Tipps und Termine

Wohin am Wochenende?

Die Kunst der Woche in Berlin, Chemnitz, Düsseldorf, Eupen, Frankfurt am Main, Köln, Neubrandenburg, Neuhardenberg, Neuss, Oslo, Wien und Wolfsburg


Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website.


Frédéric Brenner in Berlin

Der französische Fotograf Frédéric Brenner hat über Jahrzehnte jüdisches Leben in der Diaspora jenseits von Israel mit seiner Kamera begleitet. Zwischen 2016 und 2019 entstand so eine Serie über Jüdinnen und Juden im Berlin der Gegenwart. Die 61 Arbeiten gehören zu den jüngsten Neuzugängen der fotografischen Sammlung des Jüdischen Museums Berlin. Dort sind 50 dieser Fotografien in der Ausstellung "Frédéric Brenner – Zerheilt" von Freitag an bis zum 13. März zu sehen.

Hetty Berg, Direktorin des Jüdischen Museums Berlin, sieht die Fotografien als "Einladung zum Nachdenken". Es seien Fragmente des jüdischen Lebens, die sich nicht zu einem Gesamtbild fügen ließen. Das Team um Kuratorin Theresia Ziehe verzichtete auf eine Beschriftung der Bilder. Nur am Eingang finden sich Hinweise zu Motiven und Abgebildeten.

Brenners Arbeiten zeigen die vielschichtige Auseinandersetzung der Fotografierten mit ihrem Alltag und den jüdischen Elementen darin. Zerrissenheit scheint das Foto eines Mannes zu zeigen, der je zur Hälfte zivile Sachen und die Kleidung orthodoxer Juden trägt. In einem bürgerlichen Salon sitzt eine Frau vor einer Wand voller Bilderrahmen - alle sind leer. In herbstlichem Laub liegt eine Frau mit ihrem Fahrrad in tiefstehender Sonne. Es ist der Schatten des Fotografen, der sie zur Scheinriesin macht. Ein alter Mann streckt sich nackt bäuchlings auf kahlem Boden. Sein Rücken ist komplett tätowiert mit einem langen Zitat von Theodor Adorno über den Umgang mit Marcel Proust. Als Prolog zur Ausstellung hat das Museum 33 Fotografien Brenners von gefallenem Laub gehängt. (dpa)

Frédéric Brenner: ''Zerheilt'', Jüdisches Museum, Berlin, bis 13. März 2022

Fotografie aus Brenners Essay "Zerheilt"
Foto: Courtesy Frédéric Brenner und JMB Berlin

Fotografie aus Brenners Essay "Zerheilt", 2016-2019

Sächsischer Designpreis in Chemnitz 

Ultraleichte Kleidung für Radfahrer, ein Roboter-Arm und alternative Essgeräte: Die nominierten und ausgezeichneten Projekte des Sächsischen Designpreises sind seit Mittwoch im Chemnitzer Industriemuseum zu sehen. Noch bis zum 3. Oktober ist die Wanderausstellung dort zu Gast.

Museumsleiter Oliver Brehm begrüßte die Ausstellung in seinem Haus: "Das Industriemuseum Chemnitz bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen Technik und Design und einem daran interessierten Publikum und ist daher gern Gastgeber für diese Leistungsschau sächsischen Designs", sagte er.

Der Sächsische Staatspreis für Design wurde im Juli an Projekte in fünf Kategorien vergeben, darunter für Produkt- und Kommunikationsdesign. Die nominierten und ausgezeichneten Produkte waren zunächst in Dresden und anschließend in Berlin zu sehen. (dpa)

"Sächsischer Designpreis", Industriemuseum, Chemnitz, bis 3. Oktober

Außenansicht Sächsisches Industriemuseum in Chemnitz
Foto: Dietmar Träupmann, Archiv Industriemuseum Chemnitz

Außenansicht Sächsisches Industriemuseum in Chemnitz

DC Open in Düsseldorf und Köln 

Zum 13. Mal schon lädt die Galerieninitiative DC Open zum gemeinsamen Vernissagenwochenende – doch nach Routine wird es sich nicht anfühlen, wenn am Rhein der lang ersehnte Neustart die Kunstwelt endlich wieder in Schwung bringt. Vom 3. bis 5. September kann man zwischen Düsseldorf und Köln hin und her gondeln und durch die Ausstellungen der rund 50 teilnehmenden Galerien flanieren, dazu kommt das exzellente Programm der Institutionen der Region. Unsere Highlights aus dem Programm finden Sie hier.

