Der Sommer ist fast vorbei und das Sommerloch schon bald wieder zugeschüttet. Hoffentlich. Wer mit den Füßen im Wasser und einem Buch in der Hand an einem Pool oder – noch besser – am Meer hing, der konnte sich die Zeit außerdem damit vertreiben, viele Texte über Studien und Rankings und irgendwas mit Instagram zu lesen, denn kulturell war nicht viel los. Wer die Tagespolitik live mitverfolgte, der wusste vor lauter Eilmeldungen an manchen Tagen nicht, was zuerst lesen. "Was war das für 1 Sommerloch?", fragte Jan Böhmermann in seiner Sendung nach der Sommerpause. Politisch gab es zu viele relevante Themen, in Amerika erschossen Polizisten unbewaffnete Schwarze, ein 17-Jähriger schlägt in einem Regionalzug bei Würzburg mit einer Axt um sich, verletzt vier Menschen schwer und wird von der Polizei getötet, ein 18-Jähriger erschießt mit dem Motiv Ausländerfeindlichkeit in München neun Menschen. Nichts wünschte man sich an diesen Tagen mehr, als einen Sommer mit Sommerloch.
Auf Instagram war derweil alles wie immer: Olaf Breuning spielt mit dem Essen, Stephanie Sarley befingert Früchte, Stephen Shore fotografiert die Pflanzen im Garten seiner Frau, die Mutter von Ryan McGinley singt, bei Bret Easton Ellis sieht es nach Blutbad aus, Alec Soth macht Unselfies und Michael Stipe macht Selfies, eins davon mit Tracey Emin, die er vielleicht geheiratet hat, ausschließen jedenfalls wollte er das nicht. Und Heidi Specker, die hat die Natur im ganz Kleinen beobachtet.
Was Kim Kardashian, ihre Familie und Justin Bieber auf Instagram machen, ist täglich sowieso schon 2476 Meldungen wert. Wenn Justin Bieber sich aber plötzlich entscheidet, nichts mehr auf Instagram aus seinem Leben zu teilen, weil er seinen Account mit 77,7 Millionen Followern vermeintlich löscht, dann drehen nicht nur die Beliebers durch. Er war es leid, dass sich Gott und die Welt, jedes Mädchen und jede Ex-Freundin öffentlich kritisch über seine Beziehung mit Sofia Richie, 17 Jahre jung, Tochter von Lionel Richie, äußerten. Also drohte er nicht nur, dass er seinen Instagram-Account löscht, wenn nicht bald alle Ruhe geben, ein echter Bieber lässt seinen Worten auch Taten folgen. Völlig undramatisch hätte er einfach die App von seinem Smartphone löschen können, aber das war ihm in dieser Situation wohl nicht Drama genug. Nein, es musste schon der ganze Account sein – und den hat er nicht einmal gelöscht, sondern nur deaktiviert. Der schrillste Aufschrei ever war noch nicht verklungen, da war Justin Bieber nämlich schon wieder da, auf Instagram, huch, war nur ein Versehen, twitterte er schnell, während er sicherlich leicht panisch damit beschäftigt war herauszufinden, wie er in fünf Minuten nicht wieder versehentlich seinen Account aktiviert.
Warten wir also weiter geduldig auf die Rückkehr des Biebers. Mit Rock 'n' Roll hat das denkbar wenig zu tun, Drehbuchautoren von Seifenopern hätten sich das allerdings nicht besser ausdenken können.
Lena Dunham hat die Sommerpause sinnvoll genutzt. Auf Instagram wird sie zwar auch gern wüst beschimpft, besonders wenn sie ein Foto von sich postet, das nicht in das Weltbild der Menschen passt, die Kleidergröße 34 tragen, aber das ist für sie kein Grund nicht einfach weiterzumachen und weiter gegen Body Shaming anzukämpfen. Für ein Dessous-Label hat sie sich jetzt mit ihrer Girls-Kollegin Jemima Kirk in Unterwäsche im Rahmen einer Body Positivity-Kampagne ablichten lassen – ganz ohne Photoshop und mit Bauch, Beinen und Po von zwei Frauen, die sich nicht darum scheren, ob der Mob auf Instagram wütend und angewidert "Disgusting!!!1!!11!!" in die Tasten hämmert.
In diesem Umfeld von A bis Z-Promis, Modebloggern, Fußballstars, den Kardashians und Popstars bewegen sich Fotografen auf Instagram mit ihren Bildern. Die Währung: Likes und Kommentare. Will man auf Instagram funktionieren, müssen die Bilder einer möglichst breiten Masse gefallen. Um das zu gewährleisten, schraubt man einfach den Anspruch ein wenig herunter – ungefähr so wie die "Bild"-Zeitung. Auf Instagram geht es nämlich weniger um Fotografie, sondern um Lifestyle und darum, ein angenehmes Werbeumfeld für gesponserte Beiträge zu schaffen, mit denen sich viel Geld verdienen lässt. Kitsch, Sonnenuntergänge, Postkartenmotive, mehr braucht es fast nicht, um auf Instagram erfolgreich zu sein, was bedeutet: viele Likes, noch mehr Follower. Deshalb ist es immer wieder erstaunlich, dass ein Berliner Fotolabor ein Ranking der "Top 100 Photographers on the Web" erstellt – das in eben diesem schnell verbreitet wird – und ein Fotojournalist wie Steve McCurry oder Modefotografen wie Mario Testino und Terry Richardson mit Instagrammern verglichen werden, die ausschließlich Bilder produzieren, die auf Instagram performen und sich deshalb gut für sponsored posts eignen. Fotos also, wie man sie sich bei einem Einkauf bei IKEA gerahmt in den Einkaufswagen werfen könnte.
Und dann fiel in das Sommerloch eine "Studie" einer großen Berliner Agentur für digitale Transformation, die sich ganz ohne Auftrag die digitalen Angebote von 40 Museen in der Stadt angesehen hatte. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Fast alle Museen haben den digitalen Wandel verschlafen. Es mangelt an der Kommunikation von ausstellungsbegleitenden Hashtags, an der Möglichkeit, online Tickets im Vorfeld zu erwerben, an Apps, die über grundlegende Informationen hinausgehen, an Angeboten wie einer Twitterwall, einem Webshop, multimedialen Exponaten und dem Selbstverständlichstem: WLAN. Das große Vorbild sollten, so die Digitalagentur, Museen wie die Tate oder das Metropolitan Museum of Art sein.
Das klingt toll, denn das klingt groß und wichtig. Und welches Museum würde nicht gern in dieser Liga mitspielen können? Nur eins ist vielleicht nicht so ganz richtig, denn sicherlich haben nicht alle Museen in Berlin die gleichen Bedürfnisse wie Tate und Met, ganz einfach, weil die Ströme an Besuchern fehlen, die Tickets im Vorfeld online kaufen müssten. In welchem Berliner Museum stehen schon die Besucher regelmäßig um den Block Schlange? So verhält es sich auch mit einigen der anderen Kriterien dieser Studie. Denn braucht tatsächlich jedes Museum einen Webshop oder gar eine App zu jeder Sonderausstellung? Oder würde ein solches Angebot ein kleineres Museum nicht vielmehr in den Ruin treiben?
Zum Abschluss Sonnenblumen fürs Gemüt: