Skulpturenpark Köln

Wo die Metamorphosen blühn

Auf den Arm genommen wird der Besucher häufig bei der sechsten Ausgabe des Kölner Skulpturenparks. Das Pissoir, das Bernard Voïta unter dem Titel „Green Memories“ beigesteuert hat, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als funktionsuntüchtige Attrappe. Betreten lässt es sich nämlich nicht: Dem Schweizer schwebten bei der Konstruktion offenbar die Körpermaße von Giacomettis in die Länge gedehnten Figuren vor.

Sperrig gibt sich auch „Der Park“ von Mandla Reuter. Er besteht aus einem einzigen Baum, der geltungssüchtig einen der zahlreichen schmalen Gehwege blockiert. Dem Zwang zur Vollendung entkommt Katinka Bock schräg gegenüber mit einer List: Die Terracottaplatten, die auf einem Sockel die Position einer liegenden Skulptureinnehmen, dürften beim ersten Wetterwechsel ihre Erscheinung verändern. Wenn Wasser und Wind ihre Spuren hinterlassen haben, wird die in Paris lebende Deutsche im Herbst noch einmal an den Rhein kommen. Dann baut sie einen Ofen um die unfertige Plastik und brennt das von ihr selbst und den Naturelementen modellierte Tonmaterial zur Keramik.

Die Mischung aus Konzept und Zufall überzeugt auch bei Jimmie Durham. Der in Rom lebende Amerikaner und gebürtige Cherokee-Indianer hat einen riesigen rostbraunen Mahagonibaumstamm aus dem Kongo wie beiläufig am Zaun abgestellt. Ein Fremdkörper, der auf dem gezähmten Parkgelände zur imaginären Reise in eine wuchernde Vegetation einlädt und nebenbei von Fremdheitsgefühlen des vielgereisten Künstlers erzählt. Ähnlich naturverbunden gibt sich der 1980 geborene Johannes Wald. Er hat aus Rügen einen Findling mitgebracht. Täglich soll dieser mit einem Ritual die Eröffnung des Parks einläuten. Ein weißes Kuhfell, ausgelegt auf dem Stein, verwandelt ihn zur Skulptur und das Areal zur öffentlichen Bühne. Bevor die Tore geschlossen werden, nimmt der Parkaufseher das Utensil wieder an sich und wirft das Werk auf seine Vergangenheit als schlichter Gesteinsabfall zurück.

Auf dem Rundgang durch das 25 000 Quadratmeter große grüne Museum im Norden zwischen Zoobrücke und Ufer dämmert es schnell jedem Flaneur, dass auch das diesjährige Programm von „KölnSkulptur 6“ mit 15 neuen Arbeiten dem klassischen Gattungsbegriff eine Absage erteilt und das Formenspektrum angenehm breit hält. Die Neuinszenierung des Kunstgartens, der 1997 von dem inzwischen verstorbenen  Sammlerpaar Elenore und Michael Stoffel gegründet wurde, fällt ungewohnt dialogisch aus. Sie verrät nicht nur eine Vorliebe für standortspezifische Interventionen, die den vorgegebenen Raum mit narrativer Bedeutung aufladen. Sie drückt auch den unbedingten Willen zur Metamorphose aus. Kurator Friedrich Meschede, der im Juli vom Museu d´Art Contemporani in Barcelona als Direktor zur Kunsthalle Bielefeld wechselt, ließ einen Hügel abtragen und das Gelände erweitern.

Vor allem die Neuinterpretation der Blickachsen besticht auf Anhieb. Zwar gibt es ein Wiedersehen mit bewährten Blickfängen wie dem Helikopter von Michail Sailstorfer oder dem in der Tiefe hängenden Unfallwagen von Dirk Skreber, aber auch die Ergänzungen zu den 30 dauerhaft installierten Skulpturen ziehen mühelos die Blicke auf sich, wie etwa die Leihgabe „Warm Dry Stone and Palm Leaves“ von Martin Boyce. Der in Berlin lebende Schotte ist gerade für den Turner Prize nominiert worden. Sein Metallparavent macht dem Pissoir am anderen Ende des Parks Konkurrenz, allerdings mit deutlich mehr Sinn fürs Ornament und ausgefallene Farbgebung.

Nicht zuletzt die „Kölner Reihe“ aus zentralen Werken, die vorher auf dem Gelände verstreut waren, erfährt eine Aufwertung. Florian Sotawa hat prägnante Skulpturen von Joel Shapiro, Martin Willing, Mark di Suvero, Günther Förg, Tobias Rehberger, Anish Kapoor und James Lee Byars der Größe nach in einer Reihe aufgestellt. Wer das Ordnungsprinzip für einfallslos hält, wird beim Spaziergang eines Besseren belehrt. Je nach Position verändern sich die Blickachsen und lassen das stramme Defilée neue Konstellationen eingehen.

Magische Wirkung entfaltet auch die „Garden Gallery“ von Sou Fujimoto. Meschede hat die Gelegenheit genutzt, dass der neue Shooting Star der Architektur zurzeit zwischen London und München pendelt und bestellte bei ihm einen Pavillon. Die erste in Europa gezeigte Arbeit des Japaners besteht aus fünf weißen Betonwänden, die auf einer Anhöhe zu einem weltentrückten Tempel verschmelzen. Der Besucher schreitet im Innern über Gras und blickt mangels Überdachung in den Himmel oder in sanft raschelnde Baumgipfel. Bewegt er sich, wechseln in den großen Wandöffnungen die Bildelemente wie in einer animierten Landschaftsgalerie.

Hat er sich an dem berauschenden Ausblicken satt gesehen, lädt ihn Hubert Kiecol am Ausgang zum Genuss von „Rheinwein“ ein. Der hängt allerdings noch ungepflückt an der Wand, als abstraktes Muster aus schwarzen Quadraten.


Skulpturenpark, Köln, bis Mai 2013