Kunst zu James Baldwin in Aarau
Bei seiner Reise in ein Schweizer Bergdorf fühlte sich der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin 1951 wie eine Sehenswürdigkeit behandelt. "Alle körperlichen Attribute eines Farbigen (...) waren in den Augen der Dorfbewohner ganz einfach übernatürlich, wenn nicht gar Teufelszeug", schrieb Baldwin in seinem berühmten Text "Stranger in the Village" – nun der Ausgangspunkt einer Gruppenschau im Aargauer Kunsthaus, die Zugehörigkeit und Ausgrenzung anhand aktueller Werke von Kunstschaffenden wie Igshaan Adams, Kader Attia, Marlene Dumas, Jonathan Horowitz oder Lorna Simpson thematisiert.
"Aargauer Kunsthaus", Aarau, bis 7. Januar 2024
Chagall in Apolda
Nach dem coronabedingten Abbruch vor drei Jahren unternimmt das Kunsthaus Apolda in Thüringen einen zweiten Anlauf für eine Ausstellung mit Grafiken des russisch-französischen Malers Marc Chagall (1887-1985). Von diesem Sonntag an sind dort rund 70 Arbeiten des Künstlers zu sehen. Sie entstanden in den Jahren 1952-1985, gehören also zu seinem Spätwerk. Die zum Teil farbigen Lithographien und Holzschnitte zeigen, wie sehr der im heute zu Belarus gehörenden Witebsk geborene Chagall in seiner Kunst von der jüdischen Kultur seiner Heimat geprägt wurde.
Chagall war 1910 erstmals nach Paris gekommen, seit den 1920er Jahren lebte er in der französischen Metropole. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil - Chagall war nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 in die USA emigriert - begann er verstärkt mit Lithographie und Holzschnitt zu experimentieren. Immer wieder nahm er hier die Ansichten von Witebsk und Stadtsilhouetten von Paris auf.
Die in Apolda gezeigten Arbeiten sind Leihgaben des Museums Pablo Picasso in Münster. Zu sehen sind sie bis zum 17. Dezember. Die Ausstellung "Marc Chagall. Von Witebsk nach Paris" war in Apolda bereits im September 2020 gestartet. Kurz danach musste sie wegen der Corona-Pandemie abgebrochen werden. Wegen des damals hohen Besucherinteresses wird sie nun wiederholt. (dpa)
"Marc Chagall. Von Witbesk nach Paris", Kunsthaus Apolda, bis 17. Dezember
General Idea in Berlin
Pudel sind niedlich, beißen kaum, pinkeln den Leuten aber mit Vorliebe ans Bein. So könnte man die Subversion von General Idea umreißen. Zwischen 1969 und 1994 generierte das Kollektiv mit konzeptuellen und medienbewussten Werken Aufmerksamkeit. In Berlin – 1971 in der DAAD-Galerie – begann ihre internationale Ausstellungsgeschichte, und im Berliner Gropius Bau wird nun die Retrospektive "General Idea" eröffnet, die rund 200 Werke umfasst.
Die Schau wurde in Zusammenarbeit mit AA Bronson entwickelt, der als einziges Gründungsmitglied des Kollektivs noch lebt: in Berlin. Die "wahre Magie" dieser "ummauerten Stadt der Ausgestoßenen und Uranisten, entdeckten wir erst 1983, als wir zu dritt streng kontrolliert von bewaffneten Grenzpolizisten für unsere Pudel-Performance in der Akademie der Künste durch die DDR fuhren", hat der 77-Jährige kürzlich erzählt.
AA Bronson, Felix Partz und Jorge Zontal gründeten General Idea 1969 in Toronto. Die Gruppe, die zeitweilig um die 25 Mitglieder hatte, machte mit einer wilden Mischung aus Konzeptkunst, Performances und Mail Art von sich reden. Als Trio zogen General Idea 1986 nach New York. Die Aidskrise schärfte das Profil der queeren Künstler – hin zu einem soziopolitischen Aktivismus. 1994 starben Felix Partz und Jorge Zontal an Aids.
Zwischen 1989 und 1991 lief ihre Kampagne "Imagevirus". Das Trio eignete sich Robert Indianas berühmten Pop-Art-Schriftzug "LOVE" an, schrieb ihn um, behielt aber die publikumswirksame Gestaltung bei. Nun appellierten die Lettern "AIDS" an das Mitgefühl einer Mehrheit, die nicht die Pandemie, sondern deren Opfer skandalisierte. Eine "AIDS"-Skulptur aus Metall, die das Publikum bekleben und beschriften darf, steht schon seit Ende August vor dem Gropius Bau.
Im Lichthof erwartet das Publikum eine Styropor-Installation, die an C.D. Friedrichs "Eismeer" erinnert. Auf den Schollen liegen süße Robbenbabys. Der Entwurf stammt aus der Zeit von Partz’ und Zontals HIV-Diagnosen. Während Aidskranke alleingelassen wurden, war die öffentliche Anteilnahme an Tierschutzkampagnen riesig. "‚Rettet die Robben’ lässt sich leichter verkaufen (…), weil sie niedlicher sind als drei Homosexuelle mittleren Alters", schrieb Jorge Zontal über die Installation, damals, als es das Wort Aufmerksamkeitsökonomie noch gar nicht existierte.
"General Idea", Gropius Bau, Berlin, bis 14. Januar
Space Age in Darmstadt
Der Wettlauf um die Eroberung des Weltraums und die aufkommende Begeisterung für Atomenergie prägten die 1950er- und 60er-Jahre. Raumfahrt- und Atomzeitalter flossen nahtlos ineinander. Der Glaube an den Fortschritt dominierte: Forscherinnen und Forscher formulierten Zukunftsprognosen, Science-Fiction Filme waren beliebt, die Hoffnung lag auf stetig neuen technischen Entwicklungen.
Dieser Zukunftsbegeisterung der Vergangenheit widmet sich die Ausstellung "Into the Space Age!" im Landesmuseum Darmstadt. Insbesondere im Design spiegelte sich der Zukunftsglaube wieder. Von durch Atommodelle inspirierten Mustern über "Sputniklampen" von Gilbert Adrian entwerfen in den 60er- und 70er-Jahren internationale Designerinnen und Designer wie Harry Bertoia, Eero Saarinen, Verner Panton oder Joe Colombo Mode und Mobiliar der Zukunft. Starke Formen, bislang ungewöhnliche Materialien und Farben prägen die Ästhetik des "Space-Age", das mit der Erdölkrise und der Antiatomkraftbewegung in den 1970-er Jahren wieder ihr Ende fand. Geblieben sind ikonische Designstücke, die nun in Darmstadt ausgestellt sind.
"Into the Space Age!", Hessisches Landesmuseum Darmstadt, bis 7. Januar
Baukunst in Dortmund
Wie ukrainische Architekten von Zerstörung bedrohte Baudenkmäler in ihrer Heimat dokumentieren, ist ab Samstag in einer Ausstellung im Baukunstarchiv Nordrhein-Westfalen in Dortmund zu sehen. Von Samstag bis zum 15. Oktober soll die Schau "Save Ukrainian Heritage" die Arbeit der Architektengruppe Skeiron vorstellen, die mit Hilfe moderner Technologie digitale Nachbildungen ukrainischer Baudenkmäler erstellt.
Zehn der grafisch aufwendigen und virtuell betretbaren Modelle sollen gezeigt und den Besuchern digital zugänglich gemacht werden. Dazu zählen etwa die neugotische St.-Nikolaus-Kathedrale in Kiew, die monumentale Mariä-Verkündigungs-Kathedrale in der schwer beschossenen Stadt Charkiw und das teilzerstörte Flughafengebäude von Donezk. Ziel der Schau sei es auch, das bislang noch wenig beachtete baukulturelle Erbe der Ukraine bekannter zu machen, teilte das Baukunstarchiv NRW vorab mit.
Seit das Projekt im März 2022 an den Start gegangen ist, hat die Gruppe nach eigenen Angaben digitale Modelle von mehr als 100 Monumenten erfasst, darunter viele Kirchen. Die Architekten hatten sich schon zuvor auf digitale Bauaufnahmen mit modernster Foto-Scan-Technologie spezialisiert, um das architektonische und künstlerische Erbe der Ukraine zu sichern und die Erinnerungen vor den zerstörerischen Einflüssen der Zeit zu bewahren, wie sie auf ihrer Homepage schreiben. Mit dem russischen Angriffskrieg habe die Aufgabe nun eine neue Dringlichkeit erhalten. Wo immer die Umstände es erlaubten, versuchten die Fachleute nun, bedeutsame Gebäude in der gesamten Ukraine detailliert von innen wie von außen zu erfassen, um wenn nötig ihre spätere Rekonstruktion möglich zu machen.
Wie auf der Plattform Instagram zu sehen ist, hat die Skeiron-Gruppe beispielsweise auch das im März 2022 von russischem Bombardement zerstörte Theater von Mariupol, in dem viele Zivilisten Schutz gesucht hatten, in einem virtuellen 3D-Modell wieder auferstehen lassen. Dazu waren zahlreiche Fotoaufnahmen und Videos gesammelt und zusammengefügt worden. (dpa)
"Save Ukranian Heritage", Baukunstarchiv NRW, Dortmund, bis 15. Oktober
Anne Neukamp in Düren
Mit "Anne Neukamp. Impossible Object" zeigt das Leopold-Hoesch-Museum Gemälde und Papierarbeiten der Malerin Anne Neukamp erstmals in einer umfassenden institutionellen Einzelausstellung. Die Ausstellung wurde in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin realisiert und präsentiert vor allem aktuelle Arbeiten, die seit 2019 entstanden sind, sowie ausgewählte Werke aus der Zeit davor.
Neben Malerei auf Leinwand wird eine Reihe von Papierarbeiten zu sehen sein, die als große Formate einen neuen Aspekt im Schaffen der Künstlerin darstellen. Einige der Werke sind speziell für die Ausstellung in Düren entstanden und für die Räumlichkeiten im Leopold-Hoesch-Museum konzipiert. Es sind serielle Elemente, die die Werke von Anne Neukamp charakterisieren. Sie scheinen aus simplen Analogien zu Komponenten des digitalen wie des analogen Alltags zu bestehen: Bildzeichen, Sprachkürzel, Formstücke. Und doch gehören sie nicht zu einer einheitlichen visuellen Realitätsauffassung, sondern entstammen unterschiedlichen Vereinbarungen dessen, wie Wirklichkeit darzustellen ist. Sie irritieren sowohl in ihrer hermetischen Isolation als auch in den Konstellationen, in denen sie im Bild auftauchen. Sie gehen eine Wechselwirkung ein mit dem Bildraum beziehungsweise den diesen definierenden Farbflächen, die sich bei genauer Betrachtung jedoch nicht schlüssig auflösen lässt.
Im Gegenteil verhelfen sie visuellen Paradoxien zur Wirkung und tragen mit malerischen Mitteln dem Potenzial digitaler Bildwelten Rechnung. Sie weisen so zahlreiche Referenzen zur Kunstgeschichte der westlichen Moderne auf, während sie zugleich einer ganz eigenen bildnerischen Konzeption folgen und die Möglichkeiten analoger Malerei jenseits logischen Bildaufbaus aktivieren
"Anne Neukamp. Impossible Object", Leopold-Hoesch-Museum, Düren, bis 14. Januar
Isaac Julien in Düsseldorf
Im K21 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen eröffnet am Wochenende die Retrospektive "What Freedom is to me" des britischen Künstlers und Filmemachers Isaac Julien. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von Juliens frühsten bis heutigen Werken. Zu den zentralen Arbeiten gehört unter anderem die auf fünf Leinwänden gezeigte Videoinstallation "Once Again … (Statues Never Die)", die ihre Premiere in der Tate Modern in London hatte, bevor sie ab diesem Wochenende in Düsseldorf zu sehen ist. Ein Monopol-Porträt des Künstlers anlässlich dieser Ausstellung lesen sie hier.
Isaac Julien "What Freedom is to me", Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21, Düsseldorf, bis 14. Januar 2024
Rafał Milach in Essen
Der polnische Künstler und Magnum-Fotograf Rafał Milach beschäftigt sich mit dem Wandel im ehemaligen Ostblock. Mit Gleichgesinnten gründete der 1978 geborene Künstler die Plattform Archive of Public Protest, die sich besonders im Rahmen von Klimapolitik und für Menschenrechte engagiert. Das Archiv dokumentiert in Polen stattfindende Proteste und zirkuliert in diversen Kanälen und Kontexten. Die Ausstellung im Essener Folkwang Museum setzt Milachs Fotografien in Dialog mit Werken der Fotografischen Sammlung.
"Rafał Milach: The Archive of Public Protest.", Folkwang Museum, Essen, bis 1. Januar 2024
Abschiedswochenende in Kiel
Die Kunsthalle zu Kiel lädt vor der Sanierung zu einem Abschiedswochenende mit freiem Eintritt ein. Das Haus wird von Montag an für voraussichtlich fünf Jahre schließen. Geplant seien unter anderem Maßnahmen zum Erhalt der historischen Bausubstanz, der Einbau einer effizienten Haustechnik, die Verbesserung der Barrierefreiheit sowie die Modernisierung des Brandschutzes und der Sicherheitstechnik.
Mit der Sanierung werde die Kunsthalle zu Kiel zukunftsfähig gemacht, so Direktorin Anette Hüsch. Die Modernisierung soll rund 49,5 Millionen Euro kosten - 30 Millionen Euro kommen vom Land, 19,5 Millionen Euro vom Bund. Während der Bauphase soll es aber Pop-up-Ausstellungen und weitere Veranstaltungen geben.
Die Kunsthalle zu Kiel ist eine Einrichtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Das Haus wurde 1909 als klassisches Tageslichtmuseum erbaut - die Kunstwerke lassen sich im wechselnden natürlichen Licht der Tages- und Jahreszeiten immer wieder anders betrachten. 1958 wurde es nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wieder aufgebaut, Erweiterungen stammen aus den 1980er Jahren und aus dem Jahr 2012. Das Ensemble steht unter Denkmalschutz.
Kunsthalle Kiel, bis 24. September
Kunst und Tiere in Leipzig
In Leipzig hat am Wochenende die Ausstellung "The Land before Time" mit Arbeiten 32 verschiedener internationaler Künstler eröffnet. In den Hörsälen der veterinärmedizinischen Fakultät Leipzig werden zu Feier ihres 100-jährigen Bestehens, passend zum Ausstellungsort tierische Malereien und Fotografien ausgestellt. Der Eintritt ist frei.
„The Land before Time“, veterinärmedizinische Fakultät Leipzig, bis 5. Oktober
Picasso und Gertrude Stein in Paris
Pablo Picasso lernte die aus Deutschland ausgewanderte jüdisch-amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein zwischen 1904 und 1905 in Paris kennen. Aus dieser Begegnung entstand eine Freundschaft, die nachhaltig die Kunstszene der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beeinflusst hat. Denn sie markiert den Beginn des Kubismus in der Kunst und Literatur, wie derzeit das Pariser Musée du Luxembourg zeigt.
Unter dem Titel "Gertrude Stein und Pablo Picasso, die Erfindung der Sprache" (Gertrude Stein et Pablo Picasso. L'invention du langage) sind über 100 Werke zu sehen, die den Dialog und den weitreichenden Einfluss der beiden Künstler illustrieren, die mit ihrer Formensprache die ästhetischen Konventionen gesprengt haben.
Gezeigt werden unter anderem auch das Picasso-Porträt der Schriftstellerin, Romane, Essays und Gedichte von Stein sowie Arbeiten und Kreationen von Robert Rauschenberg, Bruce Nauman und Merce Cunningham, der als Choreograph und Tänzer die Ausdrucksformen des Modern Dance revolutionierte.
Die bis zum 28. Januar dauernde Ausstellung findet zum 50. Todestag Picassos statt, der am 8. April 1973 im Alter von 91 Jahren gestorben ist. dpa
"Gertrude Stein und Pablo Picasso, die Erfindung der Sprache", Musée du Luxembourg in Paris, bis 28. Januar
HAP Grieshaber in Wiesbaden
Die großformatigen Holzschnitte des Künsters HAP Grieshaber stehen im Mittelpunkt einer neuen Sonderausstellung mit rund 70 Werken im Museum Wiesbaden. In den Arbeiten geht es um große Fragestellungen der Gesellschaft - vom Naturschutz bis hin zu sozialer Gerechtigkeit. Der deutsche Grafiker habe die Technik des Holzschnitts im Deutschland der Nachkriegszeit revolutioniert und sie als Sprachrohr seiner sozialen wie politischen Ansichten und Forderungen genutzt, erläuterte das Museum. Die Ausstellung sei durch die Großzügigkeit eines Sammlers ermöglicht worden, erläuterte Museumsdirektor Andreas Henning. "Die herausragende Qualität der Werke wie auch die beeindrucke Vollständigkeit dieser Sammlung sind ein großes Glück." dpa
"HAP Grieshaber. Formsprache", Museum Wiesbaden, bis 21. Januar