Coronabedingt können bestimmte Ticket-, Hygiene- und Abstandsregelungen gelten. Vor dem Ausstellungsbesuch empfiehlt sich deshalb ein Blick auf die jeweilige Institutions-Website.
"Im Gefängnis - Vom Entzug der Freiheit" in Dresden
Besucher des Deutschen Hygiene-Museums (DHMD) in Dresden können ab Samstag in die den meisten Menschen unbekannte Gefängniswelt eintauchen. Ausgehend von der konfrontativen Aussage "Wir sind es, die strafen" vor der Tür beleuchtet "Im Gefängnis - Vom Entzug der Freiheit" das Thema Freiheitsentzug als Form der Bestrafung, die Geschichte der Institution Gefängnis sowie deren Auswirkungen auf Menschen. Die Schau zeuge von der Spannung zwischen medial erzeugter Faszination, die "fast schon Teil der Popkultur" sei, und der Realität hinter Gittern, sagte DHMD-Direktor Klaus Vogel am Freitag vor der Eröffnung. "Die Wenigsten waren jemals in einer Haftanstalt, als Insasse oder auch Besucher." Dennoch glaube Jeder, den "Knast" zu kennen.
Teils in nachgebauten Zellen versammelt sind knapp 200 Objekte auch aus dem Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum Genf (Schweiz) und dem Lyoner Musée des Confluences (Frankreich), den Kooperationspartnern der trinationalen und vom Bund geförderten Schau. Dresden ist die dritte Station. Beim Thema Gefängnis und Strafen gehe es tatsächlich um die menschliche Verfasstheit im Grenzbereich der Existenz zwischen Gerechtigkeit und Menschlichkeit. "Das Gefängnis ist ein integraler Teil der Gesellschaft und des Gemeinwesens", so der Direktor.
Der Rundgang reicht laut Vogel von Wissen, Geschichte und Struktur von Gefängnis, Facetten des Haftalltags bis zur Frage nach Alternativen, Menschen "zum Guten zu bekehren, indem die Bösen zusammen eingesperrt werden". Sozialwissenschaftler und Kriminologe Jens Borchert sprach von dem Vollzug immanentem Widerspruch. "Wir entziehen Freiheit, um auf die Freiheit vorzubereiten." Haft bedeute Verlust der freien Verfügung über Zeit und Raum, Zwang zur Aufgabe der bisherigen Identität und leben in einer Art Subkultur.
Dokumente und Fotos aus aller Welt zeugen vom historischen und verschiedenen Umgang mit Straftätern - auch der Schöpfer des berühmten "Kuss"-Bildes, Robert Doisneau, hat hinter Gittern fotografiert. In drei großen Zellen in leuchtendem Orange sind Dokumente und Fotos, aber auch Skurriles versammelt: ein Schachspiel aus Seife, eine mit Frida Kahlo-Porträt tätowierte Handtasche des mexikanischen Unternehmens Prison Art oder ein künstlicher Penis aus Silikon mit Heizspirale aus DDR-Zeiten, Kuli-Mine oder Rasierklinge, die Inhaftierte verschluckten, aus Besteck gefertigte Waffen oder Schlüssel - und der "Pizzaofen", den RAF-Terrorist Jan-Carl Raspe in der Haft in Stuttgart-Stammheim aus einer Blechdose, Alufolie und Kugelkerze baute und der in Andreas Baaders Zelle gefunden wurde.
Deutsches Hygiene-Museum, 26. September bis 31. Mai 2021
Hito Steyerl in Düsseldorf
Hito Steyerl gehört zu den international einflussreichsten Medienkünstlerinnen und mischt mit ihren gesellschaftskritischen Installationen den Kunstbetrieb auf. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen widmet der 54-jährigen Filmemacherin und Autorin ab Samstag eine umfassende Überblicksschau unter dem Titel "I Will Survive". Die Ausstellung ist eine deutsch-französische Kooperation. Sie ist bis zum 10. Januar 2021 im Ständehaus (K21) in Düsseldorf zu sehen und wird ab Anfang Februar in Paris im Centre Pompidou präsentiert.
Im Zentrum der Ausstellung im K21 steht eine neue multimediale Installation, die sich auch auf die Corona-Pandemie bezieht. Neben Arbeiten aus den vergangenen zehn Jahren liegt ein Schwerpunkt auch auf Steyerls frühen Filmen der 1990er Jahre. Immer wieder geht es dabei um Antisemitismus und Rassismus in Deutschland.
