Art Week in Berlin
Mit mehr als 70 Ausstellungseröffnungen startet das Festival, bei dem die Kunstszene der Hauptstadt zum 13. Mal internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. In mehr als 100 Museen und Ausstellungshäusern, Privatsammlungen sowie Projekträumen und Galerien ist zeitgenössische Kunst zu sehen.
Insgesamt gibt es laut Veranstalter bis zum Sonntag mehr als 300 Veranstaltungen mit internationalen Größen sowie aufstrebenden Berliner Talenten. Der Festivaltreffpunkt "BAW Garten" ist in diesem Jahr am Gropius Bau zu Gast und lädt zu einem kostenlosen Programm unter freiem Himmel ein. Fotografin Candida Höfer stellt in der Akademie der Künste aus, Künstlerin Mariechen Danz in der Berlinischen Galerie und Werke von Sigmar Polke (1941-2010) sind im Schinkel Pavillon zu sehen.
Für Kultursenator Joe Chialo (CDU) ist das fünftägige Festival "der Fixstern am Himmel des Berliner Kunstkalenders". "Die wunderbare Mischung der Szene ist es, die Berlin zu einer der wichtigsten, vielfältigsten und spannendsten Kunstmetropolen der Welt macht." Aus Sicht von Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) trägt die Art Week "vor allem durch die große Bandbreite und einzigartige Mischung" zu Berlins Ruf als internationale Kunstmetropole bei. (dpa)
Berlin Art Week, verschiedene Orte, bis 15. September, die Ausstellungen sind auch danach noch zu sehen
Calla Henkel und Max Pitegoff in Berlin
Party, Theater und Kunst fließen bei den Projekten von Calla Henkel und Max Pitegoff ebenso ineinander wie Wodka und Tonic, produktives Machen und kollektives Abhängen. In Berlin betrieben sie die Times Bar, das New Theater und die TV Bar, nach ihrer Übersiedelung nach Los Angeles eröffneten sie das New Theater Hollywood. Es dient als Aufführungsort für Performances, Ausstellungen, Lesungen – und ist zugleich semifiktionaler Schauplatz für einen parallel entstehenden Episodenfilm, dessen erste drei Teile jetzt bei Fluentum Premiere feiern.
"Calla Henkel & Max Pitegoff: Theater", Fluentum, Berlin, bis 14. Dezember
Danielle Brathwaite-Shirley in Berlin
Anschauen ist nicht genug – bei Danielle Brathwaite-Shirley wird das Publikum zum künstlerischen Medium. Beim Betreten ihrer an frühe Play-Station-Spiele erinnernden immersiven Installation "You can’t hide anything" erhalten Besucher eine Spielmarke, mittels derer sie über den Fortgang und Verlauf des Spiels entscheiden – und so mit ihrer Wahrnehmung, Vorurteilen und Entscheidungsprozessen konfrontiert werden. Neben der zweiteiligen Neuproduktion gibt die Schau einen Überblick zu Brathwaite-Shirleys Videospielen der vergangenen fünf Jahre.
"Danielle Brathwaite-Shirley. The Soul Station. Episode 2: Are you soulless too?", LAS Art Foundation, Halle am Berghain, Berlin, bis 13. Oktober
Internationale Galerien in Berlin
Eine Ausstellung, vier Künstlerinnen, vertreten von vier internationalen Galerien: Das ist das neue Format "Suite Berlin", das zur Berlin Art Week sein Debüt feiert. Die Galerien Ropac, Mendes Wood DM, Mariane Ibrahim und Pace präsentieren ihre Künstlerinnen Qiu Xiaofei, Sonia Gomes, Valie Export und Zohra Opoku in einer Pop-up-Show in der privaten Atmosphäre eines Berliner Townhouses. Alle Künstlerinnen kommen persönlich zu Talks in die Stadt – unter den Moderatorinnen der Gespräche ist auch Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr.
Suite Berlin, bis 20. September, Voranmeldung über diese E-Mail Adresse: suiteberlin@art-beats.de
Laura Huertas Millán und Sarker Protick in Berlin
Premiere im C/O Berlin: Erstmals und in Kooperation mit der Crespo Foundation wird dort der After Nature Prize verliehen, der den unübersehbaren Auswirkungen der Klimakrise nachspürt. Das erste Preisträgerpaar, Laura Huertas Millán aus Kolumbien und Sarker Protick aus Bangladesch, wird mit einer Doppelausstellung gewürdigt. Parallel sind im Fotoforum Werke von Fotoschaffenden der Ostkreuz-Agentur aus dem Berlin der 1990er zu sehen, als man noch optimistisch-verstrahlter in die Zukunft schaute. Titel der Schau: "Träum weiter".
