Seltsame Tierwesen
Fantastische Wesen, halb Mensch, halb Tier, bevölkern die fluiden Bildwelten der jungen Künstlerin Laura Gaiser. Sie tragen Pelze und Fransen, ihre High Heels sehen aus wie Hufe, ihr Kopfschmuck wie Hörner. Begehren und Sex, Blut und Körperflüssigkeiten sind mit im Spiel bei Gaisers fotografischem und filmischem Werk – und manchmal auch echte Falken, die den Protagonisten auf der Schulter sitzen. Man denkt an die frühen Arbeiten von Rebecca Horn, die sich in ein Einhorn verwandelte und die Metamorphose des Subjekts ins Bild setzte, an Matthew Barneys "Cremaster"-Serie, aber auch an die überbordenden Inszenierungen von John Bock, in dessen Meisterklasse an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe Laura Gaiser 2016 ihren Abschluss machte. In diesem Jahr hat die 1985 geborene Künstlerin vom Kollegium der Akademie den Kunstpreis der Werner-Stober-Stiftung zuerkannt bekommen und gibt im Forum der Städtischen Galerie Karlsruhe einen Einblick in ihre neue künstlerische Arbeit. Unter dem Titel "Frucht Fleisch" zeigt sie Filme, die in Tausenden von Einzelbildern in Stop-Motion-Technik entstehen – es wird saftig.
Laura Gaiser "Frucht Fleisch", Städtische Galerie Karlsruhe, bis 11. September
Aufruhr
Aus 140 Holzblöcken formte die Künstlerin Grada Kilomba 2021 in ihrer Installation "O Barco" die Silhouette eines Bootes und spielte damit auf die brutale Verschleppung afrikanischer Menschen in die Sklaverei an. In verschiedenen Performances wurde diese Bootsstruktur zu einem Garten der Erinnerung und Spielort eines Musicals. Jetzt ist der daraus entstandene Film in der Ausstellung "Nature and State" in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden zu sehen. Die große Gruppenschau, an der unter anderen auch Olga Chernysheva, Will Fredo und Ersan Mondtag beteiligt sind, beschäftigt sich mit Staatenlosigkeit, Ungehorsam und den Beziehungen zwischen Zukunft und Vergangenheit.
"Nature and State", Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 9. Juli bis 16. Oktober
Künstler-Festival
In Karlsruhe leben und arbeiten viele Künstlerinnen und Künstler, sowohl die Kunstakademie als auch die Hochschule für Gestaltung sind Zentralen für Kreativität, und es gibt eine kleine, aber vitale freie Szene. Was einerseits für eine interessante und diverse Stadtlandschaft sorgt, bedarf aber, wie in jeder größeren Stadt, auch den entsprechenden Strukturen. Ausstellungsräume – und vor allem Ateliers – sind sehr gefragt und schwer zu bekommen. Damit schwinden auch die Möglichkeiten des selbst organisierten Verkaufs. Ein neues Kulturzentrum in Karlsruhe-Bulach geht genau auf diese Problemlage ein. P8 bietet Räume für Ausstellungen und eine Freifläche für einen Skulpturenpark und Konzerte. Außerdem beherbergt die Kulturlocation P8 Künstlerateliers, was dringend nötig ist, seit das Atelierhaus am Bahnhof schließen musste und auch die Produzentengalerie nicht verlängert wurde. Anlässlich der Art Karlsruhe wird das P8 zu einem Festival einladen. Die Karlsruher können einen neuen Ort der Kreativität kennenlernen, der sich für drei Tage den sympathischen Namen "Zart Karlsruhe" gegeben hat. Und die zugereisten Gäste können zusätzlich zur Messeluft auch ein bisschen AtelierAtmosphäre schnuppern. Künstlerinnen und Künstler wie Boglárka Balassa, Nicole Daudert, Stanford Fata oder Georg Schweitzer & Das Änderungsatelier sind dabei und zeigen ihre Werke. Am Freitagabend zur Vernissage-Party legen DJ Marti Guß und Roger Waltz auf, Samstag ab 14 Uhr kann man im Freien Skulpturen und Stände besuchen, abends gibt es eine Afrobeat-Party, Sonntag eine Podiumsdiskussion, um 16 Uhr wird dann Kunst versteigert. Support your local art space!
"Zart Karlsruhe“, Kulturzentrum P8, Schauenburgstr. 5, Karlsruhe-Bulach, 8. bis 10. Juli
Raum und Gedächtnis
Berühmt wurde Ben Willikens mit großformatigen Grisaillen – also Grauton-Gemälden – von fiktiven Räumen. Das Schauwerk Sindelfingen gibt nun mit über 100 Werken einen Überblick über das Schaffen des Künstlers, angefangen mit selten gezeigten surrealen Zeichnungen der 1960er bis zu einer Werkgruppe, an der Willikens seit dem Lockdown 2020 arbeitet. Ein Highlight der Soloschau ist das "Abendmahl" (1976/79), eine Leonardo-Variation in Schwarz-Weiß ohne heiliges Personal.
Schauwerk Sindelfingen, bis 12. Februar 2023
Aus Spiel wird Kunst
Im Museum darf man selten Exponate anfassen. Spielen ist schon gar nicht erlaubt. Anders in der Gruppenschau „Aus Spiel wird Kunst“ im Museum Ritter in Waldenbuch. Präsentiert werden Werke von Jessica Centner, Jacob Dahlgren, Jeppe Hein, Ingeborg Lüscher oder Timm Ulrichs, die den Aktions- und Gestaltungswillen des Publikums ansprechen. Und immerhin teilweise darf die Kunst hier berührt und verändert werden. Restaurator ärgere Dich nicht.
Museum Ritter, Waldenbuch, bis 18. September
Moved by Schlemmer
Bis heute fasziniert das experimentelle "Triadische Ballett", das Oskar Schlemmer in Zusammenarbeit mit einer Tänzerin und einem Tänzer entwickelte. Im September 1922 wurde das Gesamtkunstwerk im Württembergischen Landestheater in Stuttgart vollständig aufgeführt. An der dortigen Staatsgalerie werden die historischen Figurinen des Balletts nun in eine Präsentation aus Installationen von zeitgenössischen Künstlerinnen eingebettet: Ulla von Brandenburg, Kalin Lindena und Haegue Yang sind "Moved by Schlemmer".
Staatsgalerie Stuttgart, bis 9. Oktober