Kris Lemsalu in Berlin
Wer könnte Kris Lemsalus Auftritt im estnischen Pavillon auf der Venedig-Biennale 2019 vergessen? Seltsame rituelle Gesänge ausstoßend, umtanzte sie gemeinsam mit einer kleinen Horde von Performern einen riesigen Vulva-Brunnen aus Keramik und benetzte die Skulptur in einem obskuren Fruchtbarkeitsritual großzügig mit Wasser. Die 1985 in Estland geborene Künstlerin, deren Gesichts-Make-up meist so bunt und verwirrend ist wie ihre Werke, schafft sich in ihren Installationen eine ganz eigene Welt, so aufregend und abgedreht, dass die Kunstszene gerade nicht genug von ihr bekommen kann.
Die KW Institute für Contemporary Art richten Lemsalu jetzt die erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland aus, und sie kommt nicht allein. Seit einiger Zeit kooperiert Lemsalu bereits mit dem New Yorker Avantgardemusiker Kyp Malone, jetzt sind die beiden verheiratet, und so zeichnen für die geplante Installation Kris Lemsalu Malone und Kyp Malone Lemsalu gemeinsam verantwortlich. Unter dem verliebten Titel "Love Song Sing-Along" werden sie eine Etage der alten Margarinefabrik in der Berliner Auguststraße in ein Gesamtkunstwerk mit Skulptur, Keramik, Animation, Performance und Sound verwandeln, in dem die Grenzen zwischen Tierreich und Menschheit, Leichtigkeit und Schwere und Leben und Tod ins Schwimmen geraten sollen. Bei der After-Party zur Eröffnung kann man dann auch selbst mitsingen: Das Wiener Künstlerlabel Rat Rights gestaltet den Abend in der Pogo Bar unter anderem mit Karaoke.
Kris Lemsalu Malone und Kyp Malone Lemsalu: "Love Song Sing-Along", KW Institute for Contemporary Art Berlin, 29. Februar bis 3. Mai
Eröffnungs-Performance Freitag, 28. Februar, 20:30 Uhr, After-Party 22 Uhr
Zehn Jahre Me Collectors Room in Berlin
Mit einem Blick in seine Welt eines Kunstliebhabers feiert der Sammler Thomas Olbricht das zehnjährige Bestehen seines Me Collectors Room in Berlin. Bis zum 17. Mai sind zahlreiche Arbeiten aus dem Bestand der Sammlung zu sehen. Darunter auch neben anderen Werken von Gerhard Richter vier gewebte Jacquard-Wandteppiche des teuersten lebenden deutschen Künstlers aus dem Jahr 2013. Olbricht vereint nach Angaben vom Donnerstag in seinem Bestand die einzige komplette Sammlung aller Richter-Editionen.
Im Zentrum der "Moving energies" (Energieflüsse) genannten Ausstellung steht eine Rekonstruktion privater Arbeitsräume des Sammlers. Sie zeigt das Zusammenspiel verschiedenster Objekte, Genres und Epochen, die eine Idee der Bandbreite und Interessen des Chemikers gibt, der zu den Erben des Kosmetikkonzerns Wella zählt. Allein in diesen beiden Räumen finden sich Arbeiten von William N. Copley, Louise Lawler, Günther Uecker, Thomas Schütte, Katharina Fritsch, A.R. Penck, Emil Nolde, Imi Knoebel, Joseph Beuys oder Cindy Sherman.
Darum gruppieren sich neben dem Richter-Schwerpunkt hochkarätige Werke unter anderem von Anselm Kiefer, Pipilotti Rist oder Timm Ulrichs.
"Moving energies", Me Collectors Room, Berlin, 29. Februar bis 17. Mai
Alte Meister in Dresden
Dresden ist wieder um eine Kunstattraktion reicher. Nach siebenjähriger Renovierung des Semperbaus am Zwinger will die Gemäldegalerie Alte Meister mit einem neuen Konzept Glanzlichter setzen. SKD-Chefin Marion Ackermann sprach von einer der beliebtesten Sammlungen der Welt. Es gebe kaum welche, wo so viele Einzelwerke oder Werkgruppen sich so im kollektiven Gedächtnis verankert hätten. Der historisch gewachsene Bestand unterscheide Dresden von anderen Bildersammlungen der Welt. Die neue Exposition umfasst 700 Gemälde und 420 Skulpturen.
