Jeff Wall hat in seiner Fotografenkarriere bisher nur rund 170 Fotos veröffentlicht. Wobei die skrupulöse Produktionsweise den mageren Output erklärt. Trotz ihres Schnappschusscharakters sind Walls meist großformatige Tableaus durchdacht aufgebaut und komponiert, es gibt keinen Zufall darin.
Seit den späten 1970ern hat der Kanadier dazu beigetragen, die Fotografie als autonomes Medium zu etablieren. Wall, der als Begründer der "inszenierten Fotografie" gilt, lässt sich von Alltagserlebnissen und Kunstgeschichte gleichermaßen inspirieren und setzt die Bilder aus zahlreichen Einzelaufnahmen kunstfertig zusammen.
Anfang der 1980er-Jahre schuf der Künstler eine Reihe von Fotografien, die sich dem Alltag am Rand der Gesellschaft widmen. Viele der Bilder sind Vorkommnissen nachempfunden, die Wall beobachtete und anschließend mit Laiendarstellern adaptierte und neu inszenierte.
Bei "Milk" (1984) verwandelt die raue, unpersönliche Geometrie des Hintergrunds die Szene in eine Bühne. Die angespannte Haltung des Mannes und die Explosion der Flüssigkeit destillieren Gewalt und Wut. Das eingefrorene Bild reißt die Figur aus der Zeit und macht sie zu einem statisch fixierten Symbol der Not.
Etwa 55 Werke versammelt die Fondation Beyeler in der Retrospektive, darunter Diapositive in Leuchtkästen sowie Schwarz-Weiß-Fotografien und Farbfotodrucke. In jedem der elf Räume bilden neuere Werke einen thematischen und formalen Dialog mit bekannten frühen Stücken. Außerdem werden erstmals neue Werke öffentlich zu sehen sein.
"Jeff Wall", Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, 28. Januar bis 21. April, Vortrag von Jeff Wall am 28. Januar von 14-15 Uhr
Valie Export in Berlin
Die Künstlerin Valie Export hat die Öffentlichkeit ab den 60er Jahren immer wieder mit drastischen Performances provoziert - auch unter Einsatz des eigenen Körpers. "Ich habe nie einen Schaden gehabt", sagte die Österreicherin, die bürgerlich Waltraud Stockinger heißt, der Deutschen Presse-Agentur.
"Es ist nie um etwas Destruktives gegangen, oder Masochistisches." Stattdessen ging es in ihrer feministischen Kunst unter anderem um die Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper im Patriarchat, wie Kurator Walter Moser vom Wiener Albertina-Museum erklärt. Dort war die Ausstellung bereits im vergangenen Jahr zu sehen.
Darum geht es vornehmlich in der Ausstellung «Valie Export - Retrospektive», die am Samstag im C/O Berlin startet. Darunter: Fotografien und Filme, die ihre ikonischen Aktionen in der Wiener Fußgängerzone zeigen. Etwa mit einem "Tapp und Tastkino" ließ sie 1968 Menschen durch eine Box für zwölf Sekunden nach ihrer Brust greifen. Dabei sei es darum gegangen, den voyeuristischen Blick zu spiegeln: "Man musste beim Akt der Berührung der Künstlerin in die Augen schauen", so Moser.
Valie Exports liebstes eigenes Kunstwerk ist ihren Angaben nach in Berlin auch ausgestellt - die Installation "Fragmente der Bilder einer Berührung". 18 Glühbirnen heben und senken sich in drei verschiedene Flüssigkeiten.
"Retrospektive Valie Export",C/O, Berlin, bis 22.Mai, Eröffnung Freitag, 26. Januar, 20 bis 0 Uhr
Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank verbindet eine der unwahrscheinlichsten und zugleich schlüssigsten Freundschaften der Fotografiegeschichte. Sie trennte ein Altersunterschied von 30 Jahren, sie lebten in verfeindeten politischen Blöcken, durch die sich beide jedoch wie Außenseiter bewegten.
Frank, Sohn eines Deutschen und einer Schweizerin, erforschte mit europäischer Sensibilität den Seelenzustand der USA hinter den schillernden Fassaden des American Dream. Schulze Eldowy, geboren in Erfurt, beleuchtete im Ost-Berlin der späten 1970er und 1980er-Jahre die Schattenseiten des Lebens in der DDR. Mit Bildern, die so direkt, empathisch und ungestellt waren wie die ihres Idols Robert Frank und seiner New Yorker Kollegen Paul Strand, Diane Arbus oder Lee Friedlander.
