kennengelernt. Während meines Studiums habe ich sie einige Male besucht. Beim dritten Mal habe ich ihr "Lutz & Alex sitzen in den Bäumen" gezeigt. Im November 1992 war die Unfair in Köln, eine kleine alternative Messe als Gegenmesse zu der Zulassungspolitik der Art Cologne. Da gab es ganz kleine günstige Stände. Dort zeigte Maureen Paley dann "Lutz & Alex sitzen in den Bäumen".

So kamen Sie zum ersten Mal nach Köln?
Ja, sie fragte: "Kann ich das Bild mitnehmen?" Am Abend vor der Eröffnung der Unfair hatte zufällig "i-D" in einer Disco eine Party, sie machten es jeden Monat in einem anderen Land. Und da kam ein Typ zu mir, Daniel Buchholz, und sagte, dass er ein Fan meiner Bilder sei, auf die ihn ein Freund in der "i-D" aufmerksam gemacht hatte, und dass er mich gerne ausstellen möchte. So haben wir uns einen Tag vor meinem Kunstweltdebüt auf der Unfair getroffen. Das war ein irrer Moment. Auf der Unfair war Damien Hirst, alle Künstler, die damals hochkamen, Charles Ray. Köln war das Zentrum der westeuropäischen Kunstszene. Im Januar 1993 gab es dann gleich die erste gemeinsame Ausstellung. Ich hatte einen Karton mit Fotos gebracht und wollte die nicht in einer Reihe hängen. Die Materialität war mir vom ersten Moment als konzeptuelle Wahl bewusst. Es hat Jahre gedauert, bis das durchgesickert ist. Natürlich haben die Leute gespürt, dass da eine Präzision drin ist. Es war auch jetzt ein Test zu gucken, hey, wenn du damals diese Energie hattest, wie sieht sie heute aus. Es soll ja keine Memoriam-Ausstellung sein. Es geht immer nur um das "wie", nicht um das "was". Ich bilde nur einen winzigen Bruchteil des Sichtbaren ab. Wie ist die Haut oder das Wasser genau? Wie ist diese Holzfaser. Spürt man da die Ausgebleichheit der Zeit? Das rührt uns an.

Was schätzen Sie an der Galerie Buchholz?
Es ist der Geschmack, von Daniel und seit 1996 auch von Christopher. Die beiden haben einfach ein sicheres Auge. Kein unfehlbares Auge, aber die Kombination aus dem Schauen und dem Erkennenkönnen, was mir in dem jeweiligen Moment zu raten oder abzuraten ist, das ist wichtig. Sie sind neben besten Freunden auch ideales Publikum. Wenn ich eine Ausstellung in der Tate Modern oder der Fondation Beyeler mache, dann denke ich trotzdem nur über 50 Leute nach, deren Meinung wirklich für mich zählt. Wenn die das gelten lassen, dann kriegen die zehntausend anderen Besucher auch etwas Gutes. Diese Geschmackssicherheit bezieht sich dann auch auf Situationen, wenn ein Bild verlockend aussieht, aber nicht wirklich so gut ist wie ein ähnliches vom letzten Jahr. Sie würden mir nie zu einem Bild raten, nur weil es erstmal attraktiv und verkäuflich aussieht.

Sie haben also durchaus auch Einfluss auf künstlerische Entscheidungen?
Ja, sie haben Einfluss, aber ich entscheide alles. Ich habe von Anfang an drei Galerien gleichzeitig mit direkter Zusammenarbeit gehabt. Maureen Paley ist für mich genauso eine enge Freundin, Beraterin und Gesprächspartnerin. Alle meine Galeristen sind ehrgeizig, aber nicht übermäßig ehrgeizig, nicht an Bullshit und Wichtigtuerei interessiert, oder an Luxus, größerem Protz. Inzwischen sind sie alle angekommen, wir mussten uns alle daran gewöhnen. Das ist für Künstler eine merkwürdige Sache. Man fühlt sich natürlich immer auf dem Weg, dass es noch immer etwas zu erreichen gibt.