DC Open, Düsseldorf und Köln, Eröffnungswochenende 3. bis 5. September

Vivian Greven ''Mal'', 2021
Foto: Ivo Faber, Courtesy the artist, Galerie Kadel Willborn, Düsseldorf

Vivian Greven ''Mal'', 2021

Francis Feidler in Eupen

Die Geschichte des Kunstzentrums IKOB im belgischen Eupen ist eng mit dem Namen Francis Feidler verbunden. Vor 28 Jahren war er Gründungsdirektor des Museums für zeitgenössische Kunst, 2012 gab er das Amt schließlich ab. Nun kehrt Feidler als Künstler zurück und zeigt bis Ende November seine Ausstellung "Elastikommunikation" mit Werken von 1964 bis heute.

Dabei geht es dem 1950 geborenen Allrounder um die Verbindung zwischen Kunst und Publikum, in der Freiräume entstehen sollen. Seine Praxis reicht von Malerei über minimale Skulptur bis hin zur Vermittlung und Performance. In seiner Arbeit taucht immer wieder die Spirale auf, ein Sinnbild für Flexibilität und Dynamik.

"Francis Feidler: Elastikommunikation", IKOB, Eupen, bis 28. November

Saisonstart und Art Experience in Frankfurt am Main

Zum dritten Mal machen der umtriebige Kunstsammler Tyrown Vincent und die Stadt Frankfurt das Kunstwochenende Frankfurt Art Experience möglich. Ab dem 2. September steht Frankfurt am Main im Zeichen der Kunst, unter Einhaltung der aktuellen Hygieneregeln.

Die Frankfurter Galerien geben zum Saisonstart ihr Bestes, ein Programm aus Talks und Führungen verspricht Kunsterlebnisse und Einblicke, die es nur zur Art Experience gibt. Einen Überblick über das Programm und ausgewählte Highlights finden Sie hier. 

"Frankfurt Art Experience", Frankfurt am Main, bis 5. September

Absolventenausstellung der Städelschule in Frankfurt am Main

In Frankfurt gibt es laut "FAZ" eine Million Quadratmeter Leerstand von Büroflächen, trotzdem ist es schwer, für Ausstellungen Räume zu finden. Dieses Jahr ist es der Städelschule gelungen, einen ganzen Bürokomplex aus den frühen 1970er-Jahren für die Absolventenausstellung zu bekommen. Die Liste der erfolgreichen Karrieren von Absolventinnen und Absolventen der Frankfurter Städelschule ist lang, und inzwischen ist es sicher nicht nur ein ständiges Vergnügen, mit diesem internationalen Gütesiegel versehen in die Kunstwelt entlassen zu werden. Aber die Schule ist nicht umsonst seit vielen Jahren stets im Zentrum der Aufmerksamkeit: Schon früh setzten die Leiter auf internationale Professorinnen und Professoren, es gibt immer spannende Gastprofessuren und Vorträge.

Die Begabung, Dinge früh zu erkennen und zu thematisieren, ist gerade in den Rundgängen und der Absolventenausstellung immer wieder spürbar. Die Ausstellenden kommen aus den Klassen von Monika Baer, Gerard Byrne, Judith Hopf, Hassan Khan, Tobias Rehberger, Willem de Rooij und Haegue Yang, die derzeit an der Städelschule unterrichten, und aus den Klassen der ehemaligen Professorinnen und Professoren Peter Fischli, Laure Prouvost, Amy Sillman und Josef Strau. Kuratiert wurde die Ausstellung von den Städel-Absolventen Il-Jin Atem Choi und Alke Heykes.

"The Whistle", Absolventinnen und Absolventen der Städelschule, Schaumainkai 69, Frankfurt am Main, bis 19. September

Location für die Städel-Absolventenausstellung am Schaumainkai
Foto: Courtesy Städelschule

Location für die Städel-Absolventenausstellung am Schaumainkai

Das Individuum in der Großstadt in Frankfurt am Main

Der persönlichste Film von Rainer Werner Fassbinder war "In einem Jahr mit 13 Monden", die Tragödie einer Transsexuellen, die auch als Abrechnung mit der Geldstadt Frankfurt gesehen werden kann. In einer Anfangseinstellung ist das Haus zu sehen, in dem Paula Kommoss vor Kurzem den Space Elvira gegründet hat, der so heißt wie Fassbinders Hauptfigur.