Sie begegneten sich 1985 in Ost-Berlin, da hatte Schulze Eldowy durch ihre sozialdokumentarische Fotografie und ihre schonungslosen Aktporträts bereits Aufmerksamkeit auf sich gezogen (nicht zuletzt jene der Stasi, die sie mit jahrelangen Schikanen tyrannisierte), und Frank war längst eine weltweit anerkannte Größe.
Es war der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. 1990 ging Schulze Eldowy auf Einladung Robert Franks nach New York, die Stadt ihrer Träume.
Eine Ausstellung in der Akademie der Künste zeichnet jetzt den künstlerischen Weg Schulze Eldowys von Ost-Berlin nach New York nach, wo sie drei Jahre blieb und zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus dem Umfeld Franks kennenlernte, unter anderem dessen Ehefrau, die Malerin June Leaf, die Fotografen Ted Croner und Ann Mandelbaum, den Schriftsteller Allen Ginsberg und andere Vertreter der Beat-Generation.
Die Schau versammelt über 200 Fotografien der Künstlerin, mit vielen Reverenzen an Robert Frank und den Mythos New York, sowie Auszüge aus dem Briefwechsel zweier Persönlichkeiten, die über die Fotografie zu einer intensiven Freundschaft fanden.
"Halt die Ohren steif!" Gundula Schulze Eldowy und Robert Frank, Akademie der Künste, Berlin, bis 1. April
Omar Victor Diop in Berlin
Er arbeitet als Modefotograf und im Bereich der Design- und Porträtfotografie. Vor allem aber ist Omar Victor Diop Künstler, dessen Werke um Geschichte, Erfahrungen in der Diaspora und die Politik des Schwarzen Widerstands kreisen.
Diop, der 1980 im Senegal geboren wurde und heute vor allem in Paris lebt, inszeniert sich selbst in verschiedenen Rollen. Seine Fotos tragen Titel wie "Pedro Camejo", "Albert Badin“ oder "Ayuba Suleiman Diallo", die sich auf historische Persönlichkeiten aus dem 18. und 19. Jahrhundert beziehen. Alle drei Figuren stehen für die Geschichte der Sklaverei und die Emanzipation der ehemals Unterdrückten. Für das Porträt "Trayon Martins" griff der Künstler den Fall eines 17-jährigen Afroamerikaners auf, der 2012 von einem Rassisten erschossen wurde.
In seiner Soloschau im Fotografiska Berlin werden nun drei zentrale Werkgruppen des Künstlers gezeigt: Der Zyklus "Diaspora" umfasst die schon genannten Rollenporträts. Der Künstler übt darin eine Kontrolle über die Darstellung aus, die den ursprünglichen Subjekten solcher Bildnisse meist verwehrt war. "Liberty" trägt den Untertitel "A Universal Chronology of Black Protest" und besteht aus Diops Neuinterpretation historischer Revolten, von den Apartheidbewegungen in Südafrika über Bürgerrechtskampagnen in den USA. "Allegoria" befasst sich mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf den "globalen Süden".
Trotz der tragischen Hintergründe und teils bedrückenden Themen manifestiert sich in den Arbeiten der Stolz des Künstlers auf seine afrikanische Heimat. "Das Selbstporträt", sagt Diop, "ist für mich zu einer Möglichkeit geworden, historische Figuren zu verkörpern, die für aktuelle gesellschaftliche Diskussionen wichtig und relevant sind. Dadurch, dass sie alle mit dem selben Gesicht auftreten, werden sie zu einem Teil derselben menschlichen Armee, die für Fortschritt, Würde und Menschlichkeit eintritt. Für mich unterstreicht es die Tatsache, dass ich einer von ihnen hätte sein können. Mit meiner Arbeit erweise ich ihnen die Ehre".
"Omar Victor Diop", Fotografiska, Berlin, bis 21. April
CTM Festival in Berlin
Das CTM Festival für Kunst und Musik in Berlin geht in seine mittlerweile 25. Runde. Die Jubiläumsausgabe ist von Samstag (26. Januar) bis zum 4. Februar geplant.
An verschiedenen Orten des Berliner Nacht- und Kulturlebens, darunter der Techno-Club Berghain oder die Volksbühne, finden etwa Konzerte statt oder es werden Kunstinstallationen gezeigt, wie die Veranstalter mitteilten. Das Programm sei "jenseits aller Genregrenzen". Zu einem der Highlights gehöre ein Orgel-Konzert der Komponistin und Klangkünstlerin Kali Malone in der Gedächtniskirche.
