2017 ist das Jahr, in dem wir uns sicherlich alle ein wenig wohler gefühlt hätten. Leicht war das nicht, die Sache mit dem Wohlfühlen, weil plötzlich Trump im Weißen Haus saß und bis heute nicht ganz klar ist, ob er mit Politik oder Satire auf Dauersendung ist. 2017 wurde dann auch viel über Feminismus und die Rechte von Frauen gesprochen, weil Trump es irgendwie völlig okay findet, Frauen zwischen die Beine zu greifen und das ist natürlich alles andere als okay.
2017 ist auch das Jahr, in dem viel gebasht wurde: Merkel, Influencer und Kuratoren beispielsweise. Alle sollen sie weg, hörte man, weil sie wenig besser, dafür aber viel schlimmer machen: die Politik, den Alltag, die Kunst. Und während sich die Kritiker noch den Kopf über die Documenta 14 zerbrachen, zeigte Britney Spears auf Instagram wie einfach das mit der Kunst sein kann. Ein bisschen Mozart, ein bisschen Pleinairmalerei, fertig. Über die Documenta hat sie sich vermutlich eher weniger Gedanken gemacht, aber damit waren ja auch schon andere beschäftigt.
2017 war auch das Jahr, in dem zwei große weibliche Fotografinnen sich entschieden haben, Instagram nicht den Kardashians und den Beziehungsdramen von Justin Bieber und Selena Gomez zu überlassen. International dankten es Cindy Sherman die Feuilletons und überschlugen sich, als sie im Sommer ihr Profil öffentlich stellte und jetzt jeder sehen konnte, dass sie auch Selfies macht und dafür Apps wie Facetune nutzt. Und weil es eben Cindy Sherman ist, müssen die Selfies mindestens das neue Werk sein, dachten sich die Feuilletons, Sherman sagte später, dass sie sich das nicht dachte, sie wolle nur ein bisschen herumspielen.
Und jetzt ist offenbar auch noch Nan Goldin auf Instagram – was sie sich dabei denkt, ist nach 23 Postings in knapp zwei Wochen noch nicht so ganz klar. Letztes Jahr bat sie ein wenig melodramatisch darum, man möge ihr bitte versichern, dass sie nicht für Dinge wie Soziale Medien verantwortlich sei. Sie möchte nämlich nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass wir heute im Bilderstrom ertrinken, Fotografien seien sowieso schon viel zu viele in der Welt. Vielleicht denkt sie sich mittlerweile, dass noch ein paar mehr Fotos auch egal sind. Oder dass mehr Fotos von Fotografen her müssen. Oder dass nicht nur Cindy Sherman Instafame zusteht. 2018 bringt womöglich die Antwort.
Und weil Instagram nicht alles, aber 2017 doch viel war, hier fünf Dinge, die das Jahr zumindest auf Instagram schöner gemacht haben – und vielleicht auch 2018 etwas erträglicher machen:
Ryan McGinleys Familienglück
Glaubt man dem Aufruhr um die kürzlich – und das mitten in der #Metoo-Debatte – im New Yorker erschienene Kurzgeschichte "Cat Person" von Kristen Roupenian, sind wir in Zeiten von Online-Dating nicht mehr fähig, unsere Bedürfnisse angemessen und respektvoll beziehungsweise überhaupt zu kommunizieren. Liebe und funktionierende Beziehungen scheint es maximal noch als Happy End in Hollywood-Filmen zu geben.
Im richtigen Leben schwebt Ryan McGinley derweil schon seit längerem auf Wolke sieben. Sein Boyfriend heißt Marc, sein Hund Dick und seine Mutter Mary Jane. Sie singt, er geigt und der Hund springt und schläft. Geknutscht wird auch ab und an. Das alles kann man sich fast täglich auf Instagram ansehen und es wird nicht öde, obwohl es natürlich eigentlich viel zu schön ist. Und wer würde schon eine Serie auf Netflix anschauen, in der es um eine wahnsinnig glückliche Beziehung geht. Bei den McGinleys wird es jedenfalls nicht fad, vielleicht auch weil man das Gefühl hat, heimlich ein Tagebuch zu lesen oder ein Familienalbum durchzublättern.
Vor ein paar Wochen ist tatsächlich so etwas wie ein Familienalbum unter dem Titel "Ryan McGinley + Marc Armitano" erschienen, online ist es bereits ausverkauft. Das Vorwort hat Ryan McGinley selbst geschrieben, es ist auf den 23. Mai 2017 datiert. Er beginnt mit den Worten "This is our little family album – Marc, me, and Dick the Dog" und endet mit den Worten "I just want to be wherever he is, and see the world while holding his hand."