Alle ihre kleinen Ausstellungen stehen in Bezug dazu: Es geht um die Transformation von Identität, Rollenbilder, Urbanität, Scheitern. Zum Wochenende der Art Experience behandelt sie das Individuum in der Großstadt, unter anderem mit Arbeiten von Judith Hopf. Zum Abschluss wird ein Film von Isa Genzken gezeigt.

"Fassaden", Kunstraum Elvira, 5. bis 23. September, Eröffnung 4. September, 19 bis 22 Uhr

Boaz Kaizman in Köln

Der Kölner Künstler Boaz Kaizman ist ein in Deutschland lebender Jude und hat deshalb den Auftrag bekommen, für das Museum Ludwig ein Kunstwerk zum Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zu schaffen. Damit geht er mit dem Thema in einer komplexen Videoinstallation auf teils humorvolle Weise um. Er entzieht sich naheliegenden Erwartungen, die Situation der in Deutschland lebenden Juden zu reflektieren, indem er selbst vor die Kamera tritt und sich bei völlig alltäglichen Handlungen filmt: beim Kochen, Joggen oder Reparieren seiner Spüle. In einem dieser Filme unterhält er sich mit dem israelischen Schauspieler Dov Glickman, bekannt aus der Netflix-Serie "Shtisel". Glickman stellt sehr treffend fest: "Ja, du bist wirklich ein Jude in Deutschland."

Ein zentrales Thema der Installation ist die Sprache als Grundlage aller Künste inklusive Musik und bildender Kunst. Das wird in einem Film besonders deutlich, in dem ein Ensemble ein Stück spielt, das auf einem Gedicht von Kaizman beruht. Der Künstler transformierte es durch ein Text-to-Speech-Programm, das Steuerbefehle in Klänge umwandelt, in Musik.(dpa)

"Boaz Kaizman. Grünanlage", Museum Ludwig, Köln, bis 9. Januar 2022

Boaz Kaizmans Ausstellung "Grünanlage" in Köln
Foto: dpa

Boaz Kaizmans Ausstellung "Grünanlage" in Köln

Falco Behrendt in Neubrandenburg 

Die Kunstsammlung Neubrandenburg widmet dem Grafiker Falko Behrendt (Lübeck) eine Sonderausstellung zum 70. Geburtstag. Die Schau mit dem Motto "Versunken, Ausgegraben" besteht auf einer neuen Werkserie, die auf den Fragmenten der alten zerstörten Kunstsammlung beruht, wie Kunsthistorikerin Elke Pretzel sagt. Die Grafiken und Radierungen schuf Behrendt über die zwei Jahre hinweg. "So aufwendige Radierungen wie von Behrendt findet man kaum noch in Deutschland", sagte Pretzel.

Behrendt stammt aus Torgelow in Vorpommern, lebt seit 1991 in Lübeck und hat Verbindungen zu einer Reihe von Galerien in Deutschland, Österreich und Dänemark. Die alte Neubrandenburger Kunstsammlung gab es seit 1890. Sie galt nach 1945 als verschollen. Später wurde eine neue Kunstsammlung begründet. Erst 2006 wurden bei Ausgrabungen auf dem Markt noch Überreste gefunden. Die Stadt war in den letzten Kriegstagen fast komplett abgebrannt.

Die Schau, die auch vom Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt wird, ist vom 5. September bis zum 28. November in der neuen Kunstsammlung zu sehen. Sie wird zu den wichtigsten Galerien für zeitgenössische Kunst nördlich von Berlin gezählt. (dpa)

"Falko Behrendt. Versunken. Ausgegraben", Kunstsammlung Neubrandenburg, 5. September bis 28. November

Die Villa Massimo zu Gast auf Schloss Neuhardenberg

Der Rompreis der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen für deutsche oder in Deutschland lebende Künstlerinnen und Künstler. Jeweils für zehn Monate können die Preisträgerinnen und Preisträger mit ihren Familien in Rom leben und arbeiten. Auch in der Corona-Zeit hat die Villa Massimo als eine der wenigen ausländischen Stipendienprogramme in Italien ihre Arbeit aufrechterhalten.

Was während dieser schwierigen Phase entstand, kann man ab dem 4. September in einer Ausstellung in der Stiftung Schloss Neuhardenberg erleben. Vertreten sind die Künstlerinnen Birgit Brenner und Tatjana Doll, das Künstlerduo Famed, das Architektenkollektiv Fakt, die Künstlerin Esra Ersen, die Komponisten Stefan Keller und Torsten Rasch, die Schriftstellerin Sabine Scho und der Schriftsteller Peter Wawerzinek. Zur Eröffnung am Samstag gibt es eine Lesung von Peter Wawerzinek und ein Konzert mit Werken von Torsten Rasch.

