Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Leverkusen, München, Troyes, Wien, Wetzlar, Wuppertal und Zürich


Project Space Festival in Berlin

Wie ist es, wenn man nur 24 Stunden Zeit hat, um sich über Kunst und Geist zu wundern und inspirieren zu lassen? Diesem Konzept folgt das 2014 gegründete Project Space Festival und rückt interessante Orte des kreativen Berlins in den Fokus. In dem einmonatigen Programm sind in unterschiedlichen Locations Ausstellungen, Konzerte und Performances zu sehen, für jeweils 24 Stunden. An diesem Wochenende neigt sich das Festival dem Ende zu, bietet aber noch einmal ein Rund-um-die-Uhr-Programm. 

Am Samstag lädt Grotto am Hansaplatz zum Softeis ein, wobei die stündlich wechselnden Eisausgeber allesamt Kunst- und Kulturschaffende sind. Neben dem Eis wird es verschiedene Performances mit anschließenden Artist-Talks geben. Am nächsten Tag schließt The Watch das diesjährige Festivalprogramm mit dem Screening "Sousveillance" am Flutgraben ab, kuratiert von Senem Aytaç. Gezeigt werden drei Essayfilme: "Forensickness" von Chloé Galibert-Laîné', "March 8, 2020: A Memoir und Ayhan" von Fırat Yücel und Aylin Kuryel's (ImageActs) und "M" von Belit Sağ. In allen Filmen wird gefragt, wie es wäre, wenn die staatlichen Überwacher von der Gesellschaft überwacht werden – und nicht andersherum.  

Project Space Festival, verschiedene Orte, Berlin, bis Sonntag, 30. Juni


Heimatgefühle in Leverkusen 

"Es gibt kein Wort, das sagen könnt, was ich fühl …, wenn ich an meine Heimat denk", singt die Kölner Band Lokalpatrioten. Eine Ausstellung im Museum Morsbroich in Leverkusen, die ins Jahresprojekt "Das Hiergelände" eingebunden ist, beschäftigt sich mit Fragen von Verwurzelung und Gemeingut, mit Angekommen- und Fremdsein, aber auch mit der Bedeutung eines Museums an Ort und Stelle. Zwei der Teilnehmenden, Zoya Cherkassky und Yevgenia Belorusets, stammen aus der Ukraine. Außerdem sind Werke der Dortmunder Künstlerin Jody Korbach, des Türken Ahmet Doğu İpek und der aus Usbekistan stammenden Videokünstlerin Ira Eduardovna zu sehen. 

"Es gibt kein Wort...Annäherungen an ein Gefühl", Museum Morsbroich, Leverkusen, bis 25. August


40 Jahre P1 in München 

Die Scorpions tauchten in Fransenlederjacken auf und wurden an der Tür abgewiesen, und als sie dann meinten: "Aber wir sind doch die Scorpions!", antwortete der Türsteher nur: "Ja, eben drum." Über das P1, Münchens berühmtesten Nachtclub, kursieren viele unterhaltsame Anekdoten – über die strenge Tür und die Abgewiesenen, und mehr noch über jene Menschen, die reinkamen. Zu Anfangszeiten in den 1980ern tanzten hier Mick Jagger, Freddie Mercury oder Prince; Whitney Houston gab im P1 ihr allererstes Konzert in Europa; Tina Turner feierte eine Geburtstagsparty – München war damals, nicht zuletzt dank des Produzenten Giorgio Moroder, heimliche Szenehauptstadt. Später und bis heute kommen Fußballer des FC Bayern und Models, Schickeria und Raver, Stars und Sternchen auf die Tanzfläche.

Nebenbei ist das P1 der vermutlich einzige Club, der sich das Dach mit einem Ausstellungshaus teilt – und dort, im Haus der Kunst nämlich, feiert man den 40. Geburtstag des P1 jetzt mit einer Ausstellung. Auf Archivmaterial basierend, bietet "Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1" eine immersive Erfahrung, untersucht das minimalistische Clubdesign des Mailänder Designers Matteo Thun, lässt Besucher zu Wort kommen, zeigt den Club als Ort des Begegnens und Begehrens. Und die Türpolitik ist sicherlich entspannt.

"Glamour und Geschichte. 40 Jahre P1", Haus der Kunst, München, bis 23. Februar 2025

Queen (v.l. Roger Taylor, Brian May, Freddie Mercury, John Deacon) aufgenommen am 13. August 1984 auf der Terrasse des Haus der Kunst
Foto: Queen (v.l. Roger Taylor, Brian May, Freddie Mercury, John Deacon) aufgenommen am 13. August 1984 auf der Terrasse des Haus der Kunst © picture alliance / Fryderyk Gabowicz

Queen (v.l. Roger Taylor, Brian May, Freddie Mercury, John Deacon) aufgenommen am 13. August 1984 auf der Terrasse des Haus der Kunst


Warhol und Haring in München

Der US-Künstler Keith Haring und der 30 Jahre ältere Pop-Art-Künstler Andy Warhol sind Freunde gewesen - nun widmet das Museum Brandhorst in München ihnen eine gemeinsame Ausstellung. "Warhols poppige Bilder oder Harings tanzende Figuren sind Teil unseres kollektiven Bildgedächtnisses und in Werbung, Mode, Musik und Film bis heute allgegenwärtig", erläuterte das Museum. Beide hätten sich von einem elitären Kunstbegriff distanziert, mit dem Kommerz geflirtet und die Vorstellungen von Kunst und ihrer Verbreitung revolutioniert. "Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life" ist bis zum 26. Januar 2025 zu sehen. 