"After Nature Prize: Laura Huertas Millán/ Sarker Protick" sowie "Träum weiter - Berlin, die 90er", C/O Berlin bis 22. Januar 2025
Rohini Devasher in Berlin
Für eine wissenschaftliche Disziplin tappt die Astronomie ziemlich oft im Dunkeln. Phänomene wie schwarze Löcher oder dunkle Materie etwa sind nicht sichtbar und können nur durch ihre Gravitationswirkung auf andere Objekte wahrgenommen werden; auch der Mond „leiht“ sich sein Licht nur von der Sonne. Mit "Borrowed Light" erkundet die 1978 geborene indische Künstlerin Rohini Devasher – aktuelle "Artist of the Year" der Deutschen Bank – neue Formen des spekulativen Geschichtenerzählens zwischen Wissenschaft, Kunst und Philosophie. Im Zentrum der Schau steht ein Vierkanalfilm, der sich auf über 100 000 Sonnenbilder stützt, die über 120 Jahre hinweg im Observatorium von Kodaikanal in Südindien dokumentiert wurden.
"Rohini Devasher: Borrowed Light", Palais Populaire, Berlin bis 10. März 2025
Isaac Chong Wai in Berlin
In der Berliner Zilberman Gallery präsentiert Isaac Chong Wai "Falling Carefully". Die neue Ausstellung ist emotional, es geht um Widerstand, Gegensätzlichkeit und Kollektivität. Wai wurde mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Gerade ist seine Videoinstallation sowie die gleichnamige Performance "Falling Reversely" in Venedig auf der Biennale zu sehen, nun ist das Werk auch ein Ausgangspunkt seiner aktuellen Schau in Berlin. Die Performance dreht sich um institutionelle und rassistische Gewalt, die sich insbesondere in Zeiten der Pandemie gegen die asiatische Diaspora richtete. Zu sehen sind außerdem weitere Videoinstallationen, Performances und Skulpturen.
Die Bilder aus der Reihe "Rehearsed, Mirrored" erinnern an Spiegel, die in Tanz-Proberäumen hängen könnten und sind übersät mit eingeritzten Figuren in Bewegung. Der Körper nehme so neue Formen an, werde unsterblich, sagt Isaac Chong Wai, wobei der Begriff "Körper" auch hier abstrakt verstanden werden könne. Ihn könne man, genauso wie Prozesse des Fallens, auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene einordnen. Der in Hongkong geborene Künstler experimentiert mit seinem Spiegelbild und lässt so neue Bildwelten entstehen.
Isaac Chong Wai "Falling Carefully", Zilberman Gallery, Berlin, bis 16. November, Performances werden am Samstag, 14. September, um 16 Uhr und 17.30 Uhr gezeigt
Pier Paolo Pasolini in Berlin
Über sein Werk "Porcile" sagte Pier Paolo Pasolini einmal: "Die vereinfachte Botschaft des Films ist folgende: Die Gesellschaft, jede Gesellschaft, frisst ihre ungehorsamen Kinder." Als unabhängiger Marxist, bekennender Homosexueller und unerbittlicher Fortschrittskritiker hatte der Regisseur und Dichter im Nachkriegsitalien stets Anstoß erregt; er wurde verehrt, verhöhnt, vor Gericht gezogen; 1975 wurde er unter nie ganz geklärten Umständen ermordet. Der N.B.K. rekonstruiert anhand originaler Fotografien, Filme, Zeitungen und Kostüme den "corpo" Pasolini, der zwischen Zensur und Diskriminierung die Sehnsucht nach dem Leben beschwor.
"Pier Paolo Pasolini. Porcili", Neuer Berliner Kunstverein, Berlin bis 10. November
Superhelden in Düsseldorf
Batman, Wonderwoman, Thor, Captain America, oder Superman - dem Kosmos dieser und weiterer Superheldinnen und -helden im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse widmet sich eine Ausstellung im Düsseldorfer NRW-Forum. Unter dem Titel "Superheroes" werden bis zum 11. Mai 2025 Comic-Hefte, Originalskizzen berühmter Zeichner, lebensgroße Skulpturen, Action Toys und Filmszenen präsentiert. 1600 Exponate sind Teil der Schau, wie das Museum mitteilte.
