Anhand 220 ausgewählter Exponate wird in der Ausstellung "Vom Bauhaus nach Palästina: Chanan Frenkel, Ricarda und Heinz Schwerin" nachgezeichnet, wie drei Bauhäusler in den 30er-Jahren von Dessau nach Palästina auswanderten und sich dort als Holzspielzeugmacher, Fotografin und Architekt verwirklichten.
Den Ausgangspunkt der Ausstellung im Meisterhaus Muche/Schlemmer markiert eine Zeit, in der sich das Dessauer Bauhaus aufgrund von internen Konflikten und der politischen Lage in einer existenziellen Krise befand. Dies spiegelte sich auch im Alltag und in den Perspektiven der drei Studenten wider. Chanan Frenkel erhält kurz vor der Schließung des Bauhauses noch sein Diplom; das Abschlussprojekt "Strandbad Grünau bei Berlin" des Architekten aus dem Jahr 1932 ist im Haus Muche zu sehen. Der Kommunist Heinz Schwerin und seine spätere Frau Ricarda Meltzer müssen hingenen wegen ihres politischen Engagements die Schule verlassen.
Der eigentliche Schwerpunkt der Schau liegt auf den unterschiedlichen künstlerischen und beruflichen Tätigkeiten der Bauhäusler nach ihrer Migration nach Palästina: Der begeisterte Zionist Chanan Frenkel nimmt als Architekt in Tel Aviv am Aufbau Israels teil und ist als Modellbauer auch an den Vorbereitungen für die Weltausstellungen 1937 in Paris und 1939 in New York dabei. In der Ausstellung zeugen Aufzeichnungen, Fotos, Skizzen und nachgebaute Modelle von seinen Arbeiten.
Zuspruch von Hannah Arendt
Ricarda und Heinz Schwerin emigrierten aus Mangel an Möglichkeiten nach Palästina und gründeten eine Werkstatt für Holzspielzeug und Kunstgewerbe in Jerusalem. Es sind Schränke, Tische, kleine Holzautos oder eine Holzwalze zu sehen, die in ihrer Werkstatt Schwerin Wooden Toys entstanden sind. Nach dem Tod ihres Mannes während des israelischen Unabhängigkeitskrieges arbeitet Ricarda Schwerin zusammen mit ihrem neuen Lebensgefährten Alfred Bernheim als erfolgreiche Fotografin. Berühmte israelische Politiker und Intellektuelle blicken dem Betrachter von großformatigen Porträts entgegen. Von Ricarda Schwerins fotografischem Talent zeugen auch eine Reihe von Fotos einer Griechenlandreise, die sie im Jahre 1963 zusammen mit der Philosophin Hannah Arendt und dessen Ehemann Heinrich Blücher unternommen hat.
Arendt und Schwerin hatten sich 1961 während des Eichmann-Prozesses in Jerusalem kennengelernt. Arendt schätzt Ricarda Schwerin als Freundin und ist überzeugt von ihrer Professionalität als Fotografin. "Das Photographieren dürfen Sie unter keinen Umständen aufgeben", schreibt sie 1974 in einem Brief an ihre Freundin. Die Ausstellung zeigt einige Porträts, die Schwerin von Hannah Arendt gemacht hat, unter anderem das während des Eichmann-Prozesses entstandene berühmte Foto der Philosophin, das sie im Halbprofil zeigt, rauchend, mit einer Zigarette in der linken Hand. Dieses Bild wird noch heute vielfältig publiziert, aber nur selten ist die Fotografin erwähnt. Die Fotos beeindrucken, die Geschichte auch. Aber hat das noch etwas mit dem Bauhaus zu tun?
2011 präsentierte das Bauhaus Dessau die Ausstellung "Kibbuz und Bauhaus". Laut der stellvertretenden Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, Regina Bittner, habe die Verbindung des Bauhauses nach Palästina/Israel im Programm der Stiftung von Anfang an eine große Rolle gespielt, und der erneute Blick in die Region solle nun zeigen, dass sich das Bauhaus immer stärker für die transkulturellen Fragen seiner Geschichte interessiere. Trotzdem scheint die erneute Palästina/Israel-Thematik etwas redundant.
Auch
wenn sich bei Chanal Frenkel der Einfluss des Bauhauses noch stark in seiner
Arbeit als Architekt widerspiegelt, das Holzspielzeug von Ricarda und Heinz
Schwerin in Formgebung und Fertigung noch dem Bauhaus-Ansatz folgt und auch
einige Fotos von Ricarda Schwerin die neue Architektur des jungen Staates
Israel dokumentiert, hat man eher den Eindruck, die persönlichen Geschichten dreier
sehr unterschiedlicher Menschen präsentiert zu bekommen, die eigentlich nur
eine kurze Zeit am Bauhaus verbracht haben. Der bauhausbezogene Wirkungskreis
der drei Schüler tritt dabei etwas in den Hintergrund. Die Geschichten von
Chanan Frenkel, Ricarda und Heinz Schwerin faszinieren aber trotzdem.
„Vom Bauhaus nach Palästina:
Chanan Frenkel, Ricarda und Heinz Schwerin“, Meisterhaus Muche/Schlemmer,
Dessau, bis 13. Oktober