Es gibt ja noch die Zusammenarbeit mit David Zwirner, mehr ankommen kann man nicht.
Das finde ich jetzt nicht das Maß am Ankommen. Ich war ja 20 Jahre lang bei Andrea Rosen ...

... die ja 2017 ihre Galerie geschlossen hat. Was sagen Sie dazu?
Ich war zentraler Bestandteil von Andreas Galerie. Sie hat sich dann stark in eine andere Richtung entwickelt und hat zum Beispiel auch sechs Künstler auf einen Schlag rausgeworfen. Sie hat andere Künstler reingenommen, die so gar nichts mit dem Künstlerkreis zu tun hatten, dem ich 1994 beigetreten bin. Es hatte sich alles so auseinanderentwickelt, dass ich mich nicht mehr so gut aufgehoben fand. Bis dahin schien mir die Idee, sich zu trennen, absurd. Versuche, mich abzuwerben, gab es genug. Mir war Loyalität wichtiger, aber Ende 2013 sah ich der Tatsache ins Auge, dass mich in dem Programm nicht mehr viel hielt. Wir sind weiterhin befreundet und sie hat letztes Jahr nicht aus finanziellen Gründen geschlossen. Es hatte mit einer Prioritätenverschiebung in ihrem Leben zu tun, mit Populismus und Trump. Sie hat sich gefragt: Was mache ich hier? Das, was ich bisher gemacht habe, will ich schützen, aber ein Immerweiter macht jetzt für mich keinen Sinn. Ihr gesamtes Archiv geht jetzt ins Smithsonian Institute.

Zahlt sich diese Loyalität zum Galeristen künstlerisch aus?
Auf alle Fälle, denn Leute, die einen aus früheren Zeiten kennen, können Erdung erzeugen und helfen, den Blick auf die Verhältnisse zu schärfen. Finanziell ist es immer noch fifty-fifty, die Prozente haben sich nicht geändert. Wenn ich mir für das Versprechen von mehr Geld schlechte Berater geholt hätte, mit denen ich nicht so gut reden kann, die mir kommerzielle Entscheidungen vorschlagen, wäre das ein Schritt zurück. Ich verstehe gar nicht, warum Leute das tun. Warum sie sich mit einem 1-Million-Dollar-Scheck zu Gagosian abwerben lassen.

Wie passt da David Zwirner rein, da hat man es durchaus mit einem Konzern zu tun?
Das ist kein Konzern, sie haben hundert Mitarbeiter. Das ist eine erstaunliche Ausnahme, weil das Ganze sich sehr persönlich anfühlt und dort auch die Direktoren seit über 20 Jahren dabei sind. David hat 1995 ein kleines Bild von mir gekauft, wir kannten uns also schon lange.

Aber es muss doch trotzdem in der Größenordnung Unterschiede geben. Wie teilen Sie die Arbeiten unter den drei Galeristen auf?
Sie haben gleiche Rechte, Zwirner ist in keiner Weise die Nummer eins. Buchholz und Paley haben einen zeitlichen Vorsprung. Daniel und David kennen sich von Schulzeiten aus Köln. Daniel hat die Galerie aufgemacht, weil David Schlagzeuger werden wollte und den Projektraum vom Vater Rudolf Zwirner nicht bespielen wollte. David Zwirner darf meine Arbeiten nicht in der Galerie in London haben, wegen Maureen Paley, ich habe in London alles, was ich brauche. Meine Kreise sind bestens etabliert, ich brauche da keine New Yorker Galerie, die dort im Showroom Bilder hat. Dass die drei auf Messen alles in alle Länder verkaufen, ist dann okay. Die verstehen sich wirklich gut und es gibt keine Verdrängungen. Auf dem Weg von Andrea Rosen zu David Zwirner gab es auch keine Explosion am amerikanischen Markt, der schon immer mein stärkster war.