In insgesamt elf Themenbereichen werde die Vielfalt des Genres präsentiert, von Mythen und Blockbustern über Manga und Anime bis hin zu Politik und Propaganda, hieß es. Vor dem Hintergrund der Entstehung der ersten Superhero-Geschichten in den 1930er-Jahren in den USA spannt die Ausstellung einen Bogen von der griechischen Mythologie über literarische Vorläuferfiguren wie Zorro bis zu Gründung der großen Comicverlage Marvel und DC.
Eines der Highlights der Ausstellung ist ein Nachbau des Batmobil. Daneben präsentiert das NRW-Forum 150 limitierte Statuen der bekanntesten Superheldinnen und -helden, darunter lebensgroße Figuren wie Spider-Man und Batman sowie Hunderte limitierte Sammler-Figuren in einer Ahnengalerie. Ergänzend dazu werden Werkzeuge wie Thors Hammer sowie Capes oder Masken gezeigt, die den Charakteren ihre Superkräfte verleihen.
Neben historischen Heldenfiguren und bekannten Superheldinnen und -helden werde die Schau auch auf die neuesten Entwicklungen des popkulturellen Genres blicken, erklärte der künstlerische Leiter des NRW-Forums und Kurator der Ausstellung, Alain Bieber. Dem in Düsseldorf geborenen Comic-Zeichner Nic Klein, einem von nur drei Marvel-Zeichnern in Deutschland, widmet die Ausstellung einen eigenen Raum mit seinen Originalzeichnungen für die Comicverlage Marvel und DC, darunter Hulk, Thor, Captain America oder Punisher. (dpa)
"Superheroes", NRW-Forum, Düsseldorf, bis 11. Mai 2025
Kunst und Haare in Essen
Haare sind ein äußerst wichtiges Ausdrucksmittel, das wissen nicht nur Teenager und ihre Eltern. Über Frisuren drücken wir Zugehörigkeit oder Abgrenzung aus, jenseits von Schönheitsbegriffen auch durchaus politisch oder religiös. Die Ausstellung in Essen zeigt Kunstwerke und visuelle Inszenierungen zum Thema mit eher klassischen Beiträgen von Diane Arbus oder Helmut Newton. Positionen wie von Hoda Afshar, Thandiwe Muriu oder Maria Tomanova stellen außerdem Haare als Mittel des Widerstands und der Emanzipation dar. Konzepte von Männlichkeit oder Weiblichkeit werden offenbar, queerfeministische, körperpolitische und postkoloniale Aspekte kommen zum Tragen.
Die wichtigste Komplizin dabei – und auch hier passt der Standort Essen – ist die Fotografie. Hier kann das Museum Folkwang aus dem Vollen schöpfen, die Ausstellung vereint spannende historische Positionen zum Thema Haare mit zeitgenössischer Fotokunst, zum Beispiel von Anna Ehrenstein oder Wolfgang Tillmans.
"Grow it, show it", Museum Folkwang, Essen, 13. September bis 12. Januar 2025
Albert Oehlen in Hamburg
Die Hamburger Kunsthalle zeigt bis zum 2. März eine Ausstellung mit 22 großformatigen "Computerbildern" des Malers Albert Oehlen. Die ersten Computerbilder malte Oehlen Anfang der 1990er Jahre, eine zweite Serie in den frühen 2000er Jahren. Grundlage war ein 1990 gekauftes Notebook, auf dem die ersten Zeichnungen entstanden, die der Maler auf Leinwand übertrug, wie die Kunsthalle mitteilte. "Die von der Technik diktierte Ästhetik der Bildschirmoberfläche wurde zu einem folgenreichen Ausgangspunkt für einen Werkkomplex, der bestimmt wird von der farblichen Kargheit eines schwarzen Linien- und Chiffrengeflechts auf weißem Grund und dessen fantastisch wuchernder Formenvielfalt", hieß es.
"Angesichts der Debatte um Künstliche Intelligenz sind die Computerbilder nicht nur ästhetisch aufregend gegenwärtig, auch reflektiv lassen sich aus der künstlerischen Auseinandersetzung Oehlens mit dem Computer ergiebige Schlüsse ziehen", sagte Kurator und Kunsthallen-Direktor Alexander Klar. "Der Computer bleibt immer ein Hilfsmittel, er kann weder selbst als Autor tätig werden, noch kann er eigenständig Ergebnisse erzielen, wenn der Mensch ihn nicht bedient und seine Möglichkeiten kreativ für sich nutzbar macht."