Steyerls futuristische Filme und Installationen finden weltweit Beachtung. Zur Biennale in Venedig 2015 hatte sie im deutschen Pavillon mit "Factory of the Sun", einem vermeintlichen Videogame, Aufsehen erregt. Monopol widmet der in Berlin lebende Steyerl mit der aktuellen Ausgabe eine Titelgeschichte.
K 21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 26. September bis 10. Januar 2021
"We never sleep" in Frankfurt am Main
James Bond oder George Smiley sind die Spione der großen Leinwand und der einschlägigen Literatur. Dass auch Gegenwartskünstler Themen in der Welt der Geheimdienste finden, zeigt von Donnerstag an die Ausstellung "We never sleep" in der Frankfurter Kunsthalle Schirn. Mehr als 40 Künstlerinnen und Künstler aus mehr als 20 Ländern sind in der Schau mit Gemälden, Fotografien, Videoarbeiten, Skulpturen und Installationen vertreten. Ergänzt wird die Präsentation mit Filmplakaten und historischen Apparaturen wie einer Kamera in einer Gießkanne oder der Verschlüsselungsmaschine Enigma, die im Zweiten Weltkrieg die größte Herausforderung für die Codeknacker des britischen Geheimdienstes wurde.
Die Ausstellung sei zwar lange vor der Corona-Pandemie konzipiert worden, erhalte aber durch die Diskussionen um Manipulationen, Überwachung und persönliche Freiheit sowie Verschwörungstheorien eine "neue Intensität", sagte Schirn-Direktor Philipp Demandt am Mittwoch bei der Vorbesichtigung der Ausstellung. Die Ausstellung solle den Besuchern eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema Spionage geben, "das angesichts globaler Krisen, digitaler Überwachung, Fake News und Verschwörungstheorien neue und drängende Fragen aufwirft."
Auch die Enttarnung von Geheimnissen und die Rolle von Whistleblowern gehören zu den Themen der Ausstellung, so Kuratorin Cristina Ricupero: "Das Verlangen nach Transparenz, so scheint es, hat das Geheimnis abgelöst." Gleichzeitig biete die überbordende Informationsmenge unserer Zeit beste Tarnungsmöglichkeiten. Die Ausstellung wolle vor allem Überraschungen und Fragen provozieren, sagte sie. Dem trage auch die Architektur der Darstellung Rechnung, mit einer verschachtelten Rauminstallation und "labyrinthischer Logik", die zu immer neuen spionagebezogenen Bereichen führe. "Am Ende soll, wie in der nebulösen Welt der Spionage, die Wahrheit ein Mysterium bleiben."
Kunsthalle Schirn, bis 10. Januar
Jeremy Shaw in Frankfurt am Main
Kann man durch gezielte Bewegung, Tanz, Entfesselung eine parallele Welt erzeugen? Der kanadische Künstler Jeremy Shaw nähert sich diesen Fragen in seinen Videos zunächst wie ein Ethnograf: Eine sonore männliche Stimme beschreibt Praktiken, Kleidung, Stil und Choreografie von ekstatisch tanzenden Gruppen distanziert-dokumentarisch. Bis sich die Installation, die über das ganze Haus verteilt zu sehen ist, auf allen Leinwänden synchronisiert und in ein kultisches, rhythmisches Chaos auflöst.
Nicht ausgeschlossen, dass die von den sieben autonomen Tanzgruppen erwartete transzendentale Erfahrung auch auf die Betrachter übergeht. Auf jeden Fall ein bildgewaltiges, sinnliches Erlebnis von Steigerung und Intensität, das über das reine Sehen hinausgeht. Die Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Centre Pompidou produziert, wo sie bereits zu sehen war. Unsere Ausstellungskritik lesen Sie hier.
Jeremy Shaw: "Phase Shifting Index", Frankfurter Kunstverein, 25. September bis 24. Januar 2021
53. Steirischer Herbst in Graz
Am 24. September trifft Deutschland auf Schweden – im (ausgefallenen) Finale der Fußball-EM 2020, das der Steirische Herbst jetzt einfach nachholt. Was allein schon deshalb völlig plausibel ist, weil die Kunst immer schon für die Versäumnisse der Wirklichkeit zuständig war. Janez Janšas Hörspiel, bei dem Kommentatoren durch das Spiel führen und über das Weltgeschehen reflektieren, wird auf einer speziellen Radiofrequenz in Taxis ausgestrahlt, in denen die Festivalbesucher auf einer semifiktionalen Reise durch Graz chauffiert werden – Ausgang ungewiss.
