Was macht die Kunst, Gloria von Thurn und Taxis?

 

Fürstin, Sie sammeln zum Teil provokante zeitgenössische Kunst, sind aber als strenggläubige Katholikin regelmäßig Gastgeberin von kirchlichen Würdenträgern. Kommt es vor, dass Sie Kunstwerke abhängen, bevor Ihr Besuch eintrifft?

 Das kommt selten vor. Aber wenn ich weiß, dass ein Gast, keinen Zugang zur zeitgenös­sischen Kunst hat, nehme ich natürlich Rücksicht auf seine Gefühle. Man muss die Gegenwartskunst schon gut kennen, um zu wissen, dass viele dieser Werke nicht blasphemisch gemeint sind. Aber wenn Andreas Serrano auf ein Kreuz pinkelt, dann kann das hinterher noch so toll aussehen – das ist mir dann auch zu viel.

 

Und der gekreuzigte Frosch von Martin Kippenberger?

 Kippenberger kannte ich ja noch in seiner Kölner Zeit. Der hatte gewiss nichts Blasphemisches im Kopf. Für den war einfach das Kreuz ein Symbol der Folter an sich.

 

Wenn Kardinal Meisner zu Besuch kommt, wie reagiert der auf die große Bronzeskulptur der Chapman-Brüder in Ihrem Eingangsbereich? 

 Da sind zwei Skelette drauf – eines hängt am Baum, und dann sind am Boden Würmer und Totenköpfe. Natürlich kommt dann eine Bemerkung: Oh, das ist ja interessant. So, wie es viele Priester tun, die bei mir ein und aus gehen. Ich sage dann immer: Das ist Hieronymus Bosch von heute. Das leuchtet den meisten sofort ein.

 

Sie sind mit vielen Künstlern, Galeris­ten, Sammlern befreundet, also eng mit einer Welt verbandelt, deren Protagonisten Exzessen aller Art meist nicht abgeneigt sind. Trotzdem verbringen Sie Ihre Zeit mit Wallfahrten und Papstaudienzen. Kommt Ihnen das nicht manchmal schizophren vor? 
Ich bin ein vielseitig interessierter Mensch. Kunst war immer ein ganz wichtiger Teil meines Lebens – auch wenn mich die Partys dazu schon lange nicht mehr interessieren. Natürlich bin ich mit Leuten befreundet, deren Lebensentwurf nicht mit meinem übereinstimmt. Aber wenn Sie selber beschlossen haben, ich nehme keinen Alkohol oder keine Drogen mehr, dann können Sie trotzdem noch sehr gut befreundet sein mit Leuten, die das weiterhin tun. Man kann nicht seine eigenen Vorstellungen anderen aufoktroyieren, dieser Anspruch wäre ungesund, und das macht auch kein normaler Mensch.

 

Sie hatten kürzlich einen Talkshowauftritt, bei dem Sie als Mittel gegen Homosexualität „viel beten“ empfohlen hatten. Rufen nach so einer Sendung wenigstens ein paar Ihrer schwulen Künstler- und Galeristenfreunde an, um sich zu beschweren? Oder will es sich keiner mit der Sammlerin und Gastgeberin Gloria verderben?

Also, wenn man aus dem Kontext heraus einzelne Aussagen interpretiert, dann kann das zu Missverständnissen führen. Frau Maischberger fragte, was ich einem guten Freund raten würde, wenn er sich in einen Mann verliebt. Aber wie auch immer, ich bin mir sicher: Wenn wir in Ruhe und unaufgeregt diskutieren könnten, würden wir sehr schnell einig.

 

Wenn doch noch einmal einer anruft, wie genau würden Sie sich bei diesem Thema einig werden?

Das lässt sich nicht allgemein formulieren. Eines darf man nie vergessen: Die Kirche hasst die Sünde, aber liebt den Sünder. Man muss sie sich vorstellen wie eine Mutter, die einen liebt. Ich liebe ja auch meinen Freund und meine Freundin, selbst wenn er oder sie einen meiner Ansicht nach total falschen Weg eingeschlagen hat. Die Freundschaft würde ich nicht kündigen, sondern in erster Linie versuchen, den Menschen zu verstehen und durch Zuneigung mich dieser Person zu widmen, um ein Nachdenken über das Leben und über das, was man macht, zu erwirken. 

 

Das kann ich mir in einigen Fällen gut vorstellen – aber dass einer Ihrer schwulen Freunde heterosexuell wird, wenn Sie sich nur liebevoll um ihn kümmern?

Homosexualität an sich ist ja auch nicht das Problem. Kardinal Meisner hat bei Maisch­berger selbst gesagt, es spräche überhaupt nichts dagegen, wenn zwei Homosexuelle wie Geschwister zusammenleben. Es gibt natürlich Formen des Zusammenlebens, die schwierig sind, aber das ist eine ganz private Entscheidung, die man nicht öffentlich diskutiert. Das ist schlechter Geschmack. 

 

Für die katholische Kirche gehört es doch zur Tradition, den Menschen ins Privat- und Sexualleben hineinzu­reden.

Das ist nun wirklich Quatsch. Die Kirche redet einem nirgends rein. Es gibt die Gebote der Kirche, die kann man einhalten oder auch nicht einhalten. Nur, wenn wir keine Gebote hätten, bräuchten wir uns auch nicht dagegen zu entscheiden. Die Gebote erst geben uns die Freiheit, uns entweder dafür oder dagegen zu entscheiden. Das ist das große Geheimnis.