Hicham Berrada in Berlin
Die Materialisten sagen, dass wir etwas lieben müssen, um es schützen zu wollen. Hicham Berradas künstliche, farbexplosive Landschaften im Aquariumformat sind sinnliche Großereignisse – und das schönste Argument für einen vorsichtigeren Umgang mit der Umwelt. Jetzt sind zwei Aquarien, zwei Videos und eine Skulptur des franzöischen Künstlers, der gerade für den renommierten Marcel-Duchamp-Preis nominiert wurde, in der Galerie Wentrup zu sehen.
Hicham Berrada "Enclosed Natures", Wentrup, bis 25. Januar 2020
Anthony Caro in Berlin
Das Himmelstor steht einen spaltbreit offen. Am Ende der riesigen Skulpturarbeit "The Last Judgement" des britischen Bildhauers Anthony Caro (1924-2013) gibt es noch eine Perspektive für bessere Aussichten. "Die Geschichte Europas strotzt vor Gräueln. Mein Jüngstes Gericht ist eine Reaktion auf Gräueltaten der Gegenwart, auch wenn am Ende die Hoffnung auf eine hellere Zukunft nicht aufgegeben wird", beschrieb Caro seine Arbeit selbst. Die in den Jahren 1995 bis 1999 als Reaktion auf die Balkan-Kriege entstandenen 25 Figuren zeigt die Berliner Gemäldegalerie von Freitag an bis zum 20. Juli.
Die insgesamt 42 Tonnen schwere Installation wird für die Ausstellung "Anthony Caro. The Last Judgement Sculpture der Sammlung Würth" in Beziehung gesetzt mit alten Meistern der Gemäldegalerie. So können Elemente wie etwa die von Caro auffällig eingesetzten vier Posaunen mit älteren Fassungen des jüngsten Gerichts verglichen werden.
"The Last Judgement" war erstmals während der Biennale 1999 in Venedig zu sehen. Für Berlin hat Kuratorin Sarah Schönewald die Skulpturen aus Steingut, Holz, Stahl, Messing und Beton wie ein Kirchenschiff zwischen dem immensen "Bell Tower" und dem finalen "Gate to Heaven" arrangiert. Caro montierte einen Großteil der Skulpturen in voluminösen Holzkonstruktionen, die wie Abseiten den Weg markieren. Zu erkennen sind immer wieder religiöse Motive, aber auch Kriegsszenen. (dpa)
Anthony Caro "The Last Judgement Sculpture", Gemäldegalerie, Berlin, 20. Dezember bis 12. Juli 2020
René Pollesch in Berlin
Wie häufig Radiosender das Lied "Drive" schon gespielt haben, lässt sich gar nicht zählen. "You can't go on. Thinking nothing's wrong. Who's gonna drive you home - tonight?" Nun nimmt sich Theaterregisseur René Pollesch den Song aus den 1980ern als zentrale Musik für sein neues Theaterstück.
Pollesch, der in zwei Jahren die Berliner Volksbühne übernehmen soll, schreibt und inszeniert derzeit am Deutschen Theater in Berlin. Am 15.Dezember ist dort "(Life on earth can be sweet) Donna" uraufgeführt worden. Mit dabei sind Schauspieler wie Martin Wuttke ("Tatort") und Milan Peschel ("Halt auf freier Strecke").
Die fünf Figuren treffen sich in gekachelten Gängen. Das spannende Bühnenbild von Anna Viebrock zeigt vieles falsch herum: Zuschauer gucken oft auf die Rückseite. Die Schauspieler tragen mal Masken wie Panzerknacker, mal sieht man Peschel mit Dauerwelle.
Pollesch lässt die Figuren über die Drehbühne und das epische Theater nachdenken, über Einkaufszentren und Freundschaften, über Autounfälle und Kapitalismus. Und zwischendurch schraubt schon mal jemand einen Teil der Bühne ab, um ihn mit zur Volksbühne zu nehmen. Pollesch liefert in rund 90 Minuten einen klugen und amüsanten Abend. (dpa)
"(Life on earth can be sweet) Donna", Deutsches Theater, Berlin, Freitag und Samstag, 20. und 21. Dezember, jeweils 19.30 Uhr, weitere Termine bis 24. Januar 2020
Michael Wolgemut in Nürnberg und Schwabach
In der Dürer-Stadt Nürnberg rückt eine neue Ausstellung nun den Lehrer des berühmten Renaissance-Malers in den Mittelpunkt: Michael Wolgemut. Der fränkische Malerunternehmer (1434/37–1519) stand lange im Schatten seines übermächtigen Schülers Albrecht Dürer. Dabei war es ihm gelungen, auf dem überregionalen Markt für Tafelmalerei einen führenden Betrieb aufzubauen; zu seinen Auftraggebern gehörte unter anderem Kaiser Friedrich III.
In der Ausstellung mit neun Stationen in Nürnberg und Schwabach werden bis zum 22. März zahlreiche Zeichnungen, Druckgrafiken, Tafelbilder, Altargemälde und Kirchenfenster aus Wolgemuts Werkstatt zu sehen sein - Wolgemut arbeitete mit zahlreichen Mitarbeitern und Subunternehmern zusammen.
So zeigt das Albrecht-Dürer-Haus einen in der Universitätsbibliothek Erlangen geschlossen erhalten gebliebenen Bestand an Handzeichnungen und die druckgrafische Produktion Wolgemuts. Im Germanischen Nationalmuseum, im Museum Tucherschloss und den großen Kirchen in Nürnberg und Schwabach wiederum sind Altartafeln und Gemälde zu sehen - oftmals noch in ihrer ursprünglichen Umgebung. (dpa)
"Michael Wolgemut – mehr als Dürers Lehrer" Neun Stationen in Nürnberg und Schwabach, 20. Dezember bis 22. März 2020
Michael Thonet in Wien
Ende der 1820er hatte Michael Thonet eine epochale Idee. Mit Wasserdampf und Muskelkraft verbog der Tischler Schichtholz, um Stühle herzustellen. Fürst Metternich holte den Bugholz- Erfinder 1842 nach Wien. Das dortige Museum für angewandte Kunst (MAK) setzt nun Thonets Kaffeehausstuhl Nr. 14 an den Anfang einer Schau, die Entwicklungsschritte des modernen Möbeldesigns nachzeichnet. 1859 kam das legendäre Sitzmöbel auf den Markt.
Nr. 14 begründete nicht nur den wirtschaftlichen Erfolg der Firma Thonet, mit dem für den Versand zerlegbaren Stuhl begann die industrielle Möbelproduktion – 100 Jahre vor Ikea. Das MAK hütet einen besonderen Schatz an Möbeln des Historismus, des Jugendstils und der Wiener Werkstätten. Bis in die 1930er reichen die klassischen Sammlungsbestände, aus denen die Ausstellung "Bugholz, vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign" schöpft. Weiter wird Thonets Innovation in den Kontext heutigen Designs gestellt. Trotz Stahl, Kunststoff, Papier lässt sich in Bugholz immer noch herrlich sitzen und liegen.
"Bugholz, vielschichtig. Thonet und das moderne Möbeldesign", MAk- Museum für Angewandte Kunst, Wien, bis 13. April 2020