Auf die derzeit virulente Frage "Wie bringt man Kunst zum Publikum?" gibt der von Ekaterina Degot kuratierte 53. Steirische Herbst die poetischsten Antworten. Vadim Fishkin erweckt zwei Straßenlaternen zum Leben, die sich Namen von derzeit unerreichbaren Sehnsuchtsorten der Weltliteratur zuflüstern. Joanna Piotrowskas Zeitung wird mit dem Lieferservice Velofood – als Beilage zur Essens-bestellung – an die Haustür gebracht. Und aus den Lautsprechern von Spar-Filialen tönt eine Klang-installation von Lawrence Abu Hamdan. Sie berichtet von neuesten wissenschaftlichen Methoden, mittels Taschentüchern oder Kartoffelchips Objektschwingungen, die von der menschlichen Stimme erzeugt werden, messen zu lassen. Überwachung beim Coachsurfen.
Apropos: Das Festival-Programm, eigens produzierte Filme und Serien, ist auf der Seite paranoia-tv.com abrufbar.
53. Steirischer Herbst, bis 18. Oktober
Max Beckmann in Hamburg
Von sich selbst zeichnete Max Beckmann (1884-1950) gern das Bild eines mannhaft entschlossenen Weltendeuters, dabei war seine Sicht auf die Geschlechter vielschichtiger: Eine große Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle untersucht erstmals die oft widersprüchlichen Rollen von Weiblichkeit und Männlichkeit in seiner Kunst. Die rund 140 Gemälde, Plastiken und Werke auf Papier sollen dabei die gesellschaftliche Relevanz des Themas der Geschlechter erfahrbar machen, teilte die Kunsthalle am Freitag mit. Der umfangreiche Beckmann-Bestand der Kunsthalle werde dafür um wichtige Leihgaben aus dem In- und Ausland ergänzt.
"Beckmann schrieb Geschlechterrollen fest und öffnete sie zugleich, er fand Zartheit in Frauen- und in Männerfiguren, Schlagkraft in der Heldin wie im Helden", sagte Kuratorin Karin Schick. Davon zeugten seine zahlreichen Selbstdarstellungen und Doppelbildnisse, die Porträts von Männern und Frauen seiner Zeit sowie mythologische und biblische Figurenbilder. Fasziniert von den Mythen verschiedenster Kulturen, habe Beckmann die uralte Vorstellung gekannt, dass Frau und Mann aus einem einzigen, androgynen Geschlecht hervorgingen, nach dessen Einheit man sich auf ewig zurücksehnt.
Hamburger Kunsthalle, bis zum 24. Januar
"Russische Avantgarde im Museum Ludwig - Original und Fälschung" in Köln
Ein Museum, das vermeintliche Meisterwerke aus seinen eigenen Beständen als Fälschung enttarnt - das gibt es nicht oft. Denn dazu gehört Mut. Das Kölner Museum Ludwig hat sich der Herausforderung jetzt gestellt. Es geht um die Sammlung der Russischen Avantgarde, die einen der drei Schwerpunkte des Museums bildet. Die anderen beiden sind Pop Art und Picasso. Sie spiegeln die Vorlieben des Schokoladenfabrikanten Peter Ludwig (1925-1996) und seiner Frau Irene Ludwig (1927-2010), der Namensgeber des international renommierten Museums direkt neben dem Dom. Die Kollektion umfasst etwa 600 Arbeiten der Russischen Avantgarde, datierend aus der Zeit von 1905 bis 1930. Darunter sind 100 Gemälde.
Von diesen hat das Museum bisher 49 untersucht. Das Ergebnis wurde am Freitag in einer Pressekonferenz vorgestellt: Bei 22 Werken wird angenommen, dass sie nicht authentisch sind, bei 27 geht das Museum davon aus, dass es sich um Originale handelt. Mit diesen Resultaten geht das Museum nun sehr offensiv an die Öffentlichkeit: Von diesem Samstag an läuft die Ausstellung "Russische Avantgarde im Museum Ludwig - Original und Fälschung".