Kennengelernt hatten sich Warhol (1928-1987) und Haring (1958-1990) in New York, in der Kunst- und Clubszene. Für Haring sei Warhol ein Vorbild gewesen, da er es geschafft habe, Kunst aus dem Galerie- und Museumsraum herauszuholen und in alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu tragen, von Mode über Musik bis hin zu Alltagsgegenständen, sagte Museumsdirektor Achim Hochdörfer. "Umgekehrt sah Warhol in Haring einen jungen Künstler, der seine Errungenschaften in die nächste Generation weiterträgt." 

Die Ausstellung spürt der Freundschaft nach, zeigt Parallelen und gemeinsame Projekte auf und dreht sich um Themen wie Musik, Lifestyle, Mode, Party, Sexualität und Politik. "Der Spirit der 1980er Jahre in New York wird spürbar, und das nicht nur für diejenigen, die die Zeit selbst miterlebt haben, sondern auch für junge Menschen", so Hochdörfer, dessen Museum nach eigenen Angaben mit mehr als 120 Werken die größte Warhol-Sammlung in Europa besitzt. Neben eigenen Beständen sind Leihgaben zu sehen und Projekte mit anderen Kunstschaffenden wie Joseph Beuys, Yoko Ono oder Vivienne Westwood. 

Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) nannte die Schau eine kreative Explosion. Besucherinnen und Besucher erwarte ein spektakulärer Streifzug durch das Werk der beiden Künstler, ihre New Yorker Lebenswelt und den Kosmos der Kunst- und Clubbingszene im Big Apple der 1980er Jahre. (dpa)

"Andy Warhol & Keith Haring. Party of Life", Museum Brandhorst, München, bis 26. Januar 2025

Keith Haring "Untitled (Self Portrait)", 1985
Foto: © The Keith Haring Foundation. Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München

Keith Haring "Untitled (Self Portrait)", 1985


Notre-Dame-Glasfenster in Troyes 

Sie wurden 1939 entfernt und teilweise in Kisten nach dem Großbrand der Pariser Notre-Dame vor fünf Jahren wiederentdeckt. Glasfenster, die jahrelang für Polemik sorgten. Denn sie galten mit ihrer Farblichkeit und Darstellung als zu modern. Im Zentrum für Glasmalerei in Troyes (Cité du Vitrail) im Nordosten Frankreichs ist ein Teil der Werke nach über 80 Jahren nun erstmals zu sehen - bis zum 5. Januar 2025 unter dem Titel "Notre-Dame de Paris: Der Glasmalerei-Streit". 

Sie sind in kräftigen Farben gehalten und figurativ und erinnern in ihrem Stil an den Kubismus: Arbeiten von zwölf Glaskünstlern, wie die Fensterrose von André Rinuy oder das überhöhte Spitzbogenfenster von Jean Hébert-Stevens, das den heiligen Martin stark schematisiert darstellt. Sie sollten vor über 80 Jahren die schlichten, überwiegend in Grau, Weiß und Schwarz gehaltenen Grisaille-Malereien ersetzen. Das Projekt löste über mehrere Jahre hinweg heftige Debatten über zeitgenössische Kunst in historischen Denkmälern aus. Eine Debatte, die mehr als 80 Jahre später wieder hochaktuell geworden ist. Am 8. Dezember 2023 kündigte der französische Präsident Emmanuel Macron die Installation zeitgenössischer Glasfenster in der Notre-Dame ein. Seitdem ist eine Petition gegen das Projekt im Umlauf.

Das umstrittene, in Troyes illustrierte Projekt war 1935 entstanden, wie Nicolas Dohrmann, Generalkurator für Kulturerbe und Direktor der Cité du Vitrail, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Es sei von Anfang an auf Kritik gestoßen, doch sei es vor allem ab dem Zeitpunkt, an dem sie ab Dezember 1938 angebracht worden seien, zu einem Aufschrei gekommen. Im Jahr 1939 wurden sie entfernt, unter anderem auch um sie vor dem Krieg zu schützen. Nur einer der Glasmacher-Meister, Jacques Le Chevallier, wagte es, seine modernen Werke 1956 erneut zu installieren. Jedoch nur für kurze Zeit. Wieder gab es Anfeindungen. Le Chevallier gab auf und entwarf später schlichte Grisaille-Werke. Sie haben den Großbrand im April 2019 überstanden. (dpa)