Tatsächlich ist der Reichtum der Gemäldegalerie der exzessiven Sammelleidenschaft von Sachsen-Herrscher August dem Starken (1670-1733) und seines Sohnes Friedrich August II. (1696-1763) zu verdanken. Sie hatten Europa bereist und überall Kunstagenten postiert, die gezielt Ankäufe machten, berichtete Ackermann. Die Sammlungstätigkeit sei erst mit dem Siebenjährigen Krieg abgebrochen. Bis dahin gelangten allerdings Meisterwerke in die Dresdner Galerie, dessen Aushängeschild die "Sixtinische Madonna" von Raffael ist. Aber auch Giorgiones "Schlummernde Venus", der "Ganymed" von Rembrandt, die Veduten Bellottos, Tizians "Zinsgroschen" oder das "Schokoladenmädchen" von Jean-Étienne Liotard werden nun als Schlüsselwerke eindrucksvoll in Szene gesetzt. Am ersten Wochenende ist der Eintritt frei, es gibt kostenlose Zeitkarten an den SKD-Kassen. (dpa)
Gemäldegalerie und Skulpturensammlung, Semperbau am Zwinger, freier Eintritt zur Abendöffnung am Freitag, 28. Februar, 22 bis 2 Uhr, und am 29. Februar und 1. März, 10 bis 18 Uhr, limitierte Zeitkarten
Koreanische Performance in Düsseldorf
Das Yeoseong Gukgeuk-Theater war im Korea der 1950er und 1960er Jahre eine beliebte Unterhaltungsform: Hier schauspielerten ausschließlich Frauen. Es fiel schließlich der Militärregierung zum Opfer und ist heute in Vergessenheit geraten. Seine gesellschaftliche Relevanz und Fortschrittlichkeit will die koreanische Künstlerin Siren Eun Young Jung in ihren Video- und Performancearbeiten wieder ins Gespräch bringen, die nun im Kunstverein Düsseldorf zu sehen sind. Ihre erste große Einzelausstellung in Europa, "Deferral Theatre", zeigt nun der Kunstverein Düsseldorf: Diese befasst sich mit dem untergegangenen Frauentheater und setzt die emanzipatorischen Positionen der damaligen Schauspielerinnen mithilfe verschiedener Darstellungsformen in einen Dialog mit queeren Performancekünstlerinnen von heute.
"Deferral Theatre", Kunstverein Düsseldorf, 29. Februar bis 5. April
Eröffnung Freitag, 28. Februar, 19:30 Uhr
Martin Schoeller in Düsseldorf
Martin Schoeller fotografiert Prominente wie Angela Merkel oder George Clooney, aber auch Leute von der Straße. Der durch Nahaufnahmen berühmt gewordene Fotograf (51) präsentiert in Düsseldorf seine bislang umfangreichste Werkschau in Deutschland. Rund 170, teils großformatige Arbeiten zeigt das NRW-Forum unter dem schlichten Titel "Martin Schoeller" bis zum 17. Mai.
Darunter sind Porträts von Hollywood-Berühmtheiten wie Jack Nicholson und Julia Roberts. Andere Prominente werden in inszenierten Situationen gezeigt - etwa der muskelbepackte Sprinter Usain Bolt inmitten klassischer Statuen oder Tesla-Chef Elon Musk mit Spielzeugautos und Kindern. Eine andere Reihe stellt Bodybuilderinnen vor, eine weitere bildet Zwillingspaare ab.
In Essen ist derzeit noch eine Ausstellung von Schoeller mit Porträts von Holocaust-Überlebenden zu sehen. Diese Schau bleibt bis zum 26. April in Räumen der früheren Kokerei Zollverein. Ein Interview mit Schoeller zu diesem Projekt lesen Sie hier.