Die Schau hat schon vor der Eröffnung Nervosität ausgelöst. Die auf russische Kunst spezialisierte Galerie Gmurzynska aus Zürich, bei der Peter Ludwig einst etwa 400 der insgesamt 600 Avantgarde-Werke gekauft hat, wollte vorab über die Forschungsergebnisse informiert werden und zog deshalb vor Gericht. In zweiter Instanz wurde die Forderung vom Oberverwaltungsgericht Münster abgewiesen. Die Galerie wirft dem Museum eine falsche Schwerpunktsetzung vor. "Die Sammlung der Russischen Avantgarde, die der Stadt Köln im Jahr 2011 vom Sammlerehepaar Ludwig geschenkt wurde, ist außerhalb Russlands einzigartig und international anerkannt", hieß es in einer Erklärung. "Leider wird sie vom Museum dennoch äußerst selten gezeigt." Jetzt gebe es wenigstens mal eine Ausstellung - doch nur unter der Fragestellung: Echt oder falsch? "Dieser Umgang mit der Sammlung ist für alle Beteiligten schade und wäre ihren großzügigen Stiftern sicher nicht recht gewesen", kritisiert die Galerie, deren Verdiente um die Avantgarde-Kunst unbestritten sind.
Die Restauratorin Petra Mandt kann nur den Kopf schütteln, wenn sie hört, dass dem Museum die Vernachlässigung der Sammlung vorgeworfen wird - sie widmet ihr einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit. Die stellvertretende Museumsdirektorin Rita Kersting betont: "Es ist eine wunderbare Sammlung, die wichtigste Russische Avantgarde-Sammlung im Westen." Zwei Säle der ständigen Ausstellung seien permanent dafür reserviert. Zudem zeige gerade die intensive Forschungsarbeit, wie wichtig man die Sammlung nehme. Und natürlich hätten die Überprüfungen auch das Wissen über die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler erweitert.
Für die Ausstellung hat das Museum in einigen Fällen die originalen Vorlagen für die unechten Werke als Leihgaben ausgeliehen. Wenn man Original und Fälschung nebeneinander sieht, erkennt man manchmal schon als Laie, dass der Farbauftrag des authentischen Werks ganz anders ist als der der Fälschung. Noch eindeutiger als solche stilistischen Beurteilungen sind naturwissenschaftliche Befunde, bei denen ein Bild etwa anhand des Materials der Leinwand oder der in der Farbe enthaltenen Pinselhaare sehr genau auf eine bestimmte Periode datiert werden kann. Eine Periode, in der der angebliche Schöpfer des Werks unter Umständen schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilte. So wurde in einer der Leinwände Polyester gefunden - die Künstlerin Olga Rosanowa, die das Bild gemalt haben sollte, starb jedoch schon 1918, lange vor Entwicklung des Kunststoffs. Bei einem anderen Bild ergaben Tests, dass die Pflanze, aus der die Leinwand gewebt ist, nicht vor 1963 geerntet wurde: deutlich zu spät für den Künstler Nikolei Suetin (1897-1954). In einem Fall soll sogar eine ganze Künstlerin gefälscht worden sein: "Das ganze Werk ist im Grunde erfunden", sagt Kersting.
War Peter Ludwig zu gutgläubig? Er habe durchaus etwas von Russischer Avantgarde verstanden, sagt Kersting, nur war er eben kein Experte auf diesem Gebiet. Die habe es in der Nachkriegszeit in Deutschland aber auch gar nicht gegeben. Der Nährboden für Fälscher war ideal, denn die Russische Avantgarde-Kunst war im Westen gefragt, in der Sowjetunion aber verpönt, was dazu führte, dass sie dort in Depots unter Verschluss gehalten wurde. Es gab kaum Dokumentation, kaum Archivmaterial - und auch zunächst nur wenige Bilder im Westen. Deshalb war es auch schwer, zu vergleichen. Im Katalog wird auch die Frage aufgeworfen: Wie echt ist unser Kunstgenuss? Bisher hatten die Bilder alles, was für gewöhnlich als "Aura des Originals" bezeichnet wird. "Wenn wir heute vor exakt demselben Bild stehen, das immer noch genauso aussieht wie vorher, dann ist diese gesamte Metaphysik verschwunden." Manches in der Kunstwahrnehmung ist eben auch einfach der Magie des großen Namens geschuldet. Fällt der weg, ist es unter Umständen einfach nur noch - ein Bild.