"Notre-Dame de Paris: Der Glasmalerei-Streit", Cité du Vitrail, Troyes, bis zum 5. Januar 2025

In der Werkstatt Vitrail-France wird das Fenster "Rose du Credo" (Rose des Glaubensbekenntnisses) von Jean Hébert-Stevens aus der Kathedrale Notre Dame restauriert
Foto: Corentin Péchiné/Département de l'Aube/dpa

In der Werkstatt Vitrail-France wird das Fenster "Rose du Credo" (Rose des Glaubensbekenntnisses) von Jean Hébert-Stevens aus der Kathedrale Notre Dame restauriert


Bryan Adams in Wetzlar 

Berühmter Musiker und leidenschaftlicher Fotograf - Bryan Adams (hier im Interview) vereint beides in einer Person. In Wetzlar wurde nun eine Ausstellung mit Fotografien des 64-jährigen Kanadiers in seinem Beisein eröffnet. Die Schau in der Leica-Welt in Wetzlar mit dem Titel "Exposed" zeigt nach Angaben eines Unternehmenssprechers 86 Arbeiten aus vier Serien und eine Video-Installation und gibt einen Einblick in Adams' fotografisches Schaffen. Zu sehen sind auch Werke, die erstmals in Deutschland präsentiert werden.

Berühmte Persönlichkeiten wie Amy Winehouse, Mick Jagger oder Königin Elizabeth II. hat Adams ebenso porträtiert wie kriegsversehrte britische Soldaten nach Einsätzen in Afghanistan oder Irak. In der Serie "Homeless" beschäftigte sich der Sänger, Songwriter und Produzent mit Menschen am Rande der Gesellschaft, die er in London als Verkäufer eines Obdachlosenmagazins auf der Straße traf. 

Einen Eindruck von der Wandlungsfähigkeit seines Schaffens können sich die Besucher des Ernst Leitz Museums in der Wetzlarer Leica-Welt machen, dem Hauptsitz des Kameraherstellers Leica Camera AG. Dort ist die Ausstellung bis 22. September zu sehen.

"Exposed", Leica-Welt, Wetzlar, bis 22. September


Angelika Loderer in Wien 

Sie interessiert sich für den Untergrund, die Geschichten, die im Boden lauern, die Spannung zwischen Flüchtigkeit und 
Permanenz. Zur Praxis der 1984 in der Steiermark geborenen Bildhauerin Angelika Loderer gehört der Dialog mit nicht menschlichen Lebewesen. Loderer eignet sich von Tieren generierte Höhlen und Gänge als Gussformen an oder nutzt die Wachstumsprozesse von Pilzmyzel als gestaltendes und materialveränderndes Element. Loderers neue Installation im Wiener Belvedere 21 kreist um ein posthumanistisches Miteinander der Kreaturen. 

"Soil Fictions", Belvedere 21, Wien, bis 15. September


Amanda Coogan in Wuppertal

Viele Menschen haben Berührungsängste mit Kunst, zu verkopft, zu elitär sei sie. Hier setzt die Performancekünstlerin Amanda Coogan an und verwandelt die Innenstadt Wuppertals in ein interaktives Kunstfestival. "con\temporary Wuppertal" umfasst zehn Long-Duration-Performances, die von einer dreimonatigen Open-Air-Ausstellung mit metergroßen Fotografien ergänzt werden. Dadurch soll Kunst für alle zugänglich gemacht werden, ohne Kosten und Anmeldung. Nicht nur die Besucher werden aus ihrer Komfortzone gelockt, auch die Irin präsentiert ihre Performance-Art erstmalig in einem ungeschützten Raum. Für Marina Abramovićs Meisterschülerin jedoch mehr Chance als Hürde, da das Publikum für sie immer Teil der Kunstwerke ist. Die bei Coogan entstehende Stille lädt dabei vom schnellen Konsumwahn der Großstadthektik in die bewusste Entschleunigung ein.

"Con\temporary Wuppertal", verschiedene Orte in Wuppertal, 29. Juni bis 30. September


Digital Natives in Zürich

Im Kunstatelier nach der Jahrtausendwende hängen immer seltener Ölfarbgeruch oder Steinstaub in der Luft. Dafür ist die Computertechnik eingezogen – auch im Museum. Im Kunsthaus Zürich, das eine der größten Medienkunstsammlungen der Schweiz beherbergt, widmet sich die Ausstellung "Born Digital" dem digitalen Wandel in der Kunst. Frühe Beispiele sind Yves Netzhammers und Bjørn Melhus’ schon mit CGI-Technik geschaffene Videoarbeit "Die umgekehrte Rüstung" von 2002 oder die Drei-Kanal-Videoinstallation "A Woman Under the Influence – To Cut a Long Story Short" (2003) von Tatjana Marušić. Weitere Arbeiten stammen von Christoph Büchel, Rita McBride, Diana Thater oder Zilla Leutenegger. 

"Born Digital", Kunsthaus Zürich, bis 29. September