"CTM-Festival", Berlin bis 4. Februar
Tanzfotos aus der DDR in Cottbus und Frankfurt (Oder)
Eine Ausstellung im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst widmet sich in den kommenden Monaten einem Stück DDR-Alltagskultur. Die Foto-Schau "Der große Schwof. Feste feiern im Osten" blickt auf die Vergnügungen in den 1980er-Jahren und auf die Art und Weise, diese zu begehen.
Vom kommenden Wochenende an bis zum 5. Mai werden im Dieselkraftwerk Cottbus und in der Rathaushalle Frankfurt (Oder) dazu mehr als 300 Fotografien von 31 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. Darunter sind nach Angaben des Landesmuseums Arbeiten von bedeutenden Fotografinnen und Fotografen wie Tina Bara, Ute Mahler, Roger Melis, Sibylle Bergemann und Harald Hauswald. Sie gelten mit ihrem besonderen Blick als Chronisten des Lebens in der DDR. Gezeigt werden neben bekannten und oft reproduzierten Fotografien auch zahlreiche neue und unbekannte Werke.
Die 1980er-Jahre in der DDR stehen nicht nur für eine Zeit, in der viele Menschen das Land verließen sondern auch für eine neue Generation, die die politischen Verhältnisse zunehmend hinterfragte. Feiern, Tanzen und Trinken galt als willkommenes Ventil für aufgestaute Energien, die aus Redeverboten oder Diskreditierungen erwuchsen. Jenseits aller Klischees vom grauen Osten zeigten die Arbeiten ein höchst überraschendes Stück Alltagskultur – lebendig, bunt und überraschend vielfältig, so das Landesmuseum.
Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen der Kunstsammlung Jena, der Kunsthalle Rostock und dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK). Dort ist auch die größte Sammlung von Kunst aus der DDR und nachfolgenden, künstlerischen Traditionslinien zu Hause.
"Der große Schwof Feste feiern im Osten. Von der Stadt aufs Land.", Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Cottbus und Rathaussaal, Frankfurt (Oder), bis 5. Mai
Artgenève in Genf
Eine Kunstmesse Ende Januar? Für die Artgenève perfekt. Denn so können die wohlhabenden Sammlerinnen und Sammler direkt von ihren Alpenchalets zur Messe kommen. Dass in und um die Bankenstadt am See durchaus genügend Kaufkraft vorhanden ist, hat die Artgenève bereits bewiesen – und ist so gut gemacht, dass sie auch das Publikum aus dem weiteren Umkreis anzieht.
Auch bei der zwölften Ausgabe, die vom 25. bis 28. Januar im Genfer Palexpo stattfindet und erstmals von Charlotte Diwan verantwortet wird, ist ein überzeugendes Line-up aus rund 70 Schweizer und internationalen Ausstellern zusammengekommen, mit Almine Rech, Eva Presenhuber, Perrotin, Templon, Thaddaeus Ropac, Mai 36 Galerie, Hauser & Wirth und anderen.
Die Museen und Kunsträume der Region sind ebenfalls mit größeren Ständen vertreten, dazu präsentiert die Berliner Sammlung Boros eine Sonderschau. Unter den rund 30 Solopräsentationen auf der Messe wird eine Preisjury einen Ankauf für eine Genfer Institution bestimmen. Außerdem gibt es ein umfangreiches Musik- und Performanceprogramm.
"Artgenève", Genf, 25. bis 28. Januar
Silke-Otto Knapp in Hamburg
Die 2022 nur 52-jährig verstorbene Silke Otto-Knapp malte hauptsächlich Aquarelle. Ihre Arbeiten entwickelten sich im Lauf der Jahre von kleinformatigen farbigen Figurationen hin zu mehrteiligen Großformaten von reduzierter Farbigkeit.
Ihre Motive schöpfen aus einem großen Fundus an Bezügen, sie ließ sich von Landschaften ebenso inspirieren wie von Dichtung, der Kunstgeschichte, von Tanz, Choreografie sowie dem Theater und Bühnendekor. "Bühnenbilder" lautet der Titel einer retrospektiven Soloschau im Hamburger Kunstverein.
"Bühenbilder" Kunstverein, Hamburg, bis 14. April, Eröffnung Freitag, 26. Januar ab 19 Uhr
Satch Hoyt in Hamburg
Ist es möglich, Klänge wiederherzustellen oder sogar vergangenes Schweigen aufzuheben? Der jamaikanisch-britische, in Berlin lebende Künstler Satch Hoyt beschäftigt sich in seiner Arbeit mit genau diesen Fragen. Nun setzt er sich im MARKK in Hamburg mit den historischen afrikanischen Musikinstrumenten der Museumssammlung auseinander, wo sie ganz entegegen ihrer eigentlichen Funktion meist stumm bleiben.