Albert Oehlen wurde 1954 in Krefeld geboren. Von 1978 bis 1981 studierte er bei Sigmar Polke an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Etliche Werke sind in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie Werner Büttner, Georg Herold, Martin Kippenberger oder auch Jonathan Meese entstanden. Mittlerweile lebt und arbeitet der 69-Jährige in Gais in der Schweiz. (dpa)
Albert Oehlen "Computerbilder", Hamburger Kunsthalle, bis 2. März 2025
Pacific Standard Time in Los Angeles
Pacific Standard Time (PST) ist eigentlich nur der Fachausdruck für die Zeitzone, die sich von Westkanada bis Westmexiko zieht. Spätestens seit 2012 steht der Terminus für einen kulturellen Geltungsanspruch. Mit einem gigantischen Ausstellungsverbund gleichen Namens setzte der J. Paul Getty Trust in Los Angeles damals die Kunst der US-amerikanischen Westküste demonstrativ auf die Weltkarte.
Wenn am 15. September in Los Angeles die inzwischen dritte Ausgabe eröffnet, geht es um nicht weniger als die Zukunft des Planeten. "PST ART" ist das größte amerikanische Kunstereignis, unter dem Titel "Art & Science Collide" präsentieren die südkalifornischen Institutionen von San Diego bis Santa Barbara diesmal mehr als 50 Ausstellungen zu den "drängendsten Problemen unserer Zeit": Klimawandel, Umweltgerechtigkeit und AI. 20 Millionen US-Dollar machte allein der Hauptsponsor Getty für Stipendien zur Vorbereitung locker.
Vom Los Angeles County Museum of Art über das Hammer Museum bis zum California Institute of Technology werden Arbeiten und Projekte von der Kosmologie, der Biotechnologie über den Ökofeminismus, den Cyberpunk bis zur Science-Fiction präsentiert. Zu sehen sein werden Zeichnungen der australischen Ureinwohner ebenso wie abstrakte Malerei aus dem 20. Jahrhundert oder Computerkunst der 1960er-Jahre. Mehr als 800 Künstlerinnen und Künstler nehmen teil. Zu den 40 aus Deutschland zählt neben Olafur Eliasson im MOCA in Los Angeles die 1974 in Berlin geborene Beatriz da Costa. Die Municipal Art Gallery in Los Angeles widmet der legendären interdisziplinären Künstlerin an der Schnittstelle von Gegenwartskunst, Computerwissenschaft und Politik, die an der University of California lehrte, die Retrospektive "(un)disciplinary tactics".
Der US-Installationskünstler Mark Dion errichtet im Naturkundemuseum La Brea Tar Pits die riesige Skulptur eines versteinerten Rudelrattenskeletts aus organischem und Kulturmüll. Das Museum The Broad, im Besitz einer der vollständigsten Sammlungen von Öko-Guru Joseph Beuys’ seriellen Objekten, lässt im Rahmen der Ausstellung "In Defense of Nature" gemeinsam mit Getty sein Konzept der sozialen Plastik in Gestalt der Kasseler Aktion "7000 Eichen" aufleben. So wird am Pazifik die mythische Altlast Deutscher Wald zum Geburtshelfer eines neuen Zeitalters der Nachhaltigkeit.
Pacific Standart Time, in und um Los Angeles in verschiedenen Institutionen, bis 16. Februar 2025
Die Wiener Messelandschaft war in den letzten Jahren recht bewegt, mit zahlreichen Leitungs- und Location-Wechseln, Neugründungen und Wiedereinstellungen. Wer jetzt etwas startet, sollte also durchaus etwas Besonderes im Sinn haben vielleicht heißt das neue Format, das im September parallel zur Vienna Contemporary sein Debüt feiert, ja deshalb Particolare. In der suggestiven Location des Wiener Kursalons präsentiert sich die Particolare als Messe im Salonformat mit inhaltlichem Anspruch: Statt Messekojen wird hier eine Ausstellung zum Thema Zeit und Bewegung gezeigt, mit Werken von Francis Alÿs, Alicja Kwade, Michelangelo Pistoletto und anderen. Knapp 20 internationale Galerien sind beteiligt, darunter Pace Gallery, Mennour, Esther Schipper und Lisson Gallery.
Particolare, Kursalon Wien, bis 15. September