"Martin Schoeller", NRW-Forum, Düsseldorf, bis 17. Mai
Wieland Förster in Erfurt
Das Angermuseum in Erfurt ehrt den Bildhauer Wieland Förster zu seinem 90. Geburtstag mit einer Sonderausstellung. Die Schau präsentiere die Vielfalt seines künstlerischen Schaffens. Gezeigt werden etwa 60 Plastiken und Skulpturen sowie 70 Zeichnungen des am 12. Februar 1930 in Dresden geborenen Künstlers.
Mit dem über zwei Meter hohen Bronzeguss "Großes Martyrium - Den Opfern des Faschismus gewidmet" (1977 - 1979) werde auch eines von Försters Hauptwerken im Foyer des Hauses ausgestellt, hieß es. Förster gehört zu den herausragenden figürlichen Bildhauern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In seinen Werken verarbeitete er auch eigene, leidhafte Erfahrungen wie die Luftangriffe britischer und amerikanischer Bomber 1945 auf Dresden und seine Gefangenschaft in einem sowjetischen Speziallager. Die Erfurter Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und ist bis zum 24. Mai zu sehen. (dpa)
"Wieland Förster. Skulpturen und Zeichnungen", Angermuseum Erfurt, bis 24. Mai
Hightech in Erlangen
Technische Innovationen könnten unsere bedrohte Umwelt retten – oder ihren Untergang besiegeln. Eine Gruppenausstellung im Kunstpalais Erlangen untersucht, wie sich das Verhältnis von Natur und Hightech in der zeitgenössischen Kunst spiegelt und wie künstliche Intelligenz, Blockchain-Technologie, Big Data oder Bioengineering von Künstlerinnen und Künstlern eingeschätzt werden. Vertreten sind unter anderen James Bridle, Simon Denny, Jonas Staal, Sissel Tolaas und Pinar Yoldas.
"Survival of the Fittest", Kunstpalais Erlangen, 29. Februar bis 24. Mai
Eröffnung Freitag, 28. Februar, 19 Uhr
David Hockney als Zeichner in London
David Hockney zeichnet immer und überall - wie eine neue Ausstellung über den zeitgenössischen britischen Künstler zeigt. Die Schau "David Hockney: Drawing from Life" (David Hockney: Zeichnungen aus dem Leben) beleuchtet die lebenslange Zeichenleidenschaft des heute 82-Jährigen. "Er zeichnet in einem fort, wenn er nicht gerade raucht" sagte Kuratorin Sarah Howgate in der National Portrait Gallery. Dort ist die Ausstellung bis zum 28. Juni zu sehen.
Selbstbildnisse aus seinen Schultagen in den 1950er-Jahren, seine Eltern, engsten Freunde und Liebhaber sind in vielfachen Ausführungen und in den unterschiedlichsten Medien festgehalten: Von Bleistift über Aquarell bis Lithografie und iPad, Hockney steht nie still. In seine maßgeschneiderten Jackets sind Spezialtaschen für Skizzenblöcke eingenäht
Hockney, der vor allem für seine kalifornischen Swimming Pool-Gemälde und großen Landschaftsbilder seiner nordenglischen Heimat bekannt ist, wird in der Ausstellung als Meisterzeichner präsentiert. Die rund 150 Exponate kommen überwiegend aus seinem Privatbesitz oder der Hockney-Stiftung.
"David Hockney: Drawing From Life", National Portrait Gallery, London, bis 28. Juni
Rembrandt in Oxford
Zögerlich und unsicher sind nicht unbedingt Attribute, die man mit Rembrandt van Rijn (1606-1669) verbindet. Doch eine neue Ausstellung in Oxford will zeigen, dass der holländische Meister in seinen jungen Jahren hart daran arbeitete, zu einem der größten Künstler aller Zeiten zu werden.
Die Ausstellung "Young Rembrandt" (Der junge Rembrandt) im Ashmolean Museum in Oxford beleuchtet seine erste Arbeitsdekade zwischen 1624 und 1634. "Er war kein Wunderkind, kein geborenes Genie, sondern er arbeitete hart an sich und gab nicht auf", sagte Co-Kuratorin An Van Camp vor der Eröffnung.
