Herr Edsel, Ihr Buch beleuchtet erstmals die Kunstretter, die nach 1945 von den Nazis geraubte Kulturgüter sicherstellten. Warum erwacht das Interesse daran erst heute?
Das Vermächtnis der monuments men lag sozusagen im Nebel der Geschichte. Sie riskierten ihr Leben, um so viel wie möglich von unserer Kultur zu bewahren. Insgesamt fünf Millionen gestohlene Objekte wurden aus Tausenden von Verstecken – Salzminen, Höhlen und Schlössern – zu den zentralen Sammelstellen gebracht, identifiziert und inventarisiert. Es dauerte fast sechs Jahre, bis diese bemerkenswerten Männer und Frauen fertig waren. Währenddessen beschäftigte sich die Welt längst mit einem neuen Krieg, dem Kalten Krieg.
Was motiviert Sie dazu, so viel Zeit und Geld in dieses Thema zu investieren?
Ich fand es schmachvoll, dass diese Helden der Zivilisation keine Anerkennung erhielten – vor allem wenn man bedenkt, dass die Multimillionen-Dollar-Restitutionsfälle auf die Öffentlichkeit und die Medien eine riesige Faszination ausüben. Es frustriert mich bis heute, dass große Auktionshäuser lieber die ehemaligen Diebe beim Namen nennen, etwa den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, und nicht die, die so viel gestohlene Kunst zurückgebracht haben – die monuments men. Hätte es sie nicht gegeben, die ersten Ermittler am Tatort, wäre vieles an heutiger Forschung unmöglich. Die Akten, die sie nach dem Krieg zusammengestellt haben, sind heute oft der Ausgangspunkt für Forscher. Dieses Vermächtnis zu bewahren und zugänglich zu machen ist für mich sehr wichtig.
Warum sprechen Sie immer wieder von Helden?
Die monuments men waren im Durchschnitt 40 Jahre alt. Die meisten hatten Familie und waren in ihren Berufen erfolgreich. Sie hatten gar keinen Grund, sich freiwillig für diese gefährliche Aufgabe zu melden. Ein Amerikaner und ein Brite wurden getötet, als sie deutsche Kunstwerke schützen wollten. Viele von ihnen hatten in Europa studiert oder stammten von dort. Sie wollten das, was sie gelernt hatten, dafür einsetzen, eine kulturelle Welt zu erhalten. Wie viele Besucher – vor allem deutsche – wissen heute schon, dass die monuments men beispielsweise die Sammlungen des Beethoven-Hauses in Bonn oder der großartigen Berliner Gemäldegalerie geschützt und zurückgebracht haben? Wer steht in Berlin im Neuen Museum vor der Nofretete und weiß, dass sie von alliierten Soldaten in einem Salzstock bei Merkers gefunden und dann nach Wiesbaden in den Central Collecting Point gebracht wurde, wo Ken Lindsay jahrelang auf sie aufpasste?
Dass auch US-Soldaten Raubkunst mit nach Hause genommen haben, ist bislang ein Tabuthema.
Viele Soldaten haben Kriegssouvenirs nach Hause geschickt oder mitgebracht, meist Dinge, die einfach herumlagen oder deren Bedeutung man nicht kannte oder kennen wollte. Heute wissen wir, dass darunter wichtige Kulturgüter waren. Wenn die Soldaten oder ihre Erben diese Bedeutung erkennen, können sie uns beauftragen. Das rechnen wir ihnen hoch an. Bei wissentlich gestohlenen Dingen gilt: Diebstahl verjährt in den USA nicht, im Unterschied zu vielen europäischen Staaten, in denen man nach einer Verjährungsfrist sogar Eigentum an Kriegsraubgut erwerben kann. In den USA riskiert man bei einem Verkaufsversuch eine Haftstrafe. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, auch darauf hinzuweisen. Hunderttausende Objekte sind noch immer verschwunden. Unsere Stiftung erleichtert die Rückgabe, ohne dass dafür Kosten anfallen.
Wie reagiert man in Deutschland darauf?
Äußerst herzlich. 2007 habe ich eines der sogenannten Linz-Alben ans Deutsche Historische Museum in Berlin zurückgegeben. Es ist eines von 31 Fotoalben, in denen Hitler die Ankäufe fürs geplante Großmuseum in Linz präsentiert wurden. Ein amerikanischer Soldat hatte es aus Hitlers Berghof am Obersalzberg mitgenommen – um seiner Familie zu Hause zu beweisen, dass er wirklich in Hitlers Haus war. Mit einer Übergabezeremonie im US-Außenministerium wollten wir darauf hinweisen, dass noch elf Alben fehlen. Ich glaube, dass es sie noch gibt, hier in den USA. Wir zeigen einen Weg auf, wie gestohlene und verlorene Kulturgegenstände nach Hause zurückkehren können.
George Clooney verfilmte Ihr Buch in Babelsberg, mit Cate Blanchett, Matt Damon und Bill Murray in den Hauptrollen. Wie viel Einfluss hatten Sie darauf?
Ich bin Berater von George Clooney und dem Produzenten Grant Heslov. Ich habe viel Zeit mit ihnen verbracht und über die Geschichte diskutiert. Sie haben sich unglaublich ausführlich mit dem Stoff auseinandergesetzt und sich ebenfalls leidenschaftlich diesem Projekt verschrieben.
Robert M. Edsel: „Monuments Men – Die Jagd nach Hitlers Raubkunst“, Residenz Verlag, 560 Seiten, 26,90 Euro.