Zur Eröffnung der Ausstellung "Un-muting. Sonic Restitution" spielte der Künstler auf mehreren der Exponate, bis September sind sie noch als Intervention zu sehen. Dazu werden auch zeitgenössische Werke von Hoyt selbst gezeigt, unter anderem eine Posaune mit Persianerfell.
"Un-muting. Sonic Restitution." MARKK, Hamburg, bis 15.September
Süße Kätzchen in London
Awwwww, wie süß! Eine Londoner Ausstellung setzt sich mit dem popkulturellen Phänomen der Niedlichkeit auseinander. "Von Emojis bis Internetmemes, Videospielen bis Plüschtieren, Lebensmitteln bis liebenswertem Roboterdesign - Niedlichkeit hat unsere Welt erobert", schreibt das Team des Museums Somerset House, das der Ausstellung den Titel "cute" ("niedlich") gegeben hat.
"Aber wie hat etwas so Zauberhaftes und offensichtlich Harmloses - bezaubernde Tiere mit Kulleraugen, pausbäckige Babys, Blumen, Herzen, Sterne, Süßigkeiten und andere romantische Motive - solch eine Anziehungskraft entwickelt?", fragen die Kuratoren.
Auch wenn das Phänomen mit dem Internet im 21. Jahrhundert neuen Schwung bekommen habe, seien die Grundlagen im 19. Jahrhundert gelegt worden, erklären sie. Damals habe angesichts einer gesunkenen Kindersterblichkeit und zurückgehender Geburtenraten die Kindheit als schönes Erlebnis an Bedeutung gewonnen. Auch Tiere seien zunehmend als Haus- und weniger nur als Nutztiere betrachtet worden.
Die Ausstellung zeigt sowohl popkulturelle Objekte wie "Hello Kitty", der eine glitzernde Disco gewidmet ist, als auch Werke von Gegenwartskünstlern. Sie setzt sich mit der japanischen Ästhetik "Kawaii" auseinander, wie man sie zum Beispiel in Mangas findet, aber auch mit den schwierigen Seiten des Phänomens.
Niedlichkeit könne auch eingesetzt werden, um andere Menschen zu manipulieren, um liebevolle Gefühle in ihnen hervorzurufen. Dieser "Awww"-Faktor mache Verbraucher oft genauso glupschäugig wie das Objekt der Zuneigung. "Machtsysteme, von politischen Ideologien bis hin zu Industriekonzernen, setzen Niedlichkeit oft als Instrument der Manipulation und Kontrolle ein", schreiben die Kuratoren. Die Ausstellung ist bis Mitte April zu sehen.
"Cute", Somerset House, London bis 14. April
Monet und Pissarro in Potsdam
Im Potsdamer Museum Barberini hängen zwei Neuerwerbungen. Das Gemälde "Die Mühle von Limetz" (1888) von Claude Monet und Camille Pissarros "Der Louvre, Morgen, Frühling" (1902) wurden nun im Museum vorgestellt. Die Hasso Plattner Foundation hatte die Werke Ende 2023 erworben.
Der Monet sei das 39. Werk des Künstlers in der Sammlung, hieß es vom Barberini. Die Pissarro-Arbeit sei das siebte Werk. Insgesamt umfasst die dort gezeigte Hasso Plattner Collection nun 113 Meisterwerke des französischen Impressionismus und Postimpressionismus.
"Mit diesen Ankäufen stärkt Potsdam seine Position als ein Sammlungsstandort, der die Landschaftsmalerei des französischen Impressionismus so konsequent nachvollziehbar macht wie kaum ein anderer", erklärte Ortrud Westheider, Direktorin des Museums.
Damit läutet das Museum Barberini das 150. Jubiläumsjahr des Impressionismus ein. Im Frühjahr 1874 fand die erste Impressionismus-Ausstellung in Paris statt, welche die Bewegung begründete. Zum Künstler-Kreis gehörten nach Museumsangaben neben Monet und Pissarro unter anderem auch Paul Cézanne, Pierre-Auguste Renoir, Berthe Morisot und Alfred Sisley; sie alle sind in der Sammlung Hasso Plattner vertreten.
Im Jubiläumsjahr setzt das Museum durch unterschiedlichste Projekte Akzente im Bereich des Impressionismus und Postimpressionismus. So wird am 15. und 16. Mai ein öffentliches Symposium stattfinden, das die Bedeutung des internationalen Impressionismus im Hinblick auf aktuelle Fragestellungen beleuchtet. (dpa)
"Impressionismus Meisterwerke der Sammlung Hasso Plattner" Museum Barberini, Potsdam, Dauerausstellung