"Young Rembrandt", Ashmolean Museum Oxford, bis 7. Juni
Foto-Biennale im Rhein-Neckar Gebiet
Unter dem etwas geheimnisvollen Motto "The Lives and Loves of Images" lädt die Biennale für aktuelle Fotografie in mehrere Ausstellungshäuser in Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg. Nach der Eröffnung an diesem Freitag zeigen sechs Ausstellungen in der Region bis zum 26. April zeitgenössische Kunst. "Das Faszinierende an Fotos ist, dass sie still und stumm sind", sagte Kurator David Campany. "Sie beschreiben Erscheinungen auf ihre Art und Weise. Aber sie können nicht erklären, was sie beschreiben." Erster offizieller Biennale-Besuchertag ist Samstag.
Zu sehen ist unter anderem die Ausstellung "All Art is Photography" im Kunstverein Ludwigshafen, die etwa Aufnahmen des spanischen Fotografen Antonio Pérez Río zeigt. Die Schau "Between Art and Commerce" im Port25 - Raum für Gegenwartskunst in Mannheim präsentiert Bilder des in Darmstadt geborenen Künstlers Daniel Stier. Seit 2005 findet die Biennale für aktuelle Fotografie statt.
Biennale für aktuelle Fotografie, 29. Februar bis 26. April
Emil Nolde in klein in Seebüll
Die Jahresausstellung der Nolde-Stiftung in Seebüll widmet sich den kleinformatigen Werken Emil Noldes. "Wir zeigen den ganzen Nolde im kleinen Format", sagte Stiftungsdirektor Christian Ring am Mittwoch in Neukirchen-Seebüll (Schleswig-Holstein). Da das ehemalige Wohn- und Atelierhaus des Malers saniert wird, ist die Jahresschau im Besucherforum untergebracht.
Die kleinformatigen Bilder repräsentieren alle Motivwelten Noldes: Landschaften, Menschen, Meere und Blumen. Einige Werke wurden gezielt als kleine Formate angelegt, andere sind Fragmente aus größeren Werken, die Nolde zerschnitt, weil er mit der Wirkung nicht zufrieden war. Erstmals werde das Werk Noldes nach Formaten betrachtet, sagte Ring.
Auch bei den Arbeiten auf Papier überwiegt in der Ausstellung das kleine Format. "Die diesjährige Präsentation erlaubt eine intime Begegnung mit der herausragenden Kunst des großen Farbenmagiers", sagte Ring. Die Schau öffnet am Sonntag für die Besucher. Erstmals in Seebüll zu sehen sind 123 Werke von insgesamt 185 ausgestellten Exponaten.
Nolde (1867-1956) wurde von den Nazis zwar als "entarteter Künstler" diffamiert, war aber auch NS-Parteimitglied, Antisemit, Rassist und bis zum Ende der NS-Zeit überzeugter Nationalsozialist. Diese Facetten des Menschen Noldes werden in Seebüll auch thematisiert.
"Emil Nolde - Der Zauber des kleinen Formats", Nolde Stiftung Seebüll, 1. März bis 1. November
Der hintersinnige Spitzweg in Winterthur
Carl Spitzweg (1808-1885) wird gerne als beschaulicher Biedermeier-Maler dargestellt - dass er den damaligen Zeitgeist mit Humor und Ironie beschrieb, ist jetzt in Winterthur in der Schweiz zu sehen. "Spitzweg war ein genauer und kritischer Beobachter", schreiben die Kuratoren der Ausstellung, die am 29. Februar im Kunst Museum Winterthur/Reinhart am Stadtgarten beginnt. Sie dauert bis 2. August.
Zu sehen ist auch eines der bekanntesten Werke, "Der arme Poet" von 1838. Dabei handele es sich nicht um eine romantische Dichterverklärung, so das Museum. Vielmehr sei das schonungslose Zeigen der Armut des Künstlers stellvertretend eine Kritik an der Beengtheit der Kunst im Allgemeinen zur damaligen Zeit. "Unter Umgehung der Zensur und scheinbar harmlos legte Spitzweg politische Missstände offen", so das Museum.
"Carl Spitzweg", Kunstmuseum Winterthur / Reinhart am Stadtgarten, Winterthur, 29. Februar bis 2. August
Eröffnung: Freitag, 28. Februar, 18.30 Uhr