Die Verfilmung unter der Regie von George Clooney hat am 8. Februar auf der Berlinale seine Premiere und kommt am 20. Februar in die deutschen Kinos
Das Vermächtnis der monuments men lag sozusagen im Nebel der Geschichte. Sie riskierten ihr Leben, um so viel wie möglich von unserer Kultur zu bewahren. Insgesamt fünf Millionen gestohlene Objekte wurden aus Tausenden von Verstecken – Salzminen, Höhlen und Schlössern – zu den zentralen Sammelstellen gebracht, identifiziert und inventarisiert. Es dauerte fast sechs Jahre, bis diese bemerkenswerten Männer und Frauen fertig waren. Währenddessen beschäftigte sich die Welt längst mit einem neuen Krieg, dem Kalten Krieg.
Was motiviert Sie dazu, so viel Zeit und Geld in dieses Thema zu investieren?
Ich fand es schmachvoll, dass diese Helden der Zivilisation keine Anerkennung erhielten – vor allem wenn man bedenkt, dass die Multimillionen-Dollar-Restitutionsfälle auf die Öffentlichkeit und die Medien eine riesige Faszination ausüben. Es frustriert mich bis heute, dass große Auktionshäuser lieber die ehemaligen Diebe beim Namen nennen, etwa den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, und nicht die, die so viel gestohlene Kunst zurückgebracht haben – die monuments men. Hätte es sie nicht gegeben, die ersten Ermittler am Tatort, wäre vieles an heutiger Forschung unmöglich. Die Akten, die sie nach dem Krieg zusammengestellt haben, sind heute oft der Ausgangspunkt für Forscher. Dieses Vermächtnis zu bewahren und zugänglich zu machen ist für mich sehr wichtig.
Warum sprechen Sie immer wieder von Helden?
Die monuments men waren im Durchschnitt 40 Jahre alt. Die meisten hatten Familie und waren in ihren Berufen erfolgreich. Sie hatten gar keinen Grund, sich freiwillig für diese gefährliche Aufgabe zu melden. Ein Amerikaner und ein Brite wurden getötet, als sie deutsche Kunstwerke schützen wollten. Viele von ihnen hatten in Europa studiert oder stammten von dort. Sie wollten das, was sie gelernt hatten, dafür einsetzen, eine kulturelle Welt zu erhalten. Wie viele Besucher – vor allem deutsche – wissen heute schon, dass die monuments men beispielsweise die Sammlungen des Beethoven-Hauses in Bonn oder der großartigen Berliner Gemäldegalerie geschützt und zurückgebracht haben? Wer steht in Berlin im Neuen Museum vor der Nofretete und weiß, dass sie von alliierten Soldaten in einem Salzstock bei Merkers gefunden und dann nach Wiesbaden in den Central Collecting Point gebracht wurde, wo Ken Lindsay jahrelang auf sie aufpasste?
Dass auch US-Soldaten Raubkunst mit nach Hause genommen haben, ist bislang ein Tabuthema.
Viele Soldaten haben Kriegssouvenirs nach Hause geschickt oder mitgebracht, meist Dinge, die einfach herumlagen oder deren Bedeutung man nicht kannte oder kennen wollte. Heute wissen wir, dass darunter wichtige Kulturgüter waren. Wenn die Soldaten oder ihre Erben diese Bedeutung erkennen, können sie uns beauftragen. Das rechnen wir ihnen hoch an. Bei wissentlich gestohlenen Dingen gilt: Diebstahl verjährt in den USA nicht, im Unterschied zu vielen europäischen Staaten, in denen man nach einer Verjährungsfrist sogar Eigentum an Kriegsraubgut erwerben kann. In den USA riskiert man bei einem Verkaufsversuch eine Haftstrafe. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, auch darauf hinzuweisen. Hunderttausende Objekte sind noch immer verschwunden. Unsere Stiftung erleichtert die Rückgabe, ohne dass dafür Kosten anfallen.
Wie reagiert man in Deutschland darauf?
Äußerst herzlich. 2007 habe ich eines der sogenannten Linz-Alben ans Deutsche Historische Museum in Berlin zurückgegeben. Es ist eines von 31 Fotoalben, in denen Hitler die Ankäufe fürs geplante Großmuseum in Linz präsentiert wurden. Ein amerikanischer Soldat hatte es aus Hitlers Berghof am Obersalzberg mitgenommen – um seiner Familie zu Hause zu beweisen, dass er wirklich in Hitlers Haus war. Mit einer Übergabezeremonie im US-Außenministerium wollten wir darauf hinweisen, dass noch elf Alben fehlen. Ich glaube, dass es sie noch gibt, hier in den USA. Wir zeigen einen Weg auf, wie gestohlene und verlorene Kulturgegenstände nach Hause zurückkehren können.
George Clooney verfilmte Ihr Buch in Babelsberg, mit Cate Blanchett, Matt Damon und Bill Murray in den Hauptrollen. Wie viel Einfluss hatten Sie darauf?
Ich bin Berater von George Clooney und dem Produzenten Grant Heslov. Ich habe viel Zeit mit ihnen verbracht und über die Geschichte diskutiert. Sie haben sich unglaublich ausführlich mit dem Stoff auseinandergesetzt und sich ebenfalls leidenschaftlich diesem Projekt verschrieben.
Robert M. Edsel: „Monuments Men – Die Jagd nach Hitlers Raubkunst“, Residenz Verlag, 560 Seiten, 26,90 Euro.
Die Verfilmung unter der Regie von George Clooney hat am 8. Februar auf der Berlinale seine Premiere und kommt am 20. Februar in die deutschen Kinos