Dazwischen stehen Sätze wie: "I guess these photos are what love looks likes." Oder: "I think he’s got a 65-year-old woman inside his body." Alle Fotos sind zwischen 2015 und 2017 entstanden, er fotografiert mit dem iPhone und die Bilder landen dann auf Instagram oder auf Marcs Snapchat. Ryan McGinley erzählt im Buch, dass er wie besessen fotografiert, wohl weil jeder in seiner Familie eine Zwangsstörung habe und seine Version von OCD sei eben das zwanghafte Fotografieren. Gut so. Und das tägliche Update gibt es natürlich weiterhin auf Instagram.
Klaus Biesenbachs Food Porn
Jeder hat das doch: Freunde, mit dem man immer die eine Sache macht, wenn man sich sieht. Ich gehe beispielsweise mit einem Freund immer asiatisch essen, wir bestellen uns eine Suppe und würzen sie viel zu scharf, damit uns fürchterlich heiß wird. Totaler Quatsch, stimmt total, aber es macht wahnsinnigen Spaß. Kurator und Monopol-Kolumnist Klaus Biesenbach hat auch so seine Traditionen. Mit Patti Smith isst er offenbar einmal die Woche Karottensalat, die beiden bekommen eine große Portion und zwei kleine Teller. Das Hashtag zum Event: #carottsaladatumas. Und mit Hans Ulrich Obrist isst er Eis; wenn es kein Eis gibt, tun es auch Donuts. Das Hashtag: #iscreamyouscreamweallscreamforicescreamkbhuo.
Arvida Byströms Körperhaare
Es ist das Jahr 2017, und noch immer stören sich ziemlich viele Menschen an behaarten Frauenbeinen. Und das obwohl es im Jahr 2017 zum guten Ton gehörte, sich Feminist(in) zu nennen. Egal, könnte man zum Toleranzproblem sagen, wenn es um Körperhaare bei Frauen geht. So egal ist es dann doch nicht, wenn die schwedische Künstlerin Arvida Byström wegen ein paar Haaren an den Beinen Vergewaltigungs-Drohungen im Anschluss an eine Adidas-Kampagne bekommt. Gerade erst passiert. Arvida Byström jedenfalls stört sich nicht so sehr an der Aufregung oder macht vielleicht gerade deshalb weiter. Die feministische Weltrevolution wird leider noch ein bisschen auf sich warten lassen, mindestens bis 2018 müssen wir uns noch gedulden.
Tom Galles Memkunst
Tom Galle nennt sich selbst Meme-Artist und meint damit, dass seine Kunst die Sprache des Internets spricht. Sind wir nicht alle ein bisschen zu abhängig von unseren Smartphones? Und interessierten wir uns 2017 nicht etwas zu sehr dafür, dass ein großes Brandlogo auf jedem Kleidungsstück prangt? Tom Galle inszeniert unangenehme Wahrheiten. Apple-Jüngern steht beim Scrollen durch seinen Account sicherlich der Schweiß auf der Stirn, denn Galle macht schon mal kaputt, was anderen heilig ist. Zuletzt ging Galles "Corp Gear" viral, aus Corporate Logos macht er Waffen. Das Nike-Logo wird zum Messer und das McDonald’s-Logo zum Schlagring.
Decor Hardcores emotional furniture
Wer Instagram nicht ausstehen kann und trotzdem dort abhängt, obwohl alles glänzt und überall Avocadotoast herumliegt, der findet sein zu Hause bei @decorhardcore fernab von Hispter-Chic und Influencer-Madness. Decor Hardcore sammelt die irrsten Einrichtungsgegenstände, die in den Weiten des Internets zu finden sind – mittlerweile werden auch Einsendungen akzeptiert. "Hardcore is not for everybody" steht in der Profilbeschreibung. Wem das also tatsächlich zu ironisch, trashig und zeitgeistig sein sollte, denn von Decor Hardcore gibt es jetzt auch noch Merch à la Ugly Fashion, der wird vielleicht mit Accidentally Wes Anderson glücklich. Und wem Decor Hardcore noch nicht genug ist, der schaut bei @aleia vorbei, dort kriechen Schnecken durch Hardcore-Einrichtungskitsch im Miniaturformat.
2018 bringt hoffentlich mehr von allem: Mehr Food Porn ohne Avocados und irgendwas mit Bowls, mehr feministische Weltrevolution, mehr Künstler, die auf Instagram einfach nur mitspielen wollen, mehr Memkunst, die dann auch von der Kunstwelt ernst genommen wird, und mehr Respekt und Rücksicht im Umgang miteinander. Und von einem weniger: Trump.