"Villa Massimo zu Gast auf Schloss Neuhardenberg", Schloss Neuhardenberg, 4. September bis 31. Oktober

Cristina Iglesias in Neuss

In der Nähe von Düsseldorf in einer ländlichen Gegend wurde ein ehemals militärisch genutztes Gelände zum Landschaftspark für Kunst – dank privater Initiativen. Die Thomas Schütte Stiftung liegt zwischen dem Gelände des Museums Insel Hombroich, dem Kirkeby-Feld, der ehemaligen Raketenstation und der Langen Foundation. Die Ausstellungshalle ist nach einem Modell von Thomas Schütte gebaut, eine weitere ist gerade im Entstehen. Hier eröffnet zur DC Open eine Ausstellung mit raumgreifenden Installationen der spanischen Künstlerin Cristina Iglesias aus Metall oder Ton.

Ihre skulpturalen Interventionen erinnern an pflanzliche Wucherungen, lavahafte Auswürfe oder verschmorte Architektur. Sie verwandeln den Ort gewissermaßen wieder zurück in die dystopische Gegend, der er einst war, nur natürlich viel attraktiver. Unbedingt auch die fantastisch wuchernde Natur der Museumsinsel Hombroich besuchen!

"Cristina Iglesias“, Thomas Schütte Stiftung, Neuss, bis 19. Dezember

Kurt Schwitters und Gefährten in Oslo

Vor den Toren Oslos ist eine neue Galerie zu Ehren des deutschen Dada-Künstlers Kurt Schwitters (1887-1948) entstanden. Der Saal ist an das Henie-Onstad-Kunstcenter angegliedert und umfasst 430 Quadratmeter. Die neu geschaffene Galerie Merz soll am Freitagabend (3.9.) offiziell eröffnet werden.

Sie zeigt neben Werken des aus Hannover stammenden Schwitters auch die von Zeitgenossen und von Künstlern, die von ihm inspiriert wurden. Die Ausstellung umfasst 150 Werke und ist bis zum 29. Mai 2022 zu sehen. Der mit den Dadaisten verbundene Schwitters hatte für sein Werk den Begriff "Merz" erfunden.

Schwitters war 1937 vor den Nationalsozialisten nach Norwegen geflohen. Bereits in den Jahren davor hatte er das Land oft besucht und enge Beziehungen aufgebaut. Sein Werk dieser Zeit besteht aus Collagen, Porträts, Landschaften, mehreren Prosatexten und einem unvollendeten Drehbuch. 1940 emigrierte er nach Großbritannien, wo er acht Jahre später starb.

Die Ausstellung mit dem Namen "Merz! Flux! Pop!" erzählt die Geschichte von Schwitters‘ Jahren in Norwegen, stellt seine einzigartige Arbeitsweise und Philosophie "Merz" vor und beleuchtet die Künstler, die um die Jahrhundertwende mit Schwitters in einer Revitalisierung und Transformation der Kunst verbunden waren. (dpa)

"Merz! Flux! Pop!", Sal Merz, Henie Onstad Senter, Høvikodden bei Oslo, bis 29. Mai 2022

Werke von Kurt Schwitters im neuen Merz-Sal des Henie Onstad Senter bei Oslo
Foto: dpa

Werke von Kurt Schwitters im neuen Merz-Sal des Henie Onstad Senter bei Oslo

Viennacontemporary und Curated By in Wien

Jedes Jahr im September laden rund zwei Dutzend Wiener Galerien unter dem Motto "Curated by" Kuratorinnen und Kuratoren ein, in ihren Räumen eine Ausstellung zu einem gestellten Oberthema zu gestalten. Mit dem Eröffnungswochenende ab dem 4. September beginnt die einmonatige Laufzeit etwas früher als gewöhnlich, unter anderem, um sich vor die auf Mitte September gerutschte Art Basel zu schieben.

Das Motto der 13. Ausgabe von Curated by lautet "Comedy" und folgt der postpandemischen Sehnsucht, sich mal wieder dem Komischen in der Kunst und dem Leben zu widmen. Neben etablierten Namen wie Andrea Bellini (bei Christine König), Zdenek Felix (Meyer Kainer), Martin Germann (Nächst St. Stephan) dürfen sich Besucher auch auf ausgefallenere Ausstellungen freuen, wie sie der Kritiker Jörg Heiser und die Schriftstellerin Sarah Khan (Gabriele Senn) oder die Kunstkollektive Spatzi Spezial (Sophia Süssmilch und Valentin Wagner bei Krobath), Studio for Propositional Cinema (Layr) und The Performance Agency (Zeller van Almsick) versprechen.