Museum Ludwig, 26. September bis 3. Januar 2021
Neo Rauch in Leipzig
Der Leipziger Maler Neo Rauch stellt in seiner Heimatstadt neue Werke aus. In der Galerie Eigen + Art auf dem Gelände der Baumwollspinnerei eröffnet am Samstag die Schau "Handlauf". 16 Bilder sind zu sehen, teil im Groß- und teils im Kleinformat. Die Ausstellung in unmittelbarer Nachbarschaft von Rauchs Atelier auf dem Spinnereigelände ist bis zum 28. November zu sehen.
Rauch wird zu den bedeutendsten Malern der Gegenwart gerechnet. Die Werke sind hoch aktuell, sie sind alle 2020 entstanden. Teilweise wirken sie wie eine Kommentierung gesellschaftspolitischer Verhältnisse – etwa das großformatige Bild "Die Wurzel", auf dem ein Aktivist mit Megafon am Boden gehalten wird. Doch das ist etwas, das Neo Rauch von sich weist. Botschaften wolle er keine senden, sagte er am Donnerstag bei der Vorstellung der Ausstellung.
"Das sind alles Spiegelbilder meiner inneren Zustände. Und was sich da hineinmischt, hineinmengt, das kann ich nur bedingt kontrollieren. Aber ich filtere das Material durch meine Leinwand", sagte der Maler. "Ich bin natürlich nicht außerhalb meiner Zeit. Und obwohl ich im vorigen Jahrhundert verankert bin, bin ich natürlich auch ein Reflektor dessen, was mich umgibt und peinigt und ängstigt und bedrängt. Aber all das versuche ich natürlich, im Bild auszubalancieren. Darin sehe ich die Möglichkeit, die eigentliche Kraft von Malerei, das zu leisten: die elementaren Gegensätze auf einen Nenner zu bringen und zu befrieden."
Es sei eigentlich nicht seine Art, seine Bilder zu erklären, sagte der 60-jährige Rauch. Trotzdem gab er Einblicke in die Entstehungsgeschichte – etwa des titelgebenden Bildes "Handlauf". Darauf ist ein tanzendes Paar aus einem Zentauren und einem siamesischen Zwilling zu sehen, das in einem Keller zu tänzeln scheint. "Das ist direkt an der Grenze dessen angelangt, was es leisten könnte", sagte Rauch. "Was hat das nun darüber hinaus zu sagen? Soweit will ich mich dann doch nicht öffnen. Auf jeden Fall lauert eine Gefahr, die man bändigen muss. Und sich eines Handlaufes versichert. Eine Fassung gewinnt." Um das Thema des Ausbalancierens gehe es generell, das habe er bei der Arbeit an allen Bildern gemerkt.
Eigen + Art, 26. September bis 28. November 2020
Marina Faust in Salzburg
Auf den Fotos von Marina Faust performen Menschen mit Gegenständen, die Künstlerin zeigt Arbeitsprozesse, Luxus- und Nutzobjekte, sie setzt Modeschuhe oder Sexshop-Outfits ins Bild. Und auch sich selbst inszeniert die österreichische Fotografin, die nun mit dem Otto-Breicha-Preis für Fotokunst ausgezeichnet wurde. Der Preis wird seit 1983 vom Museum der Moderne Salzburg vergeben. Am Standort Rupertinum sind Werke der in Wien und Paris lebenden Künstlerin aus 40 Schaffensjahren zu sehen.
Museum der Moderne Salzburg – Rupertinum, 26. September bis 14. Februar 2021
"Wände/Walls" in Stuttgart
Jahr für Jahr geben Bahn und Kommunen viele Millionen Euro aus, um Graffiti-Beschädigungen auf Zügen und Wänden, in Unterführungen und an Häusern zu beseitigen. Nun dreht die Stadt Stuttgart den Spieß um. Nachdem sie bereits seit einigen Wochen Dutzenden Sprayern für ein Kunstprojekt im Stuttgarter Hauptbahnhof eine Bühne gibt, präsentieren Stadt- und Kunstmuseum vom Wochenende an und bis zu 31. Januar 2021 ihre Beiträge des dreiteiligen Projektes "Wände/Walls".
Dabei widmet sich das StadtPalais oder Stadtmuseum unter dem Titel "Graffiti im Kessel" der entsprechenden Kultur in der jüngeren Stuttgarter Geschichte. Es zeigt als eine Art begehbares Fotoalbum die einschlägigen Spots in der Stadt wie die Einfahrt zum Hauptbahnhof und die sogenannte Fellbachline und es lässt die Sprayerszene zu Wort kommen. Rund 2000 Fotos hat das Stadtmuseum aufgetrieben, begleitet von Videos und Installationen.
Das nicht weit entfernte Kunstmuseum widmet sich dem Thema "Wand" naheliegenderweise unter künstlerischen Aspekten: Wandarbeiten internationaler bildender Künstlerinnen und Maler wie Yoko Ono, Thomas Schütte und Maurizio Cattelan setzen sich in ihren 30 Positionen aus den Jahren 1966 bis 2020 mit der Wand im Innenraum als Kunstobjekt auseinander.
Der Fokus liegt dabei nicht auf Wandmalereien, vielmehr wird die Wand als kulturelles Ereignis und als eigenes Objekt des Raums präsentiert, wie die Kuratoren der Ausstellung am Donnerstag vor dem Start erklären. Besonders ins Auge fallen dabei das transparente und verspiegelte Labyrinth Yoko Onos und das schwebende Pferd in Originalgröße (Cattelan), das mit dem Kopf durch eine Wand zu rennen scheint. Oder steckt es fest?
Bereits seit mehreren Wochen verwandeln zudem über 70 Künstlerinnen und Künstler der Stuttgarter Sprayerszene den legendären Bonatzbau im Hauptbahnhof in eine Graffiti-Galerie. Knallbunt, amüsant, teils beunruhigend und düster, aber immer innovativ nutzen sie die Leinwände und Wandflächen im langgezogenen und denkmalgeschützten Hauptgebäude aus, das derzeit saniert wird. «Hier wird der öffentliche Raum als Gemeingut verstanden, das Platz für vielfältige Gestaltungsformen bietet und darüber alternative Perspektiven auf den Lebensraum ermöglicht», erklärt das Kunstmuseum Stuttgart dazu.
Kunstmuseum und StadtPalais, bis 31. Januar 2021
Phaenomenale in Wolfsburg
Nächster Halt Wolfsburg, und schon beim Ankommen wird die Phaenomenale sichtbar: Der Künstler Andreas Greiner generiert mit Abbildungen von Waldlandschaften aus der Umgebung zwei große Wandbilder für den Bahnhof. 2010 als Science-and-Art-Festival gegründet, erfindet sich die alle zwei Jahre stattfinde Phaenomenale in diesem Jahr als interdisziplinäres Festival für Digitalisierung neu. Sichtbar wird sie aber beileibe nicht nur im Netz, sondern auch mit vielen Projekten im Stadtraum, wobei beispielsweise die Einkaufsstraße Porschestraße zur kulturellen Flaniermeile wird und smarte, interaktive Kunstwerke in den Schaufenstern präsentiert. "Die Stadt Wolfsburg generiert und unterstützt ausdrücklich Initiativen, die sich mit den Entwicklungen und Fragen der Digitalisierung auseinandersetzen", sagt Kultur- und Digitaldezernent Dennis Weilmann. "Die neue Phaenomenale hat genau dies zum Ziel. Sie ist aber nicht nur ein Festival. Die Phaenomenale ist gleichzeitig ein Netzwerk von Akteuren aus Kultur, Technik und Wirtschaft, die ihre Kräfte bündeln und so mehr Strahlkraft nach innen und nach außen erlangen."
Dazu gehören Workshops und Events oder auch die Kunstausstellung "Erneuerbare Medien" im Kunstverein Wolfsburg, in der digitale Technologie und Ökologie produktiver Bestandteil der künstlerischen Strategien sind. Im "Raum für Freunde" des Kunstvereins gibt die Künstlerin Bettina Hackbarth am Abend des 27. September Einblick in die Verbindung zwischen Malerei und dem digitalen Transaktionssystem Blockchain. Eine kinetische Installation aus Geräten und Spielzeug, eingereicht von Wolfsburgern, fordert auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Phaeno zum Erleben und Eingreifen per Smartphone auf. Die Ausstellung im Haus selbst macht komplexe digitale Prozesse am eigenen Leib erfahrbar, nicht nur in der Begegnung mit dem Roboter Smarty.
Phaenomenale, verschiedene Standorte in Wolfsburg, bis 1. Oktober