25 Jahre ZKM

Wie aus der Kriegsfabrik eine Kulturfabrik wurde

Karlsruhe (dpa) - «Computerliebe» heißt ein Song der Elektro-Pop-Band Kraftwerk, die zum Geburtstag des Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe auftritt. Die Liebe zu den unendlich scheinenden Möglichkeiten digitaler Technik prägt die 25 Jahre des in seiner Art einmaligen Zentrums: In engem Kontakt mit Kunst und Wissenschaft werden hier zentrale Fragen für das Verständnis der Gegenwart aufgeworfen und oft verblüffende Antworten vorgestellt.

Es gibt kaum einen anderen Ort in Deutschland, in dem das utopische Denken so selbstverständlich ist wie im ZKM. Da darf etwa die in Ungarn geborene Künstlerin Kata Legrady Waffen weglächeln, indem sie Kalaschnikow-Gewehre mit Smarties bestückt. Eine andere Ausstellung, «Global Activism», feiert den «Beginn einer globalen Bürgerschaft, die sich das Recht auf Partizipation nicht mehr nehmen lässt». Die in Hildesheim geborene Künstlerin Diemut Strebe rekonstruiert mit genetischem Material eines Nachfahren das Ohr von Vincent van Gogh, um so dem Rätsel der Identität auf die Schliche zu kommen. Oder die Schola Heidelberg besingt in den «Chants de l'Amour» von Gérard Grisey mit sphärischen Klangfarben das Ideal bedingungsloser Liebe.

Das sind nur einige wenige Beispiele der jüngeren Produktion in der «Kulturfabrik» für das digitale Zeitalter, wie Mitte der 80er Jahre das Konzept fürs ZKM umschrieben wurde. Damals herrschte Aufbruchsstimmung, der Personalcomputer begann seinen Vormarsch in Büros und Privathaushalte, der Umbruch zur Informationsgesellschaft zeichnete sich ab. Dabei war klar, dass der Computer nicht nur Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch die Kunst verändern würde. 1985 wurde in Cambridge im US-Staat Massachusetts das MIT Media Lab gegründet, das sich mit elektronischer Musik, dem Einfluss des Computers auf die Literatur und 3D-Darstellungen in der Holographie befasste.

Schon ein Jahr zuvor, 1984, legte der damalige Kulturreferent der Stadt Karlsruhe, Michael Heck, einen ersten Vorschlag zur Gründung des ZKM vor, als «interdisziplinäres Zentrum für Forschung, Lehre und künstlerische Aktivitäten». Gegen erheblichen Widerstand vonseiten der SPD und der Grünen trieben der damalige Ministerpräsident Lothar Späth und der Karlsruher Bürgermeister Gerhard Seiler (beide CDU) das Projekt voran.

Es dauerte fünf Jahre, bis das ZKM dann endlich gegründet werden konnte, in der Rechtsform einer öffentlichen Stiftung. Die Stadt Karlsruhe verabschiedete die Satzung am 9. Mai, das von der baden-württembergischen Landesregierung auf den Weg gebrachte Gesetz trat am 12. August 1989 in Kraft. Das Geld kommt vom Land und von der Stadt Karlsruhe.

Die künstlerische Leitung übernahm der Kunsthistoriker Heinrich Klotz (1935-1999), der bereits Gründungsdirektor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt war. Jetzt ging er nach Baden und erkannte in Karlsruhe «den Erlösungsbedarf einer Residenz, die sich nach Verlust der Hauptstadtwürde noch lange auf dem Weg zu Selbstvertrauen und beherzter Tat befand», wie der frühere Kulturreferent Heck in einem am Freitag erschienenen Buch zur Gründungsgeschichte schreibt.

Zunächst war das ZKM auf mehrere Standorte in Karlsruhe verteilt. Erst seit Oktober 1997 befindet es sich in einer Fabrikhalle der ehemaligen Industrie-Werke Karlsruhe-Augsburg (IWKA), die im Ersten Weltkrieg zur Produktion von Waffen und Munition errichtet worden war.

Zwei Jahre nach dem Umzug übernahm der österreichische Künstler Peter Weibel die Leitung. Heck nennt ihn im Buch zum Jubiläum einen «Zukunftslotsen» für «Phänomene der Überschreitung». Solche Verwandlungen faszinieren etwa 240 000 Besucher im Jahr, die sich von der besonderen Atmosphäre einnehmen lassen. «Das ZKM hat auf zweifache Weise, sowohl architektonisch wie künstlerisch, den bösen Geist der Gemäuer vertrieben», sagt Weibel vor der Jubiläumsfeier am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. «Erstens durch die Verwandlung einer Kriegsfabrik in eine Kulturfabrik und zweitens durch die Verwandlung von Militärgeräten in Medienkunstwerke.»