Erstmals parallel zu Curated by eröffnet am 2. September die Kunstmesse Viennacontemporary, allerdings in ungewohntem Format und an ungewohntem Ort. Nach einem Streit mit dem Vermieter der Marxhalle, der dort mit der Spark Art Fair eine eigene Messe aufgezogen hat, zieht die etablierte Messe mit ihrem bekannten Fokus auf ost- und südosteuropäische Kunst in den öffentlichen Raum und in das Gebäude der Alten Post, das seit Jahren leer steht und immer wieder für Kulturevents genutzt wird – unter anderem einmal von Parallel Vienna, einer Satellitenmesse zur VC.

Mit Boris Ondreička als neuem künstlerischem Leiter soll der Relaunch gelingen. Der Kurator und Künstler gilt als Experte für mittel- und osteuropäische Kunst und war unter anderem Kurator bei Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, besser bekannt als TBA21. Die regulären Stände sind daher auswärtigen Ausstellern, vor allem aus den Fokus-Ländern, vorbehalten, während die kuratierte Sektion Zone1 Künstlern unter 40 gewidmet ist, die in Österreich leben, arbeiten oder studiert haben.

Auch die Parallel Vienna findet wieder statt. Vom 7. bis 12. September gastiert das nomadische Format in der ehemaligen Semmelweis-Frauenklinik im Stadtteil Gersthof (18. Bezirk). Hier zeigen überwiegend österreichische Galerien, Offspaces, Institutionen, Akademieklassen und einzelne Künstler zumeist junge Positionen in gemischter Qualität. Über den Herbst hinaus dürfte die Neusortierung der Wiener Szene spannend werden, da die gerade etwas angeschlagene VC sich in "eine flexiblere und unabhängigere Non-Profit-Struktur" umwandelt, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

"Viennacontemporary", Marx-Hallen, Wien, bis 5. September

Curated By, verschiedene Galerien, Wien, 4. September bis 2. Oktober 

Curated By 2020, Wien
Foto: © Philipp Schuster

Curated By 2020, Wien

Schönheit und Schrecken des Öls in Wolfsburg

"Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters" blickt auf einen Stoff, der unsere Gegenwart geprägt hat wie kaum ein anderer. Ob Flugzeuge oder Panzer, Weltraumraketen oder Autobahnen, Plastik oder Kosmetika – nichts davon wäre ohne Erdöl entwickelt worden. Andreas Beitin hat die Ausstellung noch von seinem Vorgänger übernommen – und das "gerne, eben weil sie beide Seiten einer Medaille zeigt. Denn man kann so ökologisch eingestellt sein, wie man will: Wir alle haben Produkte an uns und in unserem Alltag, die in irgendeiner Form mit Öl zu tun haben – das fängt schon morgens beim Duschen an."

Gerade in der Nachkriegszeit sprudeln mit dem schwarzen Gold futuristische Versprechen von grenzenloser Mobilität und individueller Freiheit an die Oberfläche. Es läuft und läuft und läuft – bis es nicht mehr läuft, unzählige Kriege ums Öl geführt werden, die Zerstörung des Planeten unübersehbar wird. Heute stehen wir am Ende des Erdölzeitalters – und so wirft "Oil" als "weltweit erste Retrospektive der weltumspannenden Erdölmoderne" den Blick zurück auf eine Welt, von der wir uns gerade zu verabschieden beginnen.

Natürlich passt eine solche Schau thematisch in die Volkswagenstadt. Lokale Anbindung bietet auch der Ort Wietze, wo Mitte des 19. Jahrhunderts die industrielle Förderung von Erdöl begann und heute ein Erdölmuseum steht. Doch ist der Ansatz umfassender. So kommt urzeitliches Material zum Einsatz, wie ein Dinosaurierskelett, das in der Region ausgegraben wurde – Öl besteht ja aus abgestorbenem organischem Material. Vor allem aber untermauern die aus allen Weltregionen stammenden Kunstwerke der Schau die globale Dimension des Themas. Große Namen wie William Eggleston oder Sylvie Fleury sind dabei, Teilnehmer wie Kader Attia, Hans Haacke, Rena Effendi, Santiago Sierra oder Taryn Simon versprechen politische Brisanz.

"Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters", Kunstmuseum Wolfsburg